Wir brauchen eine Kultur der Redlichkeit


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

In den letzten Jahren sind einige spektakuläre Fälle von Wissenschaftsbetrug bekannt geworden – mit der entsprechenden medialen Resonanz. Dabei wurde immer wieder die Frage gestellt, wie es eigentlich gelingen konnte, dass erfundene Daten in hoch angesehenen Journalen publiziert wurden. „Immer wieder gibt es Beispiele dafür, wie leicht es ist, Daten einfach zu erfinden und dann auch noch hervorragend zu publizieren“, sagte Prof. Georg Ertl, Würzburg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich der 79. Jahrestagung der DGK in Mannheim. Dadurch werde das Vertrauen in die Ehrlichkeit der Wissenschaftler nachhaltig zerstört. Folgen könnten überflüssige und falsch angelegte Folgearbeiten sein und gefälschte Studienergebnisse könnten auch direkt Patienten gefährden.

Grundsätzlich können zwei Formen wissenschaftlichen Betrugs unterschieden werden: Plagiate und gefälschte Resultate. „Doch insgesamt dürfte es sich nur um Einzelfälle handeln“, sagte Dr. Robert Paul Königs von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn. Von den jährlich etwa 18 000 geprüften Projekten müsse bei weniger als zehn Fällen von betrügerischem Fehlverhalten ausgegangen werden. Deshalb darf man davon ausgehen, dass die allermeisten Wissenschaftler redlich arbeiteten.

Doch Wissenschaftsbetrüger sind häufig schwer zu erkennen; denn es ist schwierig zu kontrollieren, wie die Daten erhoben wurden. „Sind die Betrüger clever, ist der Betrug bei der Beurteilung der eingereichten Arbeit selbst durch internationale Experten nicht immer zu erkennen“, so Prof. Hubert Blum von der Medizinischen Universitätsklinik in Freiburg. Nicht selten falle der Betrug erst viele Jahre später auf. Um die qualitativen Forschungsergebnisse vor deren Publizität beurteilen und somit Betrüger erkennen zu können, seien institutionalisierte Mechanismen wie der Peer-Review notwendig. Eine solche Qualitätssicherung erfordert einen wissenschaftlichen Dialog auf der Basis von Sachargumenten, wobei die eingesetzten Methoden inklusive Statistik, Materialien und gegebenenfalls Patientendaten ebenso evaluiert werden wie die Übereinstimmung von Forschungsergebnissen und Schlussfolgerungen. Nicht selten werden vor der Veröffentlichung deshalb auch weitere Experimente oder Daten angefordert. Um betrügerisches Verhalten zu erkennen, bedient man sich heute auch einer Reihe von Hilfsmitteln, beispielsweise einer Computer-Software, die gespiegelte oder wiederverwendete Grafiken erkennt und auch Statistiken überprüfen kann.

„Doch die sichere Erkennung von Unredlichkeit in der Wissenschaft oder von vorsätzlicher Fälschung ist auch durch den Peer-Review nicht möglich“, so Blum. Weitere Maßnahmen um Fälschungen zu verhindern, sind die schriftliche Bestätigung der Richtigkeit und Originalität der Daten sowie des individuellen Beitrags aller Autoren zur Publikation. Sogenannte „Ehrenautorschaften“, also das Hinzufügen unbeteiligter Personen zu Autorenlisten, sind heute nicht mehr akzeptabel. „Perspektivisch brauchen wir eine Kultur der Redlichkeit, die gefördert und eingefordert werden muss“, so Blum. Diese Kultur müsse bereits am Anfang des Medizinstudiums und des wissenschaftlichen Arbeitens thematisiert und vermittelt werden.

Bei Nachweis wissenschaftlichen Fehlverhaltens können empfindliche Sanktionen verhängt werden wie beispielsweise die Aberkennung der Antragsberechtigung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). „Entscheidend ist aber die Beschädigung oder sogar der Verlust der Reputation, und dies ist im wissenschaftlichen Betrieb ein ziemlich scharfes Schwert“, so Königs. Wenn sich begründete Hinweise für ein wissenschaftliches Fehlerverhalten ergeben, so sollte die Universität auch die jeweilige Fachgesellschaft einschalten. „Strategisch wird sich in Zukunft die Projekt-Gruppe ‚Ethik in der Kardiologie‘ mit Fragen der Redlichkeit in der kardiologischen Forschung befassen“, so Ertl. Der Fachgesellschaft gehe es sowohl um den Schutz der Wissenschaft als ganzes als auch um den Schutz des einzelnen Wissenschaftlers, der vor falschen Vorwürfen und Verleumdungen geschützt werden muss. „Man kann leider nicht ausschließen, dass Wettbewerb und Konkurrenz immer nur mit lauteren Methoden betrieben werden“, so Ertl. Man solle jedoch auch bedenken, dass hinter jedem Fall von Wissenschaftsbetrug ein menschliches Schicksal stehe, wobei nicht selten falsche Anreize zu unredlichem Handeln ermunterten. Kurzum, Wissenschaftsbetrug kann verlockend sein.


Quellen

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