Therapiestrategien urogenitaler Infektionen nierentransplantierter Patienten


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Undine Ott, Jena, und Reinhard Fünfstück, Weimar

Asymptomatische Bakteriurie und Harnwegsinfektionen sind die häufigsten infektiösen Komplikationen nach Nierentransplantation. Besonders problematisch sind Infektionen innerhalb des ersten halben Jahres nach Transplantation. Prädisponierende Faktoren sind neben der immunsuppressiven Therapie auch die fortbestehende chronische Niereninsuffizienz, eine instabile Stoffwechseleinstellung bei Posttransplantationsdiabetes sowie Harnabflussstörungen. Unkomplizierte Infektionen können rasch in eine Transplantatpyelonephritis oder Urosepsis übergehen, die die Transplantatfunktion nachhaltig beeinträchtigen können. Durch die Zunahme multiresistenter Erreger haben Diagnostik und Therapie von Infektionen eine hohe Bedeutung um schwere Verläufe zu vermeiden.
Arzneimitteltherapie 2013;31:41–5.

Harnwegsinfektionen (HWI) sind die häufigsten Infektionserkrankungen nach einer Nierentransplantation. Auch nach Transplantation anderer solider Organe treten Harnwegsinfektionen besonders in den ersten Monaten gehäuft auf. Nach Nierentransplantation besteht in den ersten 6 Monaten ein besonders hohes Risiko. Prädisponierende Faktoren sind neben dem weiblichen Geschlecht, Alter und einer diabetischen Stoffwechsellage auch die immunsuppressive Therapie, Harnabflussstörungen oder liegende Harnableitungen sowie bei nierentransplantierten Patienten zusätzlich die verzögerte Transplantatfunktionsaufnahme mit der Notwendigkeit der postoperativen Dialyse. Oft handelt es sich um rezidivierende Infektionen. Der häufigste Erreger ist Escherichia coli (E. coli) mit fast 60%. Eine Erhebung spanischer Registerdaten von 2003 bis 2005 zeigte einen Anteil von 25% ESBL(Extended Spectrum beta-Lactamase)- produzierenden Erregern [28].

Nach Nierentransplantation können asymptomatische Bakteriurien, akute unkomplizierte Infektionen (akute Zystitis), komplizierte Harnwegsinfektionen (Transplantatpyelonephritis) mit und ohne Bakteriämie bzw. Urosepsis auftreten. Eine Infektion wird als kompliziert bezeichnet, wenn im Harntrakt funktionelle oder anatomische Anomalien vorliegen. Nach Nierentransplantation handelt es sich bei rezidivierenden Verläufen meist um komplizierte Harnwegsinfektionen. Der Krankheitsverlauf kann durch eine eingeschränkte Nierenfunktion, einen Diabetes mellitus oder durch die immunsuppressive Behandlung nach Nierentransplantation beeinflusst werden.

Epidemiologie

Die Prävalenz der asymptomatische Bakteriurie variiert stark in der Bevölkerung und ist abhängig von Alter, Geschlecht und Anomalien der Harnwege. Eine asymptomatische Bakteriurie liegt bei 1% der Mädchen im Schulalter und bei über 20% der Frauen über 80 Jahre vor. Sie steigt mit zunehmendem Lebensalter auch bei Männern: 6% der 60-Jährigen und 15% der über 75-jährigen Männer sind betroffen [3, 16]. Die Prävalenz bei Frauen mit Diabetes mellitus liegt bei 8 bis 14% und korreliert mit der Dauer und den Langzeitkomplikationen des Diabetes [31, 32]. Eigene Daten zeigen bei 198 von 331 Nierentransplantierten (60%) eine signifikant erhöhte Keimzahl im Urin. Frauen waren in 72%, Männer immerhin in 53% der Fälle betroffen. Neben der Immunsuppression, dem Alter und Harnabflussproblemen existieren auch prädisponierende renale Grunderkrankungen wie die chronisch interstitielle Nephritis (71% Bakteriurie), die diabetische Nephropathie (85% Bakteriurie) sowie die Refluxnephropathie (100% Bakteriurie).

