Pharmakotherapie der rheumatoiden Arthritis


Neues von der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur sequenziellen Therapie der rheumatoiden Arthritis

Katinka Albrecht, Berlin, und Klaus Krüger, München

Die neue Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie gibt aktualisierte Empfehlungen zur sequenziellen Therapie der rheumatoiden Arthritis mit konventionellen krankheitsmodifizierenden Basistherapeutika und biologischen Wirkstoffen. Neben einer Zusammenfassung der Empfehlungen werden die wichtigsten Substanzen in ihrer klinischen Anwendung vorgestellt.
Arzneimitteltherapie 2013;31:235–41.

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine entzündlich-rheumatische Systemerkrankung, die mit Schmerzen, Schwellungen der Gelenke und in den meisten Fällen einer voranschreitenden Zerstörung der Gelenke einhergeht. Zusätzlich können systemische Manifestationen wie Rheumaknoten oder eine Vaskulitis auftreten. Neben einer Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika und Analgetika erfolgt die medikamentöse Therapie der rheumatoiden Arthritis mit immunsuppressiv wirksamen Substanzen. Diese werden als sogenannte Basistherapeutika eingesetzt, um den Entzündungsprozess am Gelenk zu unterdrücken und dadurch die destruierende Wirkung der rheumatoiden Arthritis aufzuhalten bzw. zusätzliche Systemmanifestationen zu verhindern oder zu beseitigen. Die klassischen, synthetisch hergestellten Arzneistoffe wie Methotrexat werden bereits seit Jahrzehnten in der Rheumatologie eingesetzt, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, sie werden daher als krankheitsmodifizierende Substanzen (DMARDs =disease modifying antirheumatic drugs) bezeichnet. In den letzten Jahren haben sich durch die Entwicklung von biotechnisch hergestellten Arzneistoffen (=Biologika) neue Therapiemöglichkeiten in der Behandlung rheumatologischer Erkrankungen ergeben. Hierdurch wird eine starke Immunsuppression hervorgerufen, die bei vielen Patienten eine komplette Unterdrückung der Krankheitsaktivität ermöglicht. Da die Biologika inzwischen ein fester Bestandteil der rheumatologischen Therapie sind und sich das therapeutische Vorgehen in sehr kurzen Zeitabständen durch neu zugelassene Arzneistoffe erweitert, hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) 2012 eine neue S1-Leitlinie für die medikamentöse Therapie der rheumatoiden Arthritis herausgegeben [1]. Sie umfasst 12 Empfehlungen zum Einsatz der Basistherapie mit den klassischen DMARDs und den Biologika in Abhängigkeit vom Krankheitsverlauf (Tab. 1). Der neu überarbeitete Therapiealgorithmus empfiehlt ein schrittweises Vorgehen, das für den einzelnen Patienten individuell angepasst werden kann (Abb. 1). Die europäischen Empfehlungen zur medikamentösen Therapie der RA wurden hierfür grundlegend übernommen [2] und mithilfe einer systematischen Literatursuche aktualisiert sowie durch einen Konsensus von einem Gremium nationaler Rheumatologen an die deutschen Verhältnisse angepasst [3].

Tab. 1. Empfehlungen der DGRh zur sequenziellen Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) [1]

A

Rheumatologen sind die Spezialisten, die für die Versorgung von RA-Patienten in erster Linie zuständig sein sollten.

B

Die Behandlung von RA-Patienten sollte eine bestmögliche medizinische Betreuung zum Ziel haben und wird von Patienten und Rheumatologen gemeinsam entschieden.

C

Die rheumatoide Arthritis ist eine schwerwiegende Erkrankung, die hohe direkte und indirekte Kosten zur Folge hat. Dies sollte durch den behandelnden Rheumatologen berücksichtigt werden.

1

Sobald die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis gestellt ist, sollte eine Therapie mit klassischen DMARDs (Disease-modifying antirheumatic drugs) begonnen werden.

2

Das Ziel einer Remission bzw. niedrigen Krankheitsaktivität sollte so schnell wie möglich erreicht werden. Die Anpassung der Therapie ist erforderlich, solange dieses Ziel nicht erreicht ist. Hierzu ist eine engmaschige Kontrolle erforderlich.

3

Bei aktiver RA sollte Methotrexat (MTX) als erstes DMARD eingesetzt werden.

4

Falls Methotrexat als primäres DMARD nicht geeignet ist, sollte die Therapie mit einem anderen klassischen DMARD, z.B. Leflunomid oder Sulfasalazin, begonnen werden.

5

Bei Patienten mit aktiver RA ist ein Vorteil für eine initiale Kombinationstherapie mit klassischen DMARDs nicht belegt.

6

Glucocorticoide sollten initial in niedriger bis mittelhoher Dosierung als Ergänzung zu klassischen DMARDs verabreicht werden.

7

Wenn trotz optimierter Monotherapie mit einem klassischen DMARD das Therapieziel nicht erreicht wird, sollte eine Kombination mehrerer DMARDs eingesetzt werden.

Liegt eine hohe Krankheitsaktivität, insbesondere in Verbindung mit ungünstigen Prognosefaktoren vor, sollte die Kombination eines DMARDs mit einem Biologikum erwogen werden.

8

Nach unzureichendem Ansprechen auf zwei klassische DMARDs (als Monotherapie oder in Kombination) wird eine Biologika-Therapie empfohlen.

9

Patienten mit aktiver RA, bei denen das erste Biologikum ein TNF-(Tumornekrosefaktor-)Hemmer ist, können bei ungenügendem Ansprechen sowohl auf einen zweiten TNF-Hemmer als auch auf Abatacept, Rituximab oder Tocilizumab wechseln.

10

Bei therapierefraktärer RA oder Kontraindikationen gegen die oben erwähnten klassischen DMARDs oder Biologika kann der Einsatz weiterer DMARDs und immunmodulierender Therapieverfahren erwogen werden.

11

Bei anhaltender Remission sollte in einer gemeinsamen Entscheidung von Patient und Arzt die schrittweise Reduktion der DMARD-Therapie erwogen werden.

12

Die individuelle Therapiestrategie sollte neben der Krankheitsaktivität auch weitere Faktoren wie radiologische Progression, Begleiterkrankungen, Sicherheitsaspekte sowie Teilhabe (z.B. Erhalt der Arbeitsfähigkeit und Einbezogensein in das soziale Umfeld) berücksichtigen.

Abb. 1. Therapiealgorithmus für die rheumatoide Arthritis [nach 1]

Der folgende Beitrag fasst die Empfehlungen der DGRh zusammen und ergänzt sie um die wesentlichen pharmakologischen Eigenschaften der jeweiligen Substanzen in der klinischen Anwendung [4].

Allgemeine Empfehlungen

In den drei übergeordneten Stellungnahmen wird zunächst darauf hingewiesen, dass die rheumatoide Arthritis eine schwerwiegende chronische Erkrankung ist, die bei nicht ausreichend wirksamer Therapie in den meisten Fällen progredient destruierend verläuft. Sie ist mit zahlreichen Komorbiditäten, erhöhter Mortalität und fortschreitender Invalidisierung verbunden und die direkten und indirekten Kosten der Erkrankung sind hoch. Eine schnellstmögliche fachspezifische rheumatologische Betreuung wird gefordert, um eine frühzeitige Therapie mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika zu gewährleisten. Auch die erforderlichen Verlaufskontrollen, die mit spezifischen Messinstrumenten die aktuelle Krankheitsaktivität evaluieren, sollten von den behandelnden Rheumatologen durchgeführt werden. Darüber hinaus wird eine intensive Zusammenarbeit mit den primärversorgenden Ärzten und Therapeuten angestrebt, um strukturelle und funktionelle Folgeschäden der rheumatoiden Arthritis zu minimieren und die Sicherheit der Therapie zu gewährleisten.

Info 1. Therapie der rheumatoiden Arthritis

  • Die Basistherapie wirkt immunsuppressiv und soll strukturelle Schäden an den Gelenken verhindern. Die Wirkung tritt je nach Substanz erst verzögert ein.
  • Biologika sind biotechnisch hergestellte Eiweißstoffe und zeichnen sich durch eine hohe Wirksamkeit bei der rheumatoiden Arthritis aus
  • Glucocorticoide wirken sofort entzündungshemmend und können die Zeit bis zur Wirkung der Basistherapie überbrücken
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wirken schmerzlindernd und gering entzündungshemmend. Sie werden ebenso wie reine Analgetika (z.B. Paracetamol) vor allem zur Schmerzreduktion eingesetzt.
  • Die physikalische Therapie und Ergotherapie unterstützen den Erhalt der Funktionalität der Gelenke und wirken in geringem Maße auch schmerzlindernd.

Frühe Basistherapie mit Methotrexat

Es ist unumstritten, dass eine entzündungshemmende Basistherapie so früh wie möglich nach Diagnosestellung einer rheumatoiden Arthritis begonnen werden sollte, um den Verlauf der Erkrankung abzumildern und um strukturelle Schäden am Gelenkknorpel zu verhindern. Wird die Basistherapie bereits in der Frühphase der rheumatoiden Arthritis eingesetzt, kann eine Remission der Erkrankung induziert werden. Dies ist heutzutage das vorrangige Therapieziel. Die zur Verfügung stehenden klassischen Basistherapeutika unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrem Wirkprinzip (Tab. 2).

Tab. 2. Eingesetzte Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis – klassische krankheitsmodifizierende Substanzen (DMARDs)

Wirkstoff

Handelsname (Beispiele)

Applikation/
Dosierung

Mittlere Halbwertszeit

Laborkontrollen gemäß der DGRh [4]

Methotrexat

Lantarel®, Metex®

10–25 mg/Woche p.o., s. c., i.m. oder i.v.

6–7 Stunden

Diff-BB, γGT, AP, GPT, Creatinin in den ersten 4 Wochen wöchentlich, 2./3. Monat alle 14 Tage, danach alle 4 Wochen

Leflunomid

Arava®

20 mg tgl. p.o.

19 Tage

Diff-BB, GOT, GPT, AP, γGT

Creatinin im ersten Halbjahr alle 2, dann alle 4–8 Wochen, bei Grenzwerten engmaschiger; Blutdruckkontrollen

Sulfasalazin

Azulfidine®

2 g tgl. p.o. nach Aufdosierung

5–7 Stunden

Diff-BB, AP, GPT, Creatinin

Urinstatus erste 3 Monate alle 14 Tage, 4.–6. Monat alle 4 Wochen, danach alle 3 Monate

Chloroquin

Resochin®

4 mg/kg KG 1 x tgl. p.o.

40–50 Tage

Diff-BB in den ersten 4 Monaten alle 14 Tage, dann alle 2 Monate, ggf. CK

Augenarzt alle 6 Monate

Hydroxychloroquin

Quensyl®

6–6,5 mg/kg KG 1 x tgl. p.o.

DMARDs: Disease-modifying antirheumatic drugs; Diff-BB: Differenzialblutbild; γGT: Gamma-Glutamyltransferase; AP: alkalische Phosphatase; GOT: Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (Aspartat-Aminotransferase); GPT: Glutamat-Pyruvat-Transaminase (Alanin-Aminotransferase); CK: Creatinkinase; KG: Körpergewicht; s. c.: subkutan; i.v.: intravenös; i.m. intramuskulär; p.o.: per os

Methotrexat (MTX) ist die Standard-Basistherapie bei der rheumatoiden Arthritis. Methotrexat ist ein Folsäureantagonist und zeichnet sich durch sehr gute Wirksamkeit und gute Verträglichkeit aus. Es wird in der Regel mit einer Dosis von 15 mg einmal wöchentlich peroral oder subkutan begonnen. Eine parenterale Gabe hat eine etwas höhere Wirksamkeit und geht oft mit einer besseren gastrointestinalen Verträglichkeit einher. Die subkutane Applikation kann vom Patienten selbst durchgeführt werden; eine intravenöse oder intramuskuläre Anwendung kann vorteilhaft sein, um eine regelmäßige ärztliche Überwachung zu gewährleisten und Fehler in der Dosierung (tägliche statt wöchentlicher Einnahme von MTX-Tabletten) zu vermeiden. Bei unzureichendem Ansprechen kann die Methotrexat-Dosis bis auf 25 mg (in Ausnahmefällen 30 mg) pro Woche erhöht werden. Zur besseren Verträglichkeit wird Folsäure mit 5 mg einmal wöchentlich am Tag nach der Methotrexat-Einnahme gegeben. Bei bestehenden Begleiterkrankungen, beispielsweise bei einer gering eingeschränkten Nierenfunktion, kann die Dosis niedriger gewählt werden (7,5–10 mg/Woche). Die volle Wirksamkeit tritt nach 8 bis 12 Wochen ein, sodass dieser Zeitpunkt für eine Therapiebeurteilung und Fortführung oder Umstellung auf eine erweiterte Basistherapie empfohlen wird.

Zu Therapiebeginn sollten Blutbild, Leber- und Nierenfunktionsparameter alle 4 bis 6 Wochen kontrolliert werden, im weiteren Verlauf sind 2- bis 3-monatliche Kontrollen erforderlich. Ein zwei- bis maximal dreifacher Transaminasenanstieg kann toleriert werden. Bei einer leichten Nierenfunktionseinschränkung sollte die Dosis reduziert werden (Kontraindikation bei mittel- bis hochgradiger Einschränkung). Weitere mögliche Nebenwirkungen sind vermehrter Haarausfall, Stomatitis und Übelkeit. In seltenen Fällen kann eine MTX-induzierte Pneumonitis mit plötzlichem Auftreten von Dyspnoe, (Reiz)husten und/oder Fieber auftreten, wobei es keine Assoziation zu Dosis und Therapiedauer gibt; eine Pneumonitis kann bereits nach 4 Wochen Therapie eintreten. Sie stellt eine schwerwiegende Komplikation dar, die ein sofortiges Absetzen von Methotrexat und eine umgehende stationäre Behandlung erfordert.

Alternativen zu Methotrexat

Fällt Methotrexat als Basistherapie wegen Kontraindikationen oder Unverträglichkeit aus, können Leflunomid oder Sulfasalazin als alternative Basistherapien eingesetzt werden (s. Therapiealgorithmus Abb. 1).

Leflunomid hemmt die Pyrimidinsynthese. Die Wirksamkeit ist vergleichbar mit Methotrexat, es hat aber ein etwas verändertes Nebenwirkungsprofil. Wie dieses kann es eine Leukozytopenie oder/und einen Transaminasenanstieg bewirken, daneben können unter Leflunomid auch Hypertonie und Diarrhöen sowie seltener eine Neuropathie auftreten. Leflunomid wird mit einer Dosis von 20 mg einmal täglich in Tablettenform gegeben. Eine Aufdosierung mit 100 mg in den ersten drei Tagen wird heute wegen der deutlich erhöhten Nebenwirkungsrate nicht mehr regelhaft angewendet. Die Wirkung tritt nach etwa acht Wochen ein. Leflunomid wirkt erst durch seinen Metaboliten. Da dieser im enteropathischen Kreislauf eine Halbwertszeit von 17 Tagen hat, muss Leflunomid bei unerwünschten Wirkungen oder Eintritt einer ungeplanten Schwangerschaft durch Colestyramin ausgewaschen werden (3-mal 8 g täglich über 11 Tage). Die Laborkontrollen sind analog zu Methotrexat, zusätzlich sollte der Blutdruck überwacht werden.

Sulfasalazin wirkt antiphlogistisch, unter anderem durch Zytokinreduktion und Hemmung der Lymphozytenproliferation. Es ist schwächer wirksam als Methotrexat und wird hauptsächlich bei peripheren Arthritiden im Rahmen von chronisch entzündlichen Wirbelsäulen- und Darmerkrankungen eingesetzt. Daher kann es auch bei Patienten gewählt werden, bei denen differenzialdiagnostisch eine Spondylarthritis in Betracht kommt. Sulfasalazin wird aufdosiert von 500 mg einmal täglich bis auf 2 g täglich peroral. Die Wirkung tritt nach 8 bis 12 Wochen ein. Laborkontrollen sollten analog zu Methotrexat, inklusive eines Urinstatus (zum Ausschluss einer Proteinurie oder eines nephrotischen Syndroms als seltene NW) durchgeführt werden. Sulfasalazin ist im Allgemeinen sehr gut verträglich. Als seltene Nebenwirkung kann eine Leukozytopenie bis hin zu einer Agranulozytose in den ersten Wochen nach Therapiebeginn auftreten.

Die Antimalariapräparate Chloroquin und Hydroxychloroquin wirken über eine Zytokinhemmung antiphlogistisch. Sie sind aber in Monotherapie nicht ausreichend wirksam, um eine Gelenkdestruktion aufzuhalten. Darum werden sie nur für leichte, nichterosive Verlaufsformen der rheumatoiden Arthritis oder in der Kombinationstherapie empfohlen. Chloroquin wird mit 3,5 bis 4 mg/kg Körpergewicht (½–1 Tablette à 250 mg) täglich dosiert, Hydroxychloroquin mit 6 bis 6,5 mg/kg Körpergewicht (1–2 Tabletten à 200 mg) täglich. Unter den Antimalariamitteln können selten und dosisabhängig reversible Ablagerungen in der Hornhaut und eine Retinopathie auftreten, daher ist vor Therapiebeginn und in 6- bis 12-monatigen Abständen eine augenärztliche Kontrolluntersuchung erforderlich.

Andere Basistherapeutika wie Azathioprin, Ciclosporin und Goldsalze in parenteraler Applikation werden aufgrund ihres jeweiligen Nebenwirkungsprofils nur als Ausweichpräparate empfohlen, sodass auf sie an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird.

Glucocorticoide als Überbrückungstherapie

Zusätzlich zur ersten Basistherapie werden Glucocorticoide eingesetzt, um den Zeitraum bis zum Eintritt der Wirksamkeit (6–12 Wochen) zu überbrücken. Es wird eine mittlere Startdosis von 15 mg Prednisolonäquivalent/Tag empfohlen, je nach Krankheitsaktivität und Begleiterkrankungen kann diese höher oder niedriger gewählt werden. Eine rasche Reduktion bis auf eine Erhaltungsdosis von 5 bis 7,5 mg/Tag sollte angestrebt werden, um Folgeschäden einer Langzeit-Glucocorticoid-Gabe zu vermeiden. An dieser Stelle wird kein standardisiertes Schema vorgegeben, eine Reduktion in 2,5-mg-Schritten wöchentlich, ab 10 mg auch in 1-mg-Schritten ist möglich und kann individuell angepasst werden. Ob eine niedrige Dosis zusätzlich zur Basistherapie beibehalten oder ausgeschlichen wird, ist abhängig von der Wirksamkeit der Basistherapie und kann in Abhängigkeit der individuellen Patientenkonstellation entschieden werden. Auf die osteo- und ulkusprotektive Begleitmedikation der Glucocorticoid-Therapie wird in der Leitlinie nicht näher eingegangen.

DMARD-Kombinationstherapie

Kommt es unter der primären Basistherapie innerhalb von 12 Wochen zu keiner ausreichenden Unterdrückung der Krankheitsaktivität, sollte eine DMARD-Kombinationstherapie begonnen werden. Die Kombination von Methotrexat mit Leflunomid und die Dreifachkombination von Methotrexat, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin haben sich in Studien und im klinischen Alltag bewährt. Die Dosierung wird entsprechend angepasst, beispielsweise 15 mg Methotrexat wöchentlich in Kombination mit 10 mg Leflunomid täglich. Alternativ kann Methotrexat auch mit Ciclosporin kombiniert werden. Bei den Kombinationstherapien sind engmaschige Laborkontrollen besonders wichtig, um additive Nebenwirkungen (Transaminasenanstieg, Hypertonie, Nierenfunktionseinschränkung) zu überwachen.

Erste Biologika-Therapie

Wenn sich unter einer DMARD-Kombinationstherapie innerhalb von 12 Wochen keine ausreichende Unterdrückung der Krankheitsaktivität einstellt oder wenn initial schlechte Prognosefaktoren vorliegen (hochpositive Rheumafaktoren/ACPA-Werte [Antikörper gegen citrullinierte Peptide], hohe Krankheitsaktivität, frühe Erosionen), wird eine Biologika-Therapie empfohlen. Diese wird in der Regel mit Methotrexat kombiniert. Eingesetzt werden können eine Substanz aus der Gruppe der TNF-α-Hemmer, Abatacept oder Tocilizumab. Die Auswahl des Präparats hängt von individuellen Faktoren wie beispielsweise Begleiterkrankungen und Begleitmedikation ab, aber auch die Halbwertszeit, Applikationsform und das Nebenwirkungsprofil der Arzneistoffe können bei der Entscheidung berücksichtigt werden (Tab. 3).

Tab. 3. Eingesetzte Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis – Biologika

Wirkstoff

Handelsname

Wirkungsmechanismus

Applikation/

Dosierung

Mittlere Halbwertszeit

Laborkontrollen gemäß der DGRh [4]

Adalimumab

Humira®

TNF-α-Hemmer

40 mg s. c. 2 x/Monat

14 Tage

BSG, CRP, großes Blutbild

GOT, AP, Creatinin in Woche 2, 4, 8, 12, dann je nach Klinik

Certolizumab

Cimzia®

200 mg s. c. 2 x/Monat

14 Tage

Etanercept

Enbrel®

50 mg s. c. 1 x/Woche

4 Tage

Golimumab

Simponi®

50 mg s. c. 1 x/Monat

12 Tage

Infliximab

Remicade®

3–5 mg/kg KG i.v. alle 8 Wochen

8–10 Tage

Abatacept

Orencia®

T-Zell-Hemmer

10 mg/kg KG i.v. oder 125 mg s. c. 1 x/Monat

13 Tage

Blutbild, BSG, CRP, GOT, AP, Creatinin in Woche 2, 4, dann alle 3 Monate

Anakinra

Kineret®

IL-1-Rezeptorantagonist

100 mg s. c. tgl.

4–6 Stunden

Blutbild in den ersten 6 Monaten alle 4 Wochen, dann mit Creatinin alle 3 Monate

Rituximab

MabThera®

Anti-CD20-Antikörper

2×1000 mg i.v. im Abstand von 2 Wochen alle 6–12 Monate

21 Tage

Immunglobuline vor nächsten Zyklus empfohlen

Tocilizumab

RoActemra®

Anti-IL-6-Rezeptor

8 mg/kg KG i.v. alle 28 Tage

13 Tage

Differenzialblutbild, GOT, GPT, Creatinin, Cholesterol (HDL/LDL) initial alle 4 Wochen, dann alle 3 Monate

BSG: Blutsenkungsgeschwindigkeit; CRP: C-reaktives Protein; GOT: Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (Aspartat-Aminotransferase); AP: alkalische Phosphatase; GPT: Glutamat-Pyruvat-Transaminase (Alanin-Aminotransferase); IL: Interleukin; TNF: Tumornekrosefaktor; s. c.: subkutan; KG: Körpergewicht; i.v.: intravenös

TNF-α-Hemmer

Durch die Zulassung von Certolizumab und Golimumab im Jahr 2009 gibt es inzwischen fünf Substanzen in der Gruppe der TNF-α-Hemmer. Diese Substanzen blockieren spezifisch den Tumornekrosefaktor alpha und wirken dadurch stark entzündungshemmend. Alle TNF-α-Hemmer sollten aufgrund einer besseren Wirksamkeit mit Methotrexat kombiniert werden. Adalimumab, Certolizumab und Etanercept sind aber auch für die Monotherapie zugelassen, wenn Methotrexat nicht eingesetzt werden kann.

Unter einer TNF-α-hemmenden Therapie besteht ein erhöhtes Risiko, an einer Tuberkulose zu erkranken oder ein Rezidiv einer latenten Tuberkulose zu bekommen. Daher muss vor Therapiebeginn eine Tuberkulose ausgeschlossen werden und eine aktive Tuberkulose erst behandelt werden. Bei Vorliegen einer latenten Tuberkulose wird eine Prophylaxe mit Isoniazid durchgeführt. Ebenso müssen andere Infektionskrankheiten vor Therapiebeginn ausgeschlossen und während der Therapie abgeklärt werden; bei akuten Infektionen wird nach Rücksprache mit dem behandelnden Rheumatologen die Therapie unterbrochen. Bei chronischen Virusinfektionen und opportunistischen Infektionen ist eine TNF-α-hemmende Therapie kontraindiziert. Patienten mit Tumorerkrankungen und multipler Sklerose sollten nur nach Abwägung der individuellen Risiken mit einem TNF-α-Hemmer behandelt werden.

Adalimumab, Certolizumab, Golimumab und Infliximab sind monoklonale Antikörper; sie binden und neutralisieren TNF-α. Adalimumab wird als Fertigspritze mit 40 mg alle 14 Tage subkutan gespritzt. Certolizumab wird aufdosiert (400 mg nach 0, 2, 4 Wochen) und dann mit 200 mg in 2-wöchentlichen Abständen subkutan appliziert. Golimumab wird mit 50 mg einmal im Monat subkutan gespritzt.

Infliximab wird aufdosiert mit einer Infusion in Woche 0, 2 und 6; die weitere Behandlung erfolgt in 8-wöchigen Infusionsintervallen. Die Dosis beträgt 3 mg/kg Körpergewicht, eine Dosissteigerung auf 5 mg/kg ist in Einzelfällen möglich. Bei akuten Infusionsreaktionen muss die Infusion verlangsamt oder unterbrochen werden. Nach Abklingen der Symptome kann die Infusion mit geringerer Geschwindigkeit wieder gestartet werden. Etanercept ist ein Fusionsprotein mit einem humanen TNF-Rezeptor. Es wird in Form einer Fertigspritze mit 25 mg 2-mal bzw. 50 mg 1-mal wöchentlich appliziert.

Die Wirkung der monoklonalen TNF-α-Hemmer setzt jeweils nach 2 bis 3 Wochen ein und kann nach 8 bis 12 Wochen überprüft werden. Die Entzündungsparameter, Blutbild, GPT und Creatinin sollten initial 14-täglich, dann nach klinischem Ermessen bestimmt werden. Wichtig sind Anamnese und Klinik von akuten Infektionen. Unter einer TNF-α-Therapie kann sehr selten ein Lupus-ähnliches Syndrom auftreten, dann muss die Therapie abgesetzt werden. Laborklinische Autoimmunphänomene wie positive ANA (antinukleäre Antikörper) treten hingegen häufiger auf, ohne klinisches Korrelat sind sie ohne Bedeutung. Bei einer moderaten bis schweren Herzinsuffizienz (NYHA III–IV) sollten Adalimumab, Certolizumab, Golimumab und Infliximab nicht angewandt werden.

Biologika mit einem anderen Wirkprinzip

Abatacept hemmt die Aktivierung von T-Lymphozyten. Es wird mit 10 mg/kg Körpergewicht intravenös einmal im Monat verabreicht (initial in Woche 0, 2 und 4). Alternativ kann Abatacept als Fertigspritze mit 125 mg subkutan 1-mal/Woche appliziert werden. Eine einmalige Infusion als „loading dose“ wird im Zulassungstext empfohlen. Abatacept ist in Kombination mit Methotrexat zugelassen. Die Infektions- und Tuberkuloserichtlinien der TNF-α-Hemmer gelten gleichermaßen für Abatacept, vergleichbar sind auch die klinischen und laborchemischen Verlaufskontrollen (Tab. 3). Da Infusionsreaktionen möglich sind, sollten die Patienten bis eine Stunde nach Abschluss der Infusion überwacht werden.

Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor. Es wird mit 8 mg/kg Körpergewicht intravenös einmal im Monat appliziert. Die Wirkung tritt nach 4 bis 6 Wochen ein und kann nach 12 Wochen beurteilt werden. Wenn möglich sollte auch Tocilizumab mit Methotrexat kombiniert werden. Bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation von Methotrexat kann die Substanz jedoch auch monotherapeutisch eingesetzt werden, Studiendaten weisen auf eine ähnlich gute Wirkung wie bei Methotrexat-Kombination hin. Es muss bedacht werden, dass unter Tocilizumab teils schwere Veränderungen des Blutbilds und der Leberfunktionswerte auftreten können. Bei einer Thrombozytopenie (50 bis 100 Zellen x 103/µl und Neutrozytopenie (Anzahl neutrophiler Granulozyten 0,5 bis <1) sowie Transaminasenerhöhungen (>3- bis 5-Fache des Referenzwerts) muss die Tocilizumab-Therapie unterbrochen werden, bei Rückläufigkeit kann ein Versuch mit reduzierter Dosis (4 mg/kg Körpergewicht) unternommen werden. Liegen die Werte noch weiter außerhalb der Referenz, muss Tocilizumab abgesetzt werden. Neben Blutbild, Nieren- und Leberfunktion sollten auch die Lipide kontrolliert werden. Tocilizumab verändert die Lipidparameter, HDL- und LDL-Cholesterolwerte sind in den ersten Monaten nach Therapiebeginn erhöht und bleiben unter Therapie konstant. Der atherogene Index ist dabei aber nicht erhöht. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Hypertonie, Hautinfektionen und Konjunktivitis.

Bei Tocilizumab muss weiterhin berücksichtigt werden, dass die Interleukin-6-Blockade auch die Bildung des C-reaktiven Proteins in der Leber hemmt. Daher kommt es bei Patienten unter Tocilizumab-Therapie bei Auftreten einer akuten Infektion oft nur zu einem geringen CRP-Anstieg, der das Ausmaß der Infektion nicht adäquat widerspiegelt.

Unter Tocilizumab kann es zu einer vermehrten Cytochrom-P450-Produktion kommen, sodass es notwendig sein kann, die Dosierung von Medikamenten, die über das Enzym verstoffwechselt werden ( z.B. Atorvastatin, Calciumkanalblockern, Theophyllin, Cumarinen, Phenytoin, Ciclosporin oder Benzodiazepinen), individuell zu erhöhen.

Für das Vorliegen einer Tuberkulose und anderen Infektionserkrankungen sowie akuten Infektionen gelten die gleichen Richtlinien wie bei den TNF-α-Hemmern.

Wechsel auf ein anderes Biologikum

Ein Wechsel auf ein anderes Biologikum wird nach etwa drei Monaten bei fehlendem Ansprechen oder bestehender Unverträglichkeit der ersten Biologika-Therapie empfohlen. Neben den bisher genannten Substanzen kann an dieser Stelle auch Rituximab eingesetzt werden. Der Wechsel innerhalb der Gruppe der TNF-α-Hemmer kann ebenfalls erfolgreich sein, allerdings hat sich spätestens nach Erfolglosigkeit von zwei TNF-Inhibitoren eine Umstellung des Wirkprinzips als erfolgreicher erwiesen. Erfahrungen mit einem Wechsel von Abatacept oder Tocilizumab auf ein anderes Biologikum liegen noch nicht vor.

Rituximab wirkt gegen das CD20-Oberflächen-Antigen von B-Lymphozyten. Für die rheumatoide Arthritis ist Rituximab bei Patienten mit Therapieversagen oder Unverträglichkeit eines TNF-α-Hemmers zugelassen, und zwar in Kombination mit Methotrexat. Rituximab wird in einer Dosis von 1000 mg intravenös als Zyklus zweimal im Abstand von 14 Tagen verabreicht. Die Wirkung setzt nach 2 bis 8 Wochen ein und kann nach 16 bis 24 Wochen beurteilt werden. Unter Rituximab-Therapie sind keine spezifischen Laborkontrollen erforderlich, hingegen ist eine klinische Beobachtung von Infektionszeichen unbedingt notwendig. Die einsetzende Verminderung der B-Lymphozyten kann über mehrere Monate anhalten, darum ist mit einer langfristigen Immunsuppression zu rechnen. Weitere Zyklen können im Abstand von 6 bis 12 Monaten durchgeführt werden. Eine kardiovaskuläre Vorerkrankung oder eine Herzinsuffizienz (NYHA III) stellen ein erhöhtes Risiko dar, besonders beim Auftreten von Infusionsreaktionen. Bei einer schweren Herzinsuffizienz (NYHA IV) ist Rituximab kontraindiziert, ebenso bei schweren Infektionserkrankungen. Für Patienten mit einem Lymphom in der Anamnese ist Rituximab unter den Biologika die erste Wahl.

Fällt Methotrexat als Kombinationspartner für eine Biologika-Therapie aus, wird Leflunomid mit gutem klinischem Erfolg als Ersatz-Kombinationspartner verwendet. Gerade die Kombination von Rituximab mit Leflunomid hat in klinischen Studien eine sehr gute Ansprechrate gezeigt. Dies entspricht aber nicht dem Zulassungsstatus der biologischen Substanzen, sodass es sich hierbei um eine Off-Label-Therapiestrategie handelt, die in Deutschland zu Regressforderungen führen kann.

Der Interleukin-1-Rezeptorantagonist Anakinra wird bei der rheumatoiden Arthritis aufgrund seiner geringeren Wirksamkeit gegenüber den übrigen Biologika lediglich als Alternativpräparat bei multiplen Unverträglichkeiten oder bei einer Überlappung zu anderen Systemerkrankungen (z.B. Still-Syndrom), die eine bessere Ansprechrate auf Anakinra zeigen, empfohlen. Es wird täglich mit 100 mg subkutan gespritzt, dies kann vom Patienten selbst durchgeführt werden. Anakinra ist in Kombination mit Methotrexat zugelassen. Die Wirkung tritt nach etwa 2 Wochen ein und kann nach 8 bis 12 Wochen überprüft werden. Eine Neutrozytopenie und eine schwere Nierenfunktionsstörung sollten vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Auf Infektionszeichen ist zu achten, das Blutbild sollte regelmäßig kontrolliert werden. Häufige Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Einstichstelle, die meist mit Eis oder steroidhaltigen Salben lokal behandelt werden können. Abgesetzt werden muss Anakinra bei schweren allergischen Reaktionen, schweren Infektionen oder einer Neutrozytopenie <1,5×109/l.

Info 2. Was tun bei OP, Schwangerschaft, Impfungen?

  • Bei einer elektiven OP kann die Therapie mit den meisten klassischen DMARDs fortgeführt werden, für Leflunomid ist dies umstritten. Die Biologika sollten bei einem vorliegenden Infektionsrisiko als Vorsichtsmaßnahme etwa 2 Halbwertszeiten präoperativ pausiert werden. Alle Therapien können nach Abschluss der Wundheilung und bei fehlenden Infektionszeichen fortgesetzt werden.
  • Eine Schwangerschaft muss während einer rheumatologischen Basistherapie sicher verhütet werden. Die Zeitspanne, die vor Beginn und nach Ende der Therapie eingehalten werden muss, ist abhängig vom Arzneistoff und wird in den jeweiligen Fachinformationen und in den Therapieüberwachungsbögen der DGRh angegeben.
  • Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind kontraindiziert, da sie unter einer immunsuppressiven Basistherapie schwere Impfreaktionen oder Infektionen mit dem Erreger auslösen können. Impfungen mit Totimpfstoffen sind möglich, die Immunantwort kann jedoch reduziert sein. Passive Schutzimpfungen können durchgeführt werden.
  • Ausführliche Informationen werden auf der Homepage der DGRh unter www.dgrh.de/therapieempfehlungen.html zur Verfügung gestellt.

Therapierefraktäre Patienten

Es gibt einzelne Patienten, bei denen die rheumatoide Arthritis trotz Anwendung aller bisher genannten Optionen nicht ausreichend eingestellt werden kann und weiter progredient verläuft. In dieser Situation müssen weitere immunsuppressive Substanzen eingesetzt werden, die normalerweise aufgrund ihrer Nebenwirkungen nicht empfohlen werden. Dazu zählt neben den oben genannten Ausweichpräparaten noch Cyclophosphamid, das nur in Ausnahmefällen gegeben wird.

Verlaufskontrollen

Eine regