Neue europäische Leitlinie zur klinischen Evaluation von Krebsmedikamenten


Clemens Unger, Freiburg

Die Leitlinie zur klinischen Prüfung von Krebsmedikamenten: „Guideline on the evaluation of anticancer medicinal products in man“ der Europäischen Zulassungsbehörde in London (EMA) wurde erstmals 1996 vorgestellt und in den nächsten Jahre mehrfach revidiert und den neuen Gegebenheiten der „intelligenten Medikamentenentwicklung“ angepasst. So ist dies auch aktuell in den letzten Monaten geschehen, und die neue Leitlinie tritt Anfang Juli in Kraft [1].

Neben den Zielen der konventionellen Medikamentenentwicklung, wie der Definition der richtigen Dosis und der richtigen zeitlichen Verabfolgung der Prüfsubstanz, ist aktuell die richtige Bestimmung der „Targetpopulation“ mit einer optimalen Bestimmung der „Benefit/Risk“-Kalkulation von entscheidender Bedeutung für die Zulassung neuer Krebsmedikamente. Während die Evaluation klassischer zytotoxischer Verbindungen seit Jahren nach Standardverfahren durchgeführt wird, ist die klinische Prüfung von „nichttoxischen Verbindungen“ entscheidend schwieriger. Dieser Begriff umfasst nämlich eine Gruppe ganz verschiedener Substanzen wie antihormonelle und Antisense-Verbindungen, Signaltransduktions- und Antiangiogenese-Verbindungen, Zellzyklus-Inhibitoren, Immunmodulatoren und monoklonale Antikörper. Ein gemeinsame Element im Design der klinischen Studien dieser Verbindungen ist, dass die Toxizität nicht unbedingt einen angemessenen Endpunkt bei der Dosisfindung und dem gesuchten optimalen Applikationsmodus darstellt und die „overall remission rate“ (ORR) nicht unbedingt einer angemessenen Einschätzung der antitumoralen Aktivität entspricht. Aus diesem Grund sind die frühen Stadien der klinischen Medikamentenentwicklung komplexer und müssen sich mehr an der angenommenen Pharmakokinetik der individuellen Verbindung in präklinischen Studien ausrichten. Entsprechend ist die strikte Trennung in Phase-I- und Phase-II-Studien, wie sie bei zytotoxischen Substanzen gängig ist, hier möglicherweise weniger entscheidend – dagegen ist die Bedeutung von Biomarkern als Indikatoren für die Antitumorwirkung für die Ermittlung der geeigneten Dosis und des Therapieschemas von deutlich größerer Relevanz.


Überzeugend demonstrierte günstige Effekte auf das Gesamtüberleben („overall survival“, OS) sind sowohl von klinischer als auch von methodischer Seite nach wie vor von vorrangiger Bedeutung. Ein verlängertes progressionsfreies Intervall (PFS/DFS, „progression-free survival“/„disease-free survival“) ist grundsätzlich ebenfalls von klinischer Bedeutung, allerdings sollte die Größenordnung des Behandlungseffekts hinreichend groß sein, um Toxizitäts- und Toleranzprobleme genügend ausbalancieren zu können. Eine umfassende „Benefit/Risk“-Einschätzung hat nach wie vor alle relevanten Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der Prüfsubstanz zu erfassen. Daher sind pauschalierende Aussagen wie „trend towards favourable effects on survival“ oder „reasonably excluding negative effects on OS“ nicht akzeptabel. Wenn eine erhebliche Toxizität einer Substanz voraussehbar ist, ist eine konfirmatorische Studie durchzuführen, um einen „overall survival benefit“ aufzuzeigen. Rein exploratorische Studien sind in dieser Situation den Patienten nicht zuzumuten. Es ist ebenso anerkannt, dass eine Verminderung der Toxizität ohne Verlust an Wirksamkeit der Substanz ein sinnvolles Ziel der Medikamentenentwicklung sein kann. 


Fasst man den Gehalt der Guideline zusammen und vergleicht ihn mit den ersten frühen Entwürfen, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Entwicklungs- und Prüfbedingungen für die unterschiedlichen Substanzen zunehmend differenzierter geworden sind. Damit wird den neuen Entwicklungen im Drug-Development auch Rechnung getragen. 

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