Unabhängig vom Geschlecht haben Patienten mit Ureterstents, Wirbelsäulenerkrankungen oder postoperativer Hämodialyse nach Transplantation ein erhöhtes Risiko für eine asymptomatische Bakteriurie [17]. Bei Patienten mit transurethralem Katheter steigt das Risiko einer Bakteriurie von 2 bis 7% pro Tag auf bis zu 100% bei Dauerkatheterträgern oder dauerhaft liegendem Ureterstent oder Nephrostoma [20, 24, 30].

Bei nierentransplantierten Patienten sind weitere Risikofaktoren für die Entwicklung von Harnwegsinfektionen beschrieben (Tab. 1).

Tab. 1. Faktoren für die Entwicklung von Harnwegsinfektionen bei nierentransplantierten Patienten

Auftreten von Harnwegsinfektionen vor Transplantation

Lange Dialysedauer

Diabetes mellitus

Polyzystische Nierendegeneration

Postoperativer Harnblasenkatheter

Immunsuppression

Einsatz einer Induktionstherapie

Leichennierenspender

Vesikoureteraler Reflux in der Anamnese

Art der Ureteranastomose

Nach Transplantation sind späte Harnwegsinfektionen (>6 Monate nach Transplantation), ein Serumcreatinin>2 mg/ dl, eine tägliche Prednisolon-Dosis >20 mg, eine chronische Virusinfektion und häufige Abstoßungsbehandlungen besondere Risikofaktoren für die Entwicklung einer rezidivierenden Harnwegsinfektion [14].

Pathogenese

Eine asymptomatische Bakteriurie ist häufig und hat keine pathologische Bedeutung, solange auf der Seite des Patienten eine intakte Abwehrsituation vorliegt, die eine invasive Infektion verhindert. Unter Bedingungen der Immunsuppression kann sich rasch eine symptomatische Infektion entwickeln. E. coli ist der am häufigsten identifizierte Erreger bei asymptomatischer Bakteriurie und symptomatischer Harnwegsinfektion. Für die Identifikation der in den Harntrakt eingedrungenen Infektionserreger spielen Toll-like-Rezeptoren (TLR) eine entscheidende Rolle. Im Sinne einer „Pathogen Pattern Recognition“ erkennen sie Erregermoleküle, induzieren inflammatorische Prozesse und eine auf den Erreger abgestimmte Immunantwort. Bei asymptomatischer Bakteriurie ist die Expression des TLR4 auf neutrophilen Granulozyten, der für die Reaktion des Urothels auf E. coli verantwortlich ist, niedrig [6, 18].

Neben E. coli werden bei immunsupprimierten Patienten auch Enterokokken (häufig in Kombination mit anderen Erregern), Proteus, Klebsiellen und Pseudomonaden als auslösende Erreger gefunden. Seltener werden Pilze und Viren diagnostiziert, die als Ursache therapierefraktärer Verläufe in Betracht kommen [19]. Neben wirtsspezifischen Abwehrmechanismen können Virulenzfaktoren der Erreger den Infektionsverlauf auslösen. Fimbrien/Pili und nicht fimbrielle Adhäsine sind für die Adhärenz der Infektionserreger am Uroepithel verantwortlich. Typ-1-Pili vermitteln die Internalisation der Erreger in das Uroepithel. Toxine wie Hämolysin, der zytotoxisch nekrotisierende Faktor 1 und das Secreted Autotransporter Toxin sind weitere Virulenzfaktoren, die zur Infektion führen. Intrazellulär persistierende Bakterien können Quelle rezidivierender Infektionen sein. Häufig werden Siderophore (Kasten) wie Enterobactin, Salmochilin und Aerobactin gefunden, die für das Überleben und Wachsen der pathogenen Mikroorganismen bedeutsam sind [4, 21]. Eigene Untersuchungen belegen, dass Erreger unter Bedingungen der Immunsuppression Faktoren ausbilden, die die Persistenz im Harntrakt ermöglichen und die Resistenz gegenüber Antibiotika fördern.



In den letzten Jahren gewinnen bei immunsupprimierten Patienten multiresistente Bakterien, insbesondere ESBL-Bildner eine zunehmende Bedeutung. In einem hohen Prozentsatz (63–100%) findet man bei E. coli eine Resistenz gegen Trimethoprim und Sulfamethoxazol (in Kombination z.B. in Cotrimoxazol®) [1, 23]. In eigenen Untersuchungen 2011 wurden in >60% der Fälle Resistenzen von E. coli gegenüber Ampicillin/Sulbactam sowie in >40% gegenüber Ciprofloxacin (z.B. Ciprobay®) und Piperacillin/Tazobactam (in Kombination in Tazobac®) nachgewiesen.

