Diabetes mellitus Typ 2

Natrium-Glucose-Cotransporter-2-Hemmung mit Empagliflozin


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Außer dem Pankreas und dem Dünndarm spielen auch die Nieren bei der Blutzuckerkontrolle eine wichtige Rolle; denn über spezifische Transporter wird ein Großteil der primär über die Nephrone ausgeschiedenen Glucose wieder rückresorbiert. Mit Empagliflozin steht ein selektiver Inhibitor der Natrium-Glucose-Cotransporter-Proteins 2 (SGLT-2) zur Verfügung, der als Monotherapie oder in Kombination mit Metformin nicht nur den Nüchternblutzucker und den HbA1c-Wert, sondern auch Körpergewicht und Blutdruck senkt, so das Fazit eines von den Firmen Boehringer Ingelheim und Lilly anlässlich der 48. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Berlin veranstalteten Pressegesprächs.

Bei der Regulation des Blutzuckers im Sinne einer antiglykämischen Wirkung spielen neben dem Pankreas und dem Dünndarm auch die Nieren eine entscheidende Rolle. Während das Pankreas über die Insulin- und Glucagon-Ausschüttung in den Kohlenhydratstoffwechsel eingreift, entfaltet der Dünndarm über die dort gebildeten Inkretine eine Blutzucker-senkende Wirkung. Im Unterschied zu diesen beiden Organen wirken die Nieren bei der Blutzuckerregulation Insulin-unabhängig. Zum einen findet dort eine Glukoneogenese statt, zum anderen wird ein Großteil der über die Nephronen ausgeschiedenen Glucose in den Tubuli rückresorbiert. Dies erfolgt über spezifische Natrium-Glucose-Cotransporter-Systeme, die die Glucose aus dem Tubuluslumen in die Tubuluszellen befördern. Dabei werden zwei Subtypen dieser Natrium-Glucose-Cotransporter-Systeme (SGLT) unterschieden. Während bei SGLT-1 das Verhältnis von Natrium zu Glucose 2:1 beträgt, transportiert SGLT-2 pro Natriumion ein Glucose-Molekül. Somit ist SGLT-2 allein für rund 90% der Glucose-Rückresorption in der Niere verantwortlich.

Empagliflozin: Ein selektiver SGLT-2-Inhibitor

Empagliflozin (Abb. 1) ist ein selektiver und potenter Inhibitor der SGLT-2, der sich zurzeit in der klinischen Entwicklung befindet. Die Insulin-unabhängige Wirkung dieser Substanz wird als Monotherapie oder in Kombination mit Metformin im Rahmen eines umfangreichen Studienprogramms bei Typ-2-Diabetikern untersucht. Dabei zeigte sich, dass Empagliflozin bei Typ-2-Diabetikern nicht nur den Nüchternblutzucker und den HbA1c-Wert, sondern auch das Körpergewicht und den Blutdruck reduziert.

Abb. 1. Empagliflozin: selektiver Hemmer des Natrium-Glucose-Cotransporter-Proteins 2 (SGLT-2)

Im Rahmen einer Studie wurden 659 Typ-2-Diabetiker, die zuvor über zwölf Wochen in eine von zwei Phase-IIb-Studien eingeschlossen waren, für weitere 78 Wochen mit 10 mg oder 25 mg Empagliflozin als Monotherapie oder zusammen mit Metformin behandelt, und zwar im Vergleich mit einer Metformin-Monotherapie oder mit der Kombination Sitagliptin plus Metformin. Bei Patienten, die mit 10 mg Empagliflozin behandelt wurden, fand sich nach 90 Wochen eine Senkung des mittleren HbA1c-Werts um 0,34 Prozentpunkte, bei Gabe von 25 mg Empagliflozin um 0,47 Prozentpunkte und bei einer Metformin-Monotherapie um 0,56 Prozentpunkte. Während unter 10 mg Empagliflozin das Körpergewicht um 2,24 kg sank, betrug die Gewichtsabnahme unter 25 mg Empagliflozin 2,61 kg im Vergleich zu 1,28 kg bei einer Metformin-Monotherapie.

