Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Die primäre Prophylaxe mit Wachstumsfaktoren wie G-CSF wird in Evidenz-basierten Leitlinien empfohlen, wenn das Risiko einer febrilen Neutropenie hoch (≥20%) oder intermediär erhöht (≥10%–20%) ist. Bislang war aber nicht bekannt, ob und wie die Prophylaxe unter Alltagsbedingungen in klinischen und onkologischen Praxen eingesetzt wird. Daher wurde retrospektiv anhand der Daten von 87 Krankenhäusern und 59 onkologischen Praxen in Deutschland untersucht, aufgrund welcher Faktoren Leitlinien in den Therapiealltag implementiert und wie gut sie eingehalten wurden.
Schlechte Prophylaxe bei Lungenkrebspatienten
In die von Amgen unterstützte Analyse wurden Daten von 1928 Patienten eingeschlossen, die zwischen Mai 2011 und April 2012 drei bis neun Zyklen einer Chemotherapie erhielten und ein Risiko für eine febrile Neutropenie ≥10% aufwiesen. 286 Patienten mit Lymphom, 666 Patienten mit Lungenkrebs und 976 Patienten mit Brustkrebs waren von 195 Ärzten behandelt worden.
Am wenigsten wurden die Leitlinien bei den Patienten mit Lungenkarzinom eingehalten, nur 13,9% der Patienten mit hohem Risiko für eine febrile Neutropenie erhielten eine leitliniengerechte Prophylaxe, während es bei den Patienten mit intermediärem Risiko 28,9% waren.
Von den Lymphom-Patienten mit hohem Risiko erhielten 84,2% und von den Patientinnen mit Mammakarzinom und hohem Risiko 76,3% eine leitliniengerechte Prophylaxe (Tab. 1).
Tab. 1. Adhärenz an Leitlinien zur primären Prophylaxe einer febrilen Neutropenie [nach Link]
Indikation (Zahl der Chemotherapie-Zyklen) |
Leitlinien eingehalten |
Leitlinien nicht eingehalten |
Hohes Risiko für febrile Neutropenie |
||
Lungenkrebs (n=875) |
13,9% |
86,1% |
Lymphom (n=774) |
84,2% |
15,8% |
Brustkrebs (n=1843 |
76,3% |
23,7% |
Mittleres Risiko für febrile Neutropenie |
||
Lungenkrebs (n=1670) |
28,9% |
71,1% |
Lymphom (n=517) |
69,2% |
30,8% |
Brustkrebs (n=3323) |
68,7% |
31,3% |
Etwa 20% der Ärzte, die Patienten mit Lungenkrebs behandeln, gaben an, prinzipiell keine Wachstumsfaktoren zu verwenden.
Weniger Erfahrung – stärkere Beachtung von Leitlinien
Ein weiteres Ergebnis der Analyse war, dass die Prophylaxe umso weniger leitliniengerecht eingesetzt wurde, je spezialisierter die behandelnden Ärzte waren. Bei Ärzten mit Erfahrung bis zu zehn Jahren war die Adhärenz an die Leitlinienempfehlungen höher als bei Ärzten mit längerer Erfahrung.
Fazit
Akzeptanz und Einhaltung von Leitlinien zum Einsatz von G-CSF sind nicht ausreichend. Ärzte unterschätzen das Risiko vor allem bei Patienten mit intermediärem Risiko und überschätzen ihre Adhärenz an die Leitlinien.
Quelle
Link H, et al. How oncologists adhere to evidence-based G-CSF-guidelines to prevent febrile neutropenia: A sample survey in hospitals and practices in Germany. ASCO Annual Meeting, 31. Mai bis 4. Juni 2013, Chicago. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 6591)
Arzneimitteltherapie 2013; 31(07)