Siderophore

Niedermolekuare Stoffe und Oligopeptide, die von Bakterien und Pilzen abgegeben werden und Eisen binden können.

Klinik

Die Unterscheidung in eine asymptomatisch Bakteriurie, eine unkomplizierte und eine komplizierte Harnwegsinfektion ist unter der besonderen Bedingung der eingeschränkten Nierenfunktion und einer gestörten Abwehrsituation infolge der Immunsuppression für die Einleitung einer adäquaten Therapie entscheidend. Die Anamnese sollte neben den Risikofaktoren wie Grunderkrankung, Begleiterkrankungen, Operationen am Harntrakt, bekannte Harntransportstörungen oder liegende Ureterstents auch rezidivierende Verläufe und die genaue Lokalisation der Beschwerden erfassen. Unter immunsuppressiver Therapie kann ein rascher Progress einer Zystitis zur Transplantatpyelonephritis und Urosepsis auftreten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer engmaschigen Beobachtung.

Akute unkomplizierte Zystitis (akute unkomplizierte untere Harnwegsinfektion)

Symptome sind Pollakisurie, Dysurie, Strangurie, Blasentenesmen und suprapubische Schmerzen. Bei Pilzinfektionen oder venerischen Infektionen tritt häufig ein Harnröhrenausfluss auf. Bei einer chronischen Zystitis können lediglich diskrete Beschwerden vorkommen [8].

Transplantatpyelonephritis

Hauptsymptome sind hochfieberhafte Temperaturen, die mit Schmerzen über dem Transplantat einhergehen, ein schweres Krankheitsgefühl und eine Verschlechterung der Transplantatfunktion ggf. mit Rückgang der Diurese. Bei dialysepflichtigen Patienten ist die Klinik von Harnwegsinfektionen untypisch. Es kann Fieber auftreten ohne lokale Schmerzsymptomatik oder ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Nachweis von Entzündungszeichen.

Rezidivierende Harnwegsinfektionen werden nach Nierentransplantation bei Männern mit Harnabflussstörung und Frauen mit Harnwegsinfektionen in der Anamnese häufig beobachtet. Ein Rezidiv ist das Wiederauftreten einer Infektion mit dem gleichen Erreger. Wird ein anderer Erreger nachgewiesen, muss von einer Reinfektion ausgegangen werden.

Prädisponierende Faktoren wie Harnabflussstörungen, Obstruktionen, neurologische Erkrankungen, eine instabile Stoffwechsellage bei Diabetes mellitus (HbA1c >8,5%, HbA1c-IDFF >70 mmol/l) sowie eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz (>Stadium 3 nach KDOQI [Kidney disease outcome quality initiative]) begünstigen einen schweren Verlauf einer Harnwegsinfektion. In diesen Fällen besteht ebenso wie bei einer Beeinträchtigung des Immunsystems nach Organtransplantation ein erhöhtes Risiko für eine Urosepsis. Das Risiko zur Entwicklung einer Bakteriämie beziehungsweise Urosepsis ist mit 12% bei Patienten nach Nierentransplantation deutlich erhöht [26].

Diagnostik

Bei einer Erstmanifestation einer Harnwegsinfektion, bei Pyelonephritis oder bei einem komplizierten Krankheitsverlauf muss immer eine systemische Untersuchung des Patienten erfolgen.

Urindiagnostik

Vor Einleitung einer Therapie sollte bei Patienten nach Nierentransplantation eine Urindiagnostik aus Mittelstrahlurin erfolgen. Die letzte Miktion sollte mindestens vier Stunden zurückliegen. Zuvor sollte die Genitalregion mit Wasser gereinigt werden. In Einzelfällen kann die Gewinnung eines Katheterurins, zum Beispiel bei geringer Urinmenge, oder eine suprapubische Blasenpunktion erforderlich werden. Urinproben werden gekühlt bei 4 bis 8°C gelagert.

