Venöse Thromboembolien

Acetylsalicylsäure zur Prävention von vaskulären Ereignissen


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure führt nach einer Antikoagulationsbehandlung bei Patienten mit venösen Thromboembolien nicht zu einer signifikanten Reduktion von erneuten venösen Thromboembolien gegenüber Plazebo. Die Behandlung reduzierte allerdings signifikant die Kombination von venösen Thromboembolien und anderen vaskulären Ereignissen. Das sind die Ergebnisse der kanadischen ASPIRE-Studie mit 411 Patienten, die bereits eine venöse Thromboembolie oder Lungenembolie hatten.
Mit einem Autorenkommentar von Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

Medizinstudenten wird in der Vorlesung vermittelt, dass orale Antikoagulanzien zur Prophylaxe von venösen Thromboembolien wirksam sind und Thrombozytenfunktionshemmer zur Prophylaxe von arterio-arteriellen Embolien. Ob Acetylsalicylsäure (ASS, z.B. Aspirin®) auch im venösen System wirkt, ist bisher nicht gut untersucht.

In die ASPIRE(Aspirin to prevent recurrent venous thromboembolism)-Studie wurden 822 Patienten mit venösen Thromboembolien oder Lungenembolien eingeschlossen, nachdem die initiale Behandlung mit Antikoagulanzien abgeschlossen war. Sie wurden randomisiert mit 100 mg Acetylsalicylsäure oder Plazebo behandelt und für vier Jahre nachbeobachtet. Der primäre Endpunkt war das Auftreten erneuter venöser Thromboembolien. Sekundäre Endpunkte waren ein schwerwiegendes vaskuläres Ereignis (Kombination aus venöser Thromboembolie, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulär bedingter Todesfall) sowie die Kombination aus schwerwiegendem vaskulärem Ereignis, schwerer Blutung und Tod.

Die Patienten waren im Mittel 55 Jahre alt und hatten überwiegend tiefe Beinvenenthrombosen. Bei den meisten Patienten war eine Antikoagulation über einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten durchgeführt worden. Diese bestand in der Regel aus niedermolekularem Heparin in der Akut- und Warfarin in der Langzeittherapie.

Nach einer medianen Beobachtungszeit von 37,2 Monaten kam es bei 73 von 411 Patienten in der Plazebo-Gruppe und 57 von 411 Patienten in der ASS-Gruppe zu einem erneuten venösen thromboembolischen Ereignis. Dies entspricht einer Risikoreduktion zugunsten von ASS von 26%, die mit einem p-Wert von 0,09 nicht signifikant war (Tab. 1).

ASS führte allerdings zu einer signifikanten Reduktion von zwei vordefinierten sekundären Endpunkten, nämlich zu einer 34%igen Reduktion von venösen Thromboembolien, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulären Todesfällen und einer 33%igen Reduktion von venösen Thromboembolien, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Tod oder schweren Blutungskomplikationen (Tab. 1). Schwerwiegende Blutungskomplikationen waren zwischen Plazebo und ASS nicht unterschiedlich.

Tab. 1. Auftreten erneuter venöser thromboembolischer Ereignisse oder sekundärer Studienenpunkte in der Plazebo- vs. ASS-Gruppe (Auswahl)

Endpunkt

Ereignisse [n (% pro Jahr)]

HR (95%-KI)

p-Wert

Plazebo

ASS

Erneutes venöses thromboembolisches Ereignis (primärer Endpunkt)

73 (6,5)

57 (4,8)

0,74 (0,52–1,05)

0,09

Schwerwiegendes vaskuläres Ereignis*

88 (8,0)

62 (5,2)

0,66 (0,48–0,92)

0,01

Schwerwiegendes vaskuläres Ereignis, schwere Blutung oder Tod jeglicher Ursache

99 (9,0)

71 (6,0)

0,67 (0,49–0,91

0,01

*: Zusammengesetzter sekundärer Endpunkt aus erneutem venösem thromboembolischem Ereignis, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod durch kardiovaskuläre Ursache

ASS: Acetylsalicylsäure, HR: Hazard-Ratio, KI: Konfidenzintervall

Kommentar

Die ASPIRE-Studie ändert ganz offensichtlich Lehrbuchwissen: Die Studie ergab einen starken Trend dahingehend, dass Acetylsalicylsäure auch erneute venöse Thromboembolien verhindern kann.

Die Autoren führten eine vorgeplante Metaanalyse mit einer zweiten Studie durch, in der die Wirksamkeit von ASS im Vergleich mit Warfarin bei 402 Patienten mit venösen Thromboembolien untersucht wurde, die WARFASA-Studie (Warfarin and Aspirin trial). Nimmt man beide Studien zusammen, kommt es zu einer 32%igen signifikanten Reduktion von venösen Thromboembolien, zu einer 34%igen Reduktion von schweren vaskulären Ereignissen und einer nicht signifikanten Zunahme von schwerwiegenden Blutungskomplikationen um 47%. Das Ergebnis der beiden Studien ist wichtig, da sie darauf hinweisen, dass nach Ablauf einer oralen Antikoagulation nach tiefen Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien eine Langzeitbehandlung mit Acetylsalicylsäure erfolgen sollte.

Literatur

Brighton TA, et al.; ASPIRE Investigators. Low-dose aspirin for preventing recurrent venous thromboembolism. N Engl J Med 2012;367:1979–87.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(04)