Wurde Empagliflozin als Add-on-Therapie zu Metformin gegeben, so wurde bei einer Dosierung von 10 mg der mittlere HbA1c-Wert um 0,34 Prozentpunkte und das Körpergewicht um 3,14 kg, mit 25 mg Empagliflozin der HbA1c-Wert um 0,63 Prozentpunkte und das Körpergewicht um 4,03 kg gesenkt. Bei Patienten, die Sitagliptin als Add-on-Therapie zu Metformin erhielten, sank der HbA1c-Wert um 0,40 Prozentpunkte und das Körpergewicht um 0,41 kg.

Die Empagliflozin-Therapie wurde während der gesamten Behandlungsdauer gut vertragen. Mehr als 90% der berichteten unerwünschten Ereignisse waren leicht oder mäßig schwer. Unter 10 mg Empagliflozin traten bei 0,9% und unter 25 mg Empagliflozin bei 3,6% der Patienten Hypoglykämien auf im Vergleich zu 7,1% bei einer Metformin-Monotherapie und 5,4% bei der Kombination Sitagliptin plus Metformin. Harnwegsinfektionen wurden unter der niedrig dosierten Empagliflozin-Therapie bei 3,8% und unter der höher dosierten Empagliflozin-Therapie bei 12,7% der Patienten dokumentiert, unter Metformin bei 3,6% und bei der Kombination Sitagliptin plus Metformin bei 12,5% der Patienten. Die Rate an Genitalinfektionen lag unter Empagliflozin bei 3,0 bzw. 5,5% im Vergleich zu 1,8% unter Metformin und 0% unter der Kombination Sitagliptin plus Metformin [1].

Antihypertensive Begleitwirkung

Die gepoolten Phase-IIb-Daten wurden auch nach den Auswirkungen auf den Blutdruck analysiert. So konnte nach einer zwölfwöchigen Therapie mit 10 bzw. 25 mg Empagliflozin eine Senkung des durchschnittlichen systolischen Blutdrucks von 3,8 mmHg bzw. 4,5 mmHg dokumentiert werden, wobei Patienten mit einem höheren systolischen Blutdruck (>140 mmHg als Ausgangswert) eine stärkere Blutdrucksenkung zeigten. Bei ihnen konnte der systolische Blutdruck mit 10 mg Empagliflozin um 17,0 mmHg und mit 25 mg Empagliflozin um 13,4 mmHg gesenkt werden. Für beide Dosierungen war die Senkung vom Ausgangswert im Vergleich zu Plazebo statistisch signifikant. Die in beiden Dosierungen erzielte Senkung des diastolischen Blutdrucks war zwar stärker als unter Plazebo, jedoch statistisch nicht signifikant. Die Blutdrucksenkungen korrelierten nicht mit Gewichtsverlust oder der Abnahme des HbA1c-Werts [2].

Quellen

Prof. Michael Nauck, Bad Lauterberg; Dr. Ludwig Merker, Dormagen; internationale Presseveranstaltung „3 Dimensions in Diabetes: 1 Alliance – 2 Companies – 3 Compounds“, veranstaltet von Boehringer Ingelheim und Lilly im Rahmen der 48. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD), Berlin, 1. Oktober 2012.

1. Woerle HJ, et al. Safety and efficacy of empagliflozin as monotherapy or add-on therapy to metformin in a 78-week open-label extension study in patients with type 2 diabetes. American Diabetes Association’s (ADA’s) 72nd Scientific Sessions. June 8–12, Philadelphia, PA, Abstract #49-LB.

2. Heach T, et al. The sodium glucose cotransporter-2 (SGLT-2) inhibitor empagliflozin lowers blood pressure independent of weight or HbA1c change. 48th European Association for the Study of Diabetes (EASD) Annual Meeting 1–5 October, Berlin, Germany.

Weitere SGLT-2-Inhibitoren

Im Dezember 2012 wurde der SGLT-2-Inhibitor Dapagliflozin (Forxiga®; Bristol-Myers Squibb/AstraZeneca) von der Europäischen Kommission zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen.

Canagliflozin (Invokana; Janssen) erhielt im Januar 2013 eine Zulassungsempfehlung der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA).

Arzneimitteltherapie 2013; 31(03)