Urinstreifentest, Urinmikroskopie und mikrobiologische Diagnostik

Der Streifentest ist zur Erfassung einer Leukozyturie sowie zur Erfassung der Nitratreaktion geeignet [9]. Der Nitrittest fällt bei 92% der grampositiven und bei 20% der gramnegativen Erreger positiv aus. Die Mikroskopie des Urinsediments beweist die Harnwegsinfektion. Bei Patienten nach Nierentransplantation sollte wegen des hohen Risikos und der besonderen Erregersituation eigentlich immer, spätestens aber ab der zweiten Infektion eine Urinkultur angelegt werden. Eine sachgerechte bakteriologische Diagnostik setzt eine korrekte Uringewinnung und Lagerung der Urinprobe bei ca. 4°C bis zur Bearbeitung voraus.

Weiterführende Labordiagnostik

Die Leukozytenzahl im Blut und die Bestimmung des CRP(C-reaktives Protein)-Wertes weisen auf eine systemische Infektion hin. Bei nierentransplantierten Patienten sollten zusätzlich die Nierenfunktion (GFR [glomeruläre Filtrationsrate], Creatinin, Harnstoff) sowie die Elektrolyte bestimmt werden.

Bildgebende Verfahren

Eine bildgebende Diagnostik ist bei einer akuten Transplantatpyelonephritis, bei häufig rezidivierenden Harnwegsinfektionen und bei einem septischen Krankheitsverlauf notwendig. Nierentransplantierte Patienten sollten generell eine Sonographie des Transplantats zum Ausschluss einer Harnstauung erhalten. Eine Abdomenübersichtsaufnahme ist bei Verdacht auf eine Steinerkrankung indiziert. Eine Computertomographie oder eine Magnetresonanztomographie ist zur Abklärung von Nierenabszessen und bei Anomalien angezeigt. Dabei muss das Risiko der Kontrastmittelgabe bei eingeschränkter Nierenfunktion gegenüber dem diagnostischen Zugewinn abgewogen werden. Mit Hilfe szintigraphischer Untersuchungen können Harnabflussstörungen (Nierensequenzszintigraphie mit Abflussbeurteilung) oder Narbenbildungen (DMSA-Scan, Kasten) diagnostiziert werden. Kontraindiziert ist bei Patienten nach Nierentransplantation ein Ausscheidungsurogramm wegen der Gefahr einer Verschlechterung der Nierenfunktion.

DMSA-Scan

Radiologische Untersuchungsmethode. Dimercaptosuccinsäure wird genutzt um die Nierenfunktion zu beurteilen.

Therapie

Medikamentöse und nicht medikamentöse Maßnahmen werden eingesetzt, um eine rasche Symptomkontrolle und die Entwicklung einer komplizierten Infektion zu vermeiden beziehungsweise diese effektiv zu therapieren. Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit Sicherung der Diurese (1,5–2,5 l/Tag) sowie eine vollständige und regelmäßige Entleerung der Harnblase. Für Harnwegsinfektionen bei nicht immunsupprimierten Patienten wurde 2010 eine S3-Leitlinie implementiert, die die besondere Situation der zunehmenden Antibiotikaresistenz durch den häufigen Einsatz von Trimethoprim und Gyrasehemmern (Fluorchinolone) in den letzten Jahren berücksichtigt [29]. Für die besondere Situation von Patienten unter Immunsuppression und mit unterschiedlichen Graden der Nierenfunktionseinschränkung nach Nierentransplantation gibt es keine Leitlinien. Jede symptomatische Harnwegsinfektion nach Nierentransplantation kann zu einer zunehmenden Nierenfunktionsverschlechterung führen. Der Krankheitsverlauf muss daher engmaschig überwacht werden. Die Dosierung der Antibiotika ist dem Grad der Nierenfunktionseinschränkung anzupassen.

Akute Zystitis

Während bei normaler Abwehrlage eine spontane Heilungsrate von 30 bis 50% beobachtet wird [5], muss bei symptomatischer Harnwegsinfektion unter den Bedingungen der Immunsuppression in jedem Fall eine Therapie eingeleitet werden [26].

