Reizdarmsyndrom mit Obstipation

Linaclotid verbessert abdominelle Schmerzen und Stuhlfrequenz


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Helga Brettschneider, Frankfurt am Main

Seit Mai 2013 erweitert Linaclotid (Constella®) die Therapieoptionen für Patienten mit Reizdarmsyndrom mit Obstipation. Studien ergaben signifikante Verbesserungen der Hauptsymptome Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlfrequenz. Die Ergebnisse wurden bei einer Veranstaltung der Firma Almirall im Rahmen des Internistenkongresses in Wiesbaden präsentiert.

Das neue Präparat enthält pro Kapsel 290 µg Linaclotid. Das entspricht der empfohlenen Dosis, die die Patienten einmal täglich mindestens eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit einnehmen sollten. Indiziert ist das Medikament zur symptomatischen Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerem bis schwerem Reizdarmsyndrom mit Obstipation (RDS-O), einem Subtyp des Reizdarmsyndroms (RDS).

Das RDS zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Die Angaben zur Prävalenz variieren aber; sie wird zum Beispiel für Deutschland unter anderem mit 7,4% und 12% beziffert.

Das Reizdarmsyndrom

Das RDS ist ungefährlich, aber meist chronisch und belastet die Betroffenen oft sehr. Sie klagen in der Regel über starke abdominelle Schmerzen bis hin zu Krämpfen sowie über Blähungen. Stuhlgangsveränderungen sind üblich, fehlen aber bisweilen. Viele Patienten leiden unter Obstipation oder Diarrhö, die sich auch abwechseln können. Für die RDS-Diagnose wird ein Andauern der Darmsymptome über mehr als drei Monate verlangt, das Fehlen anderer Erkrankungen als wahrscheinliche Symptomursache und eine relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Beschwerden. Patienten mit ausgeprägter Diarrhö etwa können ihren Alltag kaum noch frei gestalten, weil sie ständig eine Toilette in direkter Nähe benötigen.

Beim RDS-O quälen die Patienten neben Bauchschmerzen und Blähungen auch Beschwerden wie harter Stuhl, seltener Stuhlgang und eine entsprechend mühsame Stuhlentleerung mit hohem Zeitaufwand und anstrengendem Pressen. Ein Toilettengang kann so durchaus zwei Stunden dauern. Eine kausale Behandlung des RDS gibt es nicht; wichtig sind Allgemeinmaßnahmen wie das Meiden persönlicher Triggerfaktoren. Medikamentöse Therapien werden symptomorientiert eingesetzt. Ihre Effekte sind jedoch häufig begrenzt und oft mindern sie nur einzelne Beschwerden.

Linaclotid: Dualer Wirkungsmechanismus

Linaclotid kann den Studien zufolge mehrere Symptome des RDS-O lindern. Es wirkt lokal im Darm; eine Resorption findet kaum statt. Die Bioverfügbarkeit beträgt bis zu 0,2%. Linaclotid ist ein synthetisches Peptid aus 14 Aminosäuren; es ist strukturverwandt mit dem Darmhormon Guanylin und aktiviert wie dieses die in der Darmwand lokalisierte Guanylatcyclase C (GC-C). Dies führt zu einer Zunahme der Konzentration an zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) in den Darmepithelzellen sowie im benachbarten Extrazellulärraum, also an der luminalen und submukosalen Seite des Darmepithels. Intrazelluläres cGMP bewirkt eine erhöhte luminale Sekretion von Elektrolyten (Chlorid, Hydrogencarbonat) und damit eine Flüssigkeitszunahme im Darm: Der verfestigte Stuhl wird weicher und der Darmtransit dadurch leichter. Neben dieser prosekretorischen hat Linaclotid auch eine antinozizeptive Wirkung. Sie wird vermutlich über extrazelluläres cGMP vermittelt, das in Tiermodellen die Aktivität von lokalen Schmerzfasern verringerte [1, 2].

