Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Bei rund 20% aller Patientinnen mit Brustkrebs wird im Tumorgewebe eine Genamplifikation oder/und Überexprimierung des Human epidermal growth factor receptor 2 (HER2) nachgewiesen. Solche Karzinome sind aggressiver und bedeuten eine schlechte Prognose. Die Behandlung mit dem humanisierten monoklonalen Anti-HER2-Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) zusätzlich zu einer Chemotherapie verbessert bei HER2-positiven Brustkrebsformen signifikant das progressionsfreie und das Gesamtüberleben im Vergleich mit einer alleinigen Chemotherapie. Trastuzumab bindet an die extrazelluläre Subdomäne IV des transmembranären Tyrosinkinaserezeptors und entfaltet seine Antitumoreffekte durch Blockade der HER2-Spaltung, Stimulation der Antikörper-abhängigen zellvermittelten Zytotoxizität und die Hemmung des Liganden-unabhängigen, HER2-vermittelten mitogenen Signalwegs. Allerdings schreitet bei den meisten HER2-positiven Mammakarzinom-Patientinnen die Erkrankung fort. Deshalb sind trotz des Fortschritts, den die Einführung von Trastuzumab gebracht hat, weitere Verbesserungen auf dem Gebiet der zielgerichteten Therapie notwendig.
Pertuzumab ist eine der Neuentwicklungen in der Anti-HER2-Therapie. Pertuzumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der an der extrazellulären HER2-Subdomäne II und damit an einer anderen Stelle bindet als Trastuzumab. Pertuzumab verhindert die Dimerisierung von HER2 mit anderen Liganden-aktivierten HER-Rezeptoren, überwiegend mit HER3. Wie Trastuzumab stimuliert auch Pertuzumab die Antikörper-abhängige, zellvermittelte Zytotoxizität. Durch die unterschiedlichen HER2-Bindungsstellen und den komplementären Wirkungsmechanismus hatte die kombinierte Gabe beider Antikörper in verschiedenen HER2-Tumormodellen eine starke Antitumoreffektivität. In der CLEOPATRA-Studie (Clinical evaluation of pertuzumab und trastuzumab) wurden Wirksamkeit und Sicherheit der zusätzlichen Gabe von Pertuzumab zur Zweierkombination Trastuzumab plus Docetaxel als Erstlinientherapie beim metastasierten HER2-Mammakarzinom untersucht.
Studienziel und -design
In die multizentrische randomisierte, doppelblinde und Plazebo-kontrollierte Phase-III-Studie wurden 808 Patientinnen mit einem HER2-positiven metastasierten Brustkrebs einbezogen. Die Bestätigung des HER2-Status erfolgte in einem zentralen Labor. Die Patientinnen wurden in einer 1:1-Randomisierung entweder der Kontrollgruppe mit der Zweierkombination Trastuzumab plus Docetaxel oder der Interventionsgruppe mit Pertuzumab plus Trastuzumab plus Docetaxel jeweils als Erstlinientherapie des metastasierten Bruskrebses zugewiesen. Die Stratifizierung erfolgte anhand der geographischen Region (Asien, Europa, Nordamerika, Südamerika) und der vorangegangenen Behandlung. Die Behandlung wurde bis zum Krankheitsprogress, definiert entsprechend den RECIST(Response evaluation criteria in solid tumors)-Kriterien, oder dem Auftreten intolerabler Toxizitäten fortgeführt. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, festgestellt durch einen unabhängigen Gutachter. Sekundäre Endpunkte umfassten das Gesamtüberleben, das progressfreie Überleben, festgestellt durch den behandelnden Arzt, die objektive Responserate und die Sicherheit.
Studienergebnisse
Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 12,4 Monate in der Kontrollgruppe und 18,5 Monate in der Interventionsgruppe mit der zusätzlichen Pertuzumab-Gabe (Hazard-Ratio [HR] für Progress oder Tod 0,62, 95%-Konfidenzintervall 0,51–0,75, p<0,001) (Abb. 1). Die Interimsanalyse des Gesamtüberlebens zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen, allerdings einen starken Trend zugunsten der Dreierkombination mit Trastuzumab. Die objektive Responserate lag bei 69,3% in der Kontrollgruppe verglichen mit 80,2% in der Pertuzumab-Gruppe, die Differenz von 10,8 Prozentpunkten war statistisch signifikant (p=0,001).
Auch Patientinnen, die zuvor eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie mit oder ohne Trastuzumab erhielten, hatten mit der Dreifachkombination einen Vorteil beim progressionsfreien Überleben (HR 0,62 bzw. 0,60).

Abb. 1. Kaplan-Meier-Analyse des progressionsfreien Überlebens (durch unabhängige Gutachter bewertet) [mod. nach Baselga et al.]
Das Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen insgesamt vergleichbar. Eine Zunahme von linksventrikulären systolischen Dysfunktionen wurde nicht gesehen, die Raten von febriler Neutropenie und Diarrhö vom Grad 3 oder höher waren in der Pertuzumab-Gruppe höher als in der Kontrollgruppe.