In der S3-Leitlinie wurden Fosfomycin (Infectofos®) und Nitrofurantoin (Uro-Tablinen®) als Medikamente der ersten Wahl empfohlen. Diese Strategie ist der aktuellen Resistenzlage geschuldet [15, 12]. Nach Nierentransplantation können diese Medikamente nur unter bestimmten Voraussetzungen (<Stadium 3 der chronischen Niereninsuffizienz und stabile Nierenfunktion) eingesetzt werden. Bei instabiler Nierenfunktion oder >Stadium 3 der chronischen Niereninsuffizienz sind Fluorchinolone Mittel der Wahl. Bei Nierentransplantierten sollte die Therapiedauer auf mindestens 10 bis 14 Tage verlängert werden. Es gibt aber Hinweise, dass auch nach dieser Zeit ein hohes Rekurrenzrisiko vorliegt [13].

Transplantatpyelonephritis

Wegen des hohen Risikos der Entwicklung eines Nierenversagens oder einer Bakteriämie sollten die Patienten zu einer stationären Therapie eingewiesen werden. Nur bei stabiler Transplantatfunktion kann eine ambulante Therapie erwogen werden. Hier sollten Fluorchinolone zum Einsatz kommen. Im Falle einer Transplantatfunktionsverschlechterung ist eine stationäre Einweisung mit Einleitung einer parenteralen Therapie erforderlich. Anhand des lokalen Resistenzspektrums ist über den Einsatz des Antibiotikums zu entscheiden. Resistenzen gegenüber Piperacillin/Tazobactam oder Fluorchinolonen müssen auch bei empirischer Therapieentscheidung beachtet werden. In jedem Falle ist eine Urinkultur vor Therapieeinleitung notwendig. Bei ESBL-bildenden Erregern ist zumeist eine Therapie mit Meropenem (Meronem®) erforderlich. Bisher liegt zumindest bei ESBL-bildenden E. coli noch eine 100%ige Sensibilität gegen Meropenem vor. Zum Einsatz von Fosfomycin liegen Einzelfallberichte, allerdings nicht bei transplantierten Patienten, vor.

Es gibt erste Meropenem-resistente Klebsiellen. Bei multiresistenten Erregern (MRSA) muss unter Umständen eine Therapie mit einem sogenannten Reserveantibiotikum wie Daptomycin (Cubicin®) oder Linezolid (Zyvoxid®) eingeleitet werden.

Nach Besserung der Symptomatik kann dann nach einigen Tagen eine Deeskalation der Therapie erfolgen. Aminopenicilline sollten nur bei nachgewiesener Erregerempfindlichkeit eingesetzt werden. Die Therapie sollte bei Patienten nach Nierentransplantation in den ersten Monaten für 2 bis 6 Wochen weitergeführt werden.

Bei therapieresistenten Fällen muss auch eine Pilzinfektion in Betracht gezogen werden.

Urosepsis

Die Therapie sollte innerhalb der ersten Stunde nach Diagnose eingeleitet werden. Sie umfasst eine Antibiotikatherapie sowie die Stabilisierung der Atem- und Kreislauffunktionen. Die Antibiotikaauswahl erfolgt empirisch nach vorheriger Abnahme einer Urin- und Blutkultur. Die Therapie muss sich an der lokalen Erregerresistenzsituation orientieren. Die Dosierung der Antibiotika sollte hoch sein und muss deren pharmakokinetisches und pharmakodynamisches Profil berücksichtigen. Über den Beginn einer Nierenersatztherapie ist in Abhängigkeit des klinischen Verlaufs zu entscheiden.

Asymptomatische Bakteriurie

Eine asymptomatische Bakteriurie (ASB) sollte entsprechend der S3-Leitlinie in der Gravidität, nach einer Organtransplantation, bei progredienter Niereninsuffizienz, bei dekompensiertem Diabetes mellitus sowie vor traumatisierenden Eingriffen am Harntrakt behandelt werden. Bei Männern und Frauen im fortgeschrittenen Lebensalter, Patienten mit einer permanenten Harnableitung und bei Diabetikern mit einer stabilen Stoffwechselsituation ist eine antimikrobielle Behandlung nicht indiziert [16]. Wegen der komplizierten Resistenzlage wird die Therapie nach Nierentransplantation im Gegensatz zu früheren Empfehlungen nicht mehr routinemäßig durchgeführt. Engmaschige Kontrolluntersuchungen helfen die Notwendigkeit einer Therapieeinleitung zu erkennen.

