Maligne Astrozytome bei älteren Patienten

Temozolomid vergleichbar wirksam wie Strahlentherapie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. H.-C. Diener, Essen
mit einem Kommentar des Autors

Eine Chemotherapie mit Temozolomid war in einer randomisierten Studie bei 412 Patienten mit anaplastischem Astrozytom oder Glioblastom im Alter über 65 Jahren genauso wirksam wie eine Strahlentherapie.

Maligne anaplastische Astrozytome und Glioblastome sind typische maligne Hirntumoren des höheren Lebensalters mit sehr schlechter Prognose. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt sechs Monate. Die derzeitige Standardtherapie ist eine Resektion durch den Neurochirurgen und wo dies nicht möglich ist, eine Biopsie gefolgt von einer Strahlentherapie mit 60 Gy in 30 Fraktionen à 2 Gy. Bei jüngeren Patienten wird seit einiger Zeit zusätzlich eine Chemotherapie mit Temozolomid (Temodal®) eingesetzt. Der Behandlungserfolg hängt hier davon ab, ob der Tumor in der neuropathologischen Untersuchung eine Promotormethylierung des O6-Methylguanin-DNS-Methyltransferase-Gens (MGMT) aufweist. Allerdings ist die Chemotherapie bei älteren Patienten weniger wirksam als bei jüngeren. Die Deutsche Neuroonkologische Arbeitsgruppe (NOA) hat jetzt eine randomisierte Phase-III-Studie durchgeführt, um zu untersuchen, ob eine isolierte Chemotherapie einer Strahlentherapie nicht unterlegen ist.

Zwischen Mai 2005 und November 2009 wurden 412 Patienten mit anaplastischem Astrozytom oder Glioblastom im Alter von über 65 Jahren in die Studie eingeschlossen. 373 Patienten konnten letztendlich randomisiert werden, 195 davon erhielten 100 mg/m2 Temozolomid an den Tagen 1 bis 7 der Woche 1 gefolgt von einer Woche ohne Therapie. Die Dosis konnte bei Blutbildveränderungen angepasst werden. 78 Patienten wurden bestrahlt, wobei die Bestrahlung sich über 6 bis 7 Wochen mit Einzelbestrahlung von 1,8 bis 2 Gy hinzog. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben.

Die mediane Überlebenszeit betrug 8,6 Monate in der Temozolomid-Gruppe vs. 9,6 Monate in der Strahlentherapie-Gruppe. Dies entspricht einem Hazard-Ratio von 1,09, was nicht statistisch signifikant unterschiedlich war. Eine MGMT-Promotormethylierung fand sich bei 35% der getesteten Patienten. Dieser Biomarker war mit einem längeren Überleben assoziiert. Für Patienten mit MGMT-Promotormethylierung betrug die mediane Überlebenszeit 11,9 Monate verglichen mit 8,2 Monaten bei Patienten ohne Promotormethylierung.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Neutropenie (16 Patienten unter Temozolomid vs. 2 mit Strahlentherapie), Lymphopenie (46 vs. 1), Thrombozytopenie (14 vs. 4), erhöhte Leberenzymaktivitäten (30 vs. 16), Infektionen (35 vs. 23) und thromboembolische Ereignisse (24 vs. 8).

MGMT-Methylierung

Wenn das DNS-Reparaturenzym MGMT durch eine DNS-Methylierung in der Promotorsequenz inaktiviert ist, wirkt Temozolomid bei Patienten mit Gliom besser als bei Patienten ohne MGMT-Promotormethylierung. Die MGMT-Promotormethylierung bewirkt, dass die Tumorzellen keine MGMT-RNS und auch kein Protein mehr bilden können.

Ist MGMT aktiv, kann es die Wirkung von alkylierenden Zytostatika wie Temozolomid verhindern, indem es die therapeutisch induzierte DNS-Alkylierung repariert.

Kommentar

Diese große randomisierte Studie erbringt wesentliche Informationen für die Behandlung von älteren Patienten mit malignen Hirntumoren. Die Studie zeigt, dass eine Chemotherapie mit Temozolomid, die in aller Regel im häuslichen Umfeld durchgeführt wird, genauso wirksam ist wie eine Strahlentherapie, die regelmäßige Besuche in der Klinik notwendig macht. Die Studie zeigt aber auch, wie wichtig die Bestimmung des MGMT-Status ist; so hatten Patienten mit MGMT-Promotormethylierung, die Temozolomid erhielten, die beste Überlebenschance. Ungeklärt bleibt aber im Moment bei älteren Patienten, ob möglicherweise die Kombination aus Chemotherapie mit Temozolomid und Strahlentherapie die Prognose weiter verbessert. Das wird derzeit in einer gemeinsamen nordamerikanischen und europäischen Studie untersucht.

Quelle

Wick W, et al; NOA-08 Study Group of Neurooncology Working Group (NOA) of German Cancer Society. Temozolomide chemotherapy alone versus radiotherapy alone for malignant astrocytoma in the elderly: the NOA-08 randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol 2012;13:707–15.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(01)