Andrea Warpakowski, Itzstedt
Besteht bei Patienten mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion die entsprechende Indikation, sollte die Therapieoption einer Dreifachtherapie bestehend aus einem HCV-Proteasehemmer (z.B. Boceprevir [Victrelis®]), Peginterferon alfa-2b (pegIFN, z.B. PegIntron®) und Ribavirin (z.B. Rebetol®) auch genutzt werden (Abb. 1).

Abb. 1. Zugelassene Behandlungsschemata mit Boceprevir für erwachsene Patienten mit einer chronischen HCV-Infektion Genotyp 1 nach Fachinformation (Stand Februar 2013)
Aktuelle Leitlinien empfehlen eine möglichst frühzeitige Behandlung mit den heute verfügbaren Optionen, da sie die Chance auf eine Heilung deutlich erhöhen [1]. So zeigen je nach Vorbehandlung etwa 40 bis 70% der Patienten (HCV-Genotyp 1) mit einer Boceprevir-basierten Dreifachtherapie ein nachhaltiges virologisches Ansprechen [2–4].
Die Entscheidung, eine neue, auf den individuellen Patienten abgestimmte Therapieoption abzuwarten oder mit einer Dreifachtherapie frühzeitig zu beginnen, hängt neben der Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Vortherapie und dem Genotyp auch von der Dringlichkeit der Therapie und den therapiebedingten Risiken ab. Mit zunehmendem Stadium nimmt auch die Dringlichkeit einer Therapie zu. Insbesondere Patienten mit einer HCV-assoziierten kompensierten Zirrhose benötigen eine wirksame HCV-Therapie am dringendsten, denn Langzeitfolgen sind neben Enzephalopathie, Ikterus und Aszites vor allem die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms [5]. Sprechen HCV-Patienten mit einer Zirrhose virologisch anhaltend auf eine Therapie an, sinkt die Rate hepatischer und extrahepatischer Komplikationen [6].
Eine Subgruppenanalyse aus den Boceprevir-Zulassungsstudien ergab für therapienaive Patienten mit fortgeschrittener Fibrose (Stadium 3/4; 16% der Studienpopulation) eine Heilungsrate von rund 50% und für eine Retherapie mit Boceprevir bei vorbehandelten Patienten eine Heilungsrate von knapp 70% [7]. Im französischen Early-Access-Programm für die beiden HCV-Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir (CUPIC-Studie) wurden HCV-Patienten mit kompensierter Leberzirrhose (Child-Pugh A) behandelt, von denen 41% bzw. 40% zwölf Wochen nach Ende der Therapie eine nicht nachweisbare Viruslast hatten (sustained virological response [SVR] 12; wurde als Heilung angesehen) [8]. Allerdings waren die Abbruchrate (42,1% bzw. 47,1%) und die Rate schwerwiegender Ereignisse (51,0% bzw. 54,2%) hoch, weshalb diese Patienten unter einer Dreifachtherapie engmaschig kontrolliert werden müssen. Prädiktoren für schwere Komplikationen in der CUPIC-Studie waren eine Thrombozytenzahl von<100000/mm3, ein Serum-Albumin von <35 g/dl, weibliches Geschlecht, keine Lead-in-Phase, Alter über 65 Jahre und ein niedriger Hämoglobinwert.
Die Befürchtung, dass Resistenzen bei einem virologischen Versagen der heutigen Dreifachtherapien künftige Therapieoptionen einschränken, sollte kein entscheidendes Kriterium sein, mit der Therapie zu warten. Bei Patienten, die Boceprevir- bzw. Telaprevir-Resistenzen hatten, konnte nach zwei bzw. einem Jahr 90% bzw. 85% der Virenpopulation wieder dem Wildtyp zugeordnet werden [9].
Fazit
Die derzeitig verfügbaren Proteasehemmer sind hochwirksam. Mit neueren Therapien werden die Heilungsraten bei vielen Patienten (IL28B-Genotyp CC, Genotyp 1a, Responder, die auf pegIFN/Ribavirin angesprochen haben, Relapse-Patienten, Patienten mit geringer Viruslast) nicht unbedingt höher sein [10].
Wird bei einem Patienten zunächst mit der Therapie gewartet, sollte alle sechs Monate eine Wiedervorstellung stattfinden, um eine eventuelle Therapieindikation zu überprüfen.
Quellen
Prof. Dr. med. Jürgen Rockstroh, Bonn; Dr. med. Nazifa Qurishi, Köln; Prof. Dr. med. Dr. phil. Michael R. Kraus, Altötting-Burghausen; Symposium „Therapie des HCV-Genotyps 1 bei Mono- und Koinfizierten – was ist gleich, was ist anders“, veranstaltet von MSD Sharp & Dohme GmbH im Rahmen der 5. Münchner Aids- und Hepatitis-Werkstatt, München, 23. März 2013.
48th Annual meeting of the european association for the study for the liver (EASL), Amsterdam (Niederlande), 24.–28. April 2013
Literatur
1. Sarrazin C, et al. Expert opinion on boceprevir- and telaprevir-based triple therapies of chronic hepatitis C. Z Gastroenterol 2012;50:57–72.
2. Poordard F, et al. Boceprevir for untreated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med 2001;364:1195–206.
3. Bacon BR, et al. Boceprevir for previously treated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J Med 2011;364:1207–17.
4. Bronowicki JP, et al. EASL 2012, Abstract 11.
5. Sangiovanni A, et al. The natural history of compensated cirrhosis due to hepatitis C virus: A 17-year cohort study of 214 patients. Hepatology 2006;43:1303–10.
6. Morgan TR, et al. Outcome of sustained virological responders with histologically advanced chronic hepatitis C. Hepatology 2012;52:833–44.
7. Bruno S, et al. EASL 2011, Abstract 195.
8. Fontaine H, et al. EASL 2013, Abstract 60.
9. Sherman M, et al. AASLD 2011, Abstract.
10. Shiffmann ML, Benhamou Y. Patients with HCV and F1 and F2 fibrosis stage: treat now or wait? Liver Int 2013;33(Suppl 1):105–10.
Arzneimitteltherapie 2013; 31(06)