Rezidivierende Harnwegsinfektionen

Frührezidive innerhalb von 4 bis 6 Wochen werden meist durch persistierende Erreger ausgelöst. Spätrezidive nach >4 Wochen sind meist Reinfektionen mit einem anderen Erreger. Eine Therapie zur Prävention akuter Infektereignisse wird auch bei Besserung der Symptomatik für 2 bis 6 Wochen empfohlen. Die Reinfektionsprophylaxe sollte mit einem Antibiotikum einer anderen Substanzgruppe durchgeführt werden [10]. Zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfektionen bieten sich weitere Therapieoptionen wie eine kontinuierlichen Verordnung von Antibiotika in reduzierter Dosis, eine Immunprophylaxe, eine Stabilisierung der lokalen Lactobazillenflora und in der Postmenopause eine lokale Östrogensubstitution an. Der Einsatz von Phytopharmaka/Probiotika, die Veränderung des Urinmillieus durch L-Methionin und Nitroxolin oder Cranberrypräparate kann eine Besserung bewirken. Kontrollierte Studien zur Beurteilung der Effektivität dieser Präventionsstrategien fehlen allerdings [27].

Prophylaxe und Therapie von HWI nach Nierentransplantation

Harnwegsinfektionen nach Nierentransplantation bergen die Gefahr der Induktion chronischer Abstoßungen, die die Transplantatfunktion negativ beeinflussen können [11]. Eine asymptomatische Bakteriurie beeinflusst das Langzeittransplantatüberleben dagegen nicht zwingend [25]. Die Behandlung unterscheidet sich nicht von Patienten ohne Nierentransplantation. Einige Transplantationszentren führen eine initiale Antibiotikaprophylaxe bis zu einem Jahr nach Nierentransplantation durch, andere Zentren behandeln nur Risikopatienten mit hoher Immunsuppression und einige Zentren verzichten auf eine Prophylaxe. Eigene Daten konnten den Vorteil einer Cotrimoxazol-Prophylaxe zur Verhütung akuter Infektionsereignisse nicht nachweisen. Eine Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe wird in den ersten 3 bis 4 Monaten nach Transplantation mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol empfohlen, ein Effekt auf die Entwicklung komplizierter Harnwegsinfektionen wurde von Fox et al. beschrieben [2, 7]. Zur Prävention einer Harnwegsinfektion ist eine rasche Entfernung von Harnblasenkathetern in der frühen postoperativen Phase ganz entscheidend. Eine operative Entfernung von Zystennieren vor einer Transplantation wird bei rezidivierenden schweren Infektionen empfohlen.

Zahlreiche Studien und verschiedene Leitlinien, wie die der IDSA (Infectious diseases society of america), der EAU (European association of urology) und AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) beinhalten Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Harnwegsinfektionen. Zur Versorgung von Patienten nach Nierentransplantation fehlen allerdings randomisierte Studien und differenzierte Empfehlungen. Wegen der zunehmenden Resistenzentwicklung uropathogener Mikroorganismen gegenüber den verfügbaren Antibiotika sollte für diese Risikopatienten ein einheitliches randomisiertes Behandlungskonzept entwickelt werden.

Interessenkonflikt

UO erklärt, dass für den vorliegenden Text keine Interessenkonflikte bestehen.

RF hat ein Gutachtenhonorar vom Unternehmen Pierre-Fabre Pharma und in den letzten zwei Jahren Vortragshonorare von den Firmen MSD, Novartis und Pierre Fabre erhalten.

Treatment strategies of urinary tract infection after kidney transplantation

The most common infectious complications after kidney transplantation are asymptomatic bacteriuria and urinary tract infection. Predisposing factors are immunosuppressive treatment as well as persistent renal insufficiency, post transplant diabetes mellitus and an impairment of the urinary flow. In kidney transplanted patients, urinary tract infection plays an important role in graft and patient survival, if it occurred in the first six months post procedure. Urinary tract infection may progress to acute pyelonephritis, and the picture of urosepsis. Due to the development of multiresistant bacteria, clinical diagnostics and therapy are of particular importance to prevent a severe course of the disease.

Key words: urinary tract infection, kidney transplantation, asymptomatic bacteriuria, graft survival

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Priv. -Doz. Dr. med. habil. Undine Ott, KfH Nierenzentrum, Zur Lämmerlaide 1, 07751 Jena, E-Mail: Undine.Ott@kfh-dialyse.de

Arzneimitteltherapie 2013; 31(03)