Schrittmacher- und Defibrillatorimplantation

Vitamin-K-Antagonisten weiter geben oder Heparin-Überbrückungstherapie?


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Bei Implantation eines Herzschrittmachers oder Defibrillators (ICD) kann eine orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin) fortgesetzt werden, sie ist für die Patienten risikoärmer als die häufig praktizierte Bridging-Strategie mit Heparin, so die Ergebnisse der BRUISE-CONTROL-Studie (Bridge or continue coumadin for device surgery randomized controlled trial).

Weltweit werden jedes Jahr etwa 1,25 Millionen Herzschrittmacher und 410000 ICDs eingesetzt. Etwa 14 bis 35% der Patienten benötigen eine Langzeittherapie mit Antikoagulanzien. Insbesondere bei Patienten mit mittlerem bis stark erhöhtem Risiko für ein thromboembolisches Ereignis stellt sich die Frage nach dem periprozeduralen Handling der Antikoagulation. Leitlinien empfehlen eine Unterbrechung der Behandlung mit oralen Antikoagulanzien und den Einsatz einer Überbrückungstherapie mit unfraktioniertem Heparin i.v. oder niedermolekularem Heparin s.c. Die Heparin-Therapie ist aber aufwendig, relativ teuer und geht mit einem erhöhten Risiko für Taschenhämatome einher, also postoperativen Einblutungen in die subkutane oder muskuläre Schrittmacher- bzw. ICD-Tasche. Da bislang zum Risiko der Taschenhämatome unter Heparin-Bridging bei Schrittmacher- oder ICD-Implantation nur kleine und sich widersprechende Studien vorlagen, wurde dies nun in einer großen, randomisierten klinischen Studie untersucht.

Studiendesign

In 17 kanadischen Zentren und einer brasilianischen Klinik wurden Patienten in die Studie aufgenommen, deren jährliches Risiko für ein thromboembolisches Ereignis über 5% betrug. Alle nahmen Warfarin und sollten einen Schrittmacher oder einen ICD erhalten.

Sie wurden 1:1 randomisiert mit Warfarin weiter behandelt oder erhielten Heparin als Bridging-Therapie. Im Bridging-Arm wurde Warfarin fünf Tage vor der Operation abgesetzt, drei Tage vor der Operation wurde eine Heparin-Behandlung begonnen und 24 Stunden nach der Operation beendet. Beim Bridging mit niedermolekularem Heparin wurde die letzte Dosis mindestens 24 Stunden vor dem Eingriff gegeben und 24 Stunden danach wieder weitergeführt, bis ein therapeutischer INR-Wert erreicht war.

Primärer Endpunkt war die Zahl klinisch relevanter Taschenhämatome, die einen weiteren Eingriff, einen verlängerten Krankenhausaufenthalt oder eine Unterbrechung der Antikoagulation erforderlich machten.

Ergebnis

Die Studie wurde nach der zweiten vorher festgelegten Zwischenanalyse vom Sicherheitskomitee beendet. Die Analyse der Daten von 681 Patienten ergab, dass der primäre Endpunkt bei 12 von 343 Patienten unter Warfarin (3,5%) und bei 54 von 338 Patienten (16%) unter Heparin aufgetreten war (relatives Risiko 0,19; 95%-Konfidenzintervall 0,10–0,36; p<0,001). Das Risiko für ein klinisch signifikantes Taschenhämatom war also bei fortgesetzter Warfarin-Therapie um 80% geringer als bei einer Heparin-Überbrückungsbehandlung. Der Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen war in allen drei Komponenten des primären Endpunkts signifikant (Tab. 1).

Tab. 1. BRUISE-CONTROL-Studie: Primärer Endpunkt (klinisch signifikante Taschenhämatome) und einzelne Komponenten des primären Endpunkts

Heparin-Bridging (n=338)

Warfarin (n=343)

Relatives Risiko (95%-KI)

p-Wert

Klinisch signfikantes Taschenhämatom [n (%)]

54 (16,0)

12 (3,5)

0,19
(0,10–0,36)

<0,001

Hämatom mit verlängerter Hospitalisierung [n (%)]

16 (4,7)

4 (1,2)

0,24
(0,08–0,72)

0,006

Hämatom mit Unterbrechung der Antikoagulation [n (%)]

48 (14,2)

11 (3,2)

0,20
(0,05–1,00)

<0,001

Hämatom mit Absaugung des Gerinnsels [n (%)]

9 (2,7)

2 (0,6)

0,21
(0,05–1,00)

0,03

Das so nicht erwartete Ergebnis wurde zumindest teilweise auf einen „Anticoagulant stress test” zurückgeführt: Weil die Chirurgen in der nicht verblindbaren Studie wussten, dass die Patienten oral antikoaguliert waren, wurden Blutungen während der Operation möglicherweise sorgfältiger gestillt. Im Bridging-Arm haben Blutungen möglicherweise erst postoperativ eingesetzt.

Fazit

Nach den Ergebnissen der BRUISE-CONTROL-Studie muss eine Warfarin-Therapie bei Implantation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren nicht unterbrochen werden. Denn dann ist das Risiko für ein klinisch signifikantes Taschenhämatom geringer als bei einer Überbrückungstherapie mit Heparin.

Quelle

Birnie DH, et al. Pacemaker or defibrillator surgery without interruption of anticoagulation. N Engl J Med. 2013; DOI: 10.1056/NEJMoa1302946.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(06)