Diskussion
Die Dreierkombination von Pertuzumab plus Trastuzumab plus Docetaxel als Erstlinientherapie beim metastasierten HER2-postiven Mammakarzinom verlängerte das progressionsfreie Überleben signifikant um 6,1 Monate gegenüber der Zweierkombination Trastuzumab plus Docetaxel. In der Interimsanalyse des Gesamtüberlebens zeigte sich ein starker Trend zugunsten der Dreierkombination. Die Patientinnen, die zuvor adjuvant oder neoadjuvant eine Chemotherapie plus Trastuzumab erhalten hatten, schienen im metastasierten Stadium in gleichem Maße wie die Trastuzumab-naiven Patientinnen von der zielgerichteten Therapie zu profitieren. Das Sicherheitsprofil war vergleichbar. Eine Zunahme der kardialen Toxizität in der Interventionsgruppe wurde nicht dokumentiert, Diarrhö, Hautausschlag, mukosale Entzündungen, febrile Neutropenie und trockene Haut traten in der Pertuzumab-Gruppe häufiger auf als in der Kontrollgruppe.
Die Überlegenheit beim progressionsfreien Überleben unter der Kombination von Pertuzumab und Trastuzumab ergibt sich aus den spezifischen Gegebenheiten der Familie der EGF(Human epidermal growth factor)-Rezeptoren. Sie besteht aus den Mitgliedern HER1 (EGFR), HER2, HER3 und HER4. Die Signaltransduktion erfolgt nach Dimerisierung zwischen den EGFR-Familienmitgliedern entweder als Heterodimere (verschiedene Rezeptoren) oder Homodimere (zwei gleiche Rezeptoren). Vor allem das HER2-HER3-Heterodimer scheint für die Aktivierung des Phosphatidylinositol-3-Kinase(PI3K)-Akt-mammalian target of rapamycin (mTOR)-Signalwegs von Bedeutung zu sein, der unter anderem Angiogenese, Zellüberleben, Apoptose und Proliferation steuert. Die beiden humanisierten monoklonalen anti-HER2-Antikörper Pertuzumab und Trastuzumab binden an jeweils unterschiedlichen Subdomänen des extrazellulären Anteils von HER2 (Pertuzumab an Domäne II, Trastuzumab an Domäne IV), wodurch der Antitumoreffekt verstärkt wird.
Eine ganze Reihe von weiteren HER-Therapien befinden sich derzeit in der Entwicklung, neben HER2-Antikörpern auch Immunokonjugate wie TDM1 (Trastuzumab-maytansine; Trastuzumab in Kombination mit DM1, einem Zytostatikum) und oral applizierbare kleine Moleküle wie Afatinib oder Neratinib (Abb. 2). Durch Einzel- oder Kombinationstherapien mit den bald zur Verfügung stehenden Optionen könnte sich die Prognose der HER2-positiven Mammakarzinom-Patientinnen weiter verbessern.

Abb. 2. Humane Epidermale Wachstumsfaktorrezeptor(HER)-Familie und dort angreifende Wirkstoffe, die derzeit in klinischer Entwicklung (Neratinib und Afatinib) sind oder bereits auf dem Markt zugelassen sind (Trastuzumab, Lapatinib und Pertuzumab [z.B. USA]) [mod. nach Gradishar]
Quellen
Baselga J, et al. Pertuzumab plus trastuzumab plus docetaxel for metastatic breast cancer. N Engl J Med 2012;366:109–19.
Gradishar WJ. HER2 therapy – an abundance of riches. N Engl J Med 2012;366:176–8.
Swain SM et al. Confirmatory overall survival (OS) analysis of CLEOPATRA: a randomized, double-blind, placebo-controlled Phase III study with pertuzumab (P), trastuzumab (T), and docetaxel (D) in patients (pts) with HER2-positive first-line (1L) metastatic breast cancer (MBC). Cancer Res 2012; 72(24 Suppl): Abstract # P5:18–26.
European Medicines Agency. Summary of opinion (initial authorisation) Perjeta pertuzumab, 13 December 2012 (EMA/CHMP803313/2012).
Positive Bewertung von Pertuzumab durch das CHMP
In einer weiteren Interimsanalyse konnte nun auch ein signifkanter Vorteil beim Gesamtüberleben für die Patientinnen der Pertuzumab-Gruppe festgestellt werden. So war das Sterberisiko in der Dreifachtherapie-Gruppe mit Pertuzumab + Trastuzumab + Doxetaxel um 34% niedriger als in der Gruppe, die nur Trastuzumab und Docetaxel erhielt (HR 0,66; p=0,0008).
Im Juni 2012 wurde Pertuzumab (Perjeta™) bereits von der FDA zugelassen.
Die europäische Zulassung wurde im Dezember 2012 vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA empfohlen. Die Therapie ist laut CHMP für die Erstbehandlung für Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem oder lokal wiederkehrendem Brustkrebs indiziert in Kombination mit Trastuzumab und Docetaxel.
Red.
Arzneimitteltherapie 2013; 31(03)