Studiendaten

Wirksamkeit und Sicherheit wurden in Studien untersucht. Dabei ergab schon eine Phase-II-Studie mit 36 RDS-O-Patienten eine deutliche Verbesserung der Stuhlkonsistenz. Erfasst wurde dies mit der Bristol Stool Scale mit einem Skalenbereich von 1 bis 7. Dabei gilt: je höher die Zahl, umso weicher der Stuhl. Normal sind Werte von 3 bis 5; die Startwerte der Probanden aber lagen zwischen 1 und 2, also im Obstipationsbereich. Die Patienten wurden daraufhin mit Linaclotid in den Dosierungen 100 µg oder 1000 µg oder mit einem Plazebo behandelt. Linaclotid führte zu einer dosisabhängigen Normalisierung der Stuhlkonsistenz: Der Skalen-Wert stieg mit 100 µg auf rund 4 Punkte und mit 1000 µg auf fast 5 Punkte. Ein Wirkbeginn wurde innerhalb weniger Stunden beobachtet. Unter Plazebo dagegen änderte sich nichts [3].

Eine randomisierte, kontrollierte Studie, durchgeführt in den USA und Kanada, schloss 800 RDS-O-Patienten ein [4]. Sie erhielten in der ersten Phase zwölf Wochen lang Linaclotid in der empfohlenen Dosierung von täglich 290 µg oder ein Plazebo. Mit Linaclotid gingen die Bauchschmerzen schneller und stärker zurück. Der Vorteil war ab der ersten Woche in jeder Woche signifikant (p<0,0001) und die Wirkung nahm bis zur letzten Therapiewoche weiter zu. Darüber hinaus besserte sich auch die Stuhlfrequenz von 0,2/Woche schnell: Schon in der ersten Woche erreichten Patienten mit Linaclotid im Mittel rund 2,6 komplette, spontane Entleerungen pro Woche, mit Plazebo dagegen nur eine pro Woche. Auch dieser Vorteil fiel in allen zwölf Therapiewochen signifikant aus (p<0,0001) [4]. Eine Studie über 26 Wochen bestätigt die Wirksamkeit auch bei längerer Behandlung [5]. Als häufigste Nebenwirkung trat bei bis zu 20% der Linaclotid-Patienten eine Diarrhö auf, die aber in rund 80% der Fälle eine milde bis moderate Ausprägung aufwies [4].

Die Kosten für eine vierwöchige Behandlung mit Linaclotid belaufen sich auf knapp 100 Euro (Berechnung nach Apothekenabgabepreis). Sollten sich nach Ablauf dieses Zeitraums keine Verbesserungen eingestellt haben, kann das Medikament wieder abgesetzt werden. Etwa die Hälfte der Patienten spricht auf die Therapie an [6].

Fazit

Mit Linaclotid steht ein Wirkstoff zur Verfügung, der die Beschwerden eines Reizdarmsyndroms mit Obstipation signifikant mildern kann. Studienergebnisse zeigen, dass damit mehrere typische Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Blähungen und Obstipationssymptome – beispielsweise geringe Stuhlfrequenz –, gleichzeitig gebessert werden können. Die Betroffenen profitieren zudem von einem schnellen Wirkeintritt und einem günstigen Verträglichkeitsprofil. Eine kausale Therapie des Reizdarmsyndroms ist nicht Sicht.

Quelle

Prof. Dr. med. Peter Layer, Hamburg; Dr. med. Viola Andresen, Hamburg; Pressekonferenz „Constella®: Eine Innovation in der Therapie des Reizdarmsyndroms mit Obstipation“ veranstaltet von Almirall Hermal GmbH im Rahmen des 119. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Wiesbaden, 7. April 2013.

Literatur

1. Busby RW, et al. Linaclotide, through activation of guanylate cyclase C, acts locally in the gastrointestinal tract to elicit enhanced intestinal secretion and transit. Eur J Pharmacol 2010;649:328–35.

2. Malagelada JR. Clinical evidence for the role of linaclotide for the treatment of irritable bowel syndrome. Clin Invest 2012;2:1033–46.

3. Andresen V, et al. Effect of 5 days linaclotide on transit and bowel function in females with constipation-predominant irritable bowel syndrome. Gastroenterology 2007;133:761–8.

4. Rao S, et al. A 12-week, randomized, controlled trial with a 4-week randomized withdrawal period to evaluate the efficacy and safety of linaclotide in irritable bowel syndrome with constipation. Am J Gastroenterol 2012;107:1714–24.

5. Quigley EM, et al. Randomized clinical trials: linaclotide phase 3 studies in IBS-C – a prespecified further analysis based on European Medicines Agency-specified endpoints. Aliment Pharmacol Ther 2013 Nov., doi:10.1111/apt.12123.

6. www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/201311-Constella.pdf

Arzneimitteltherapie 2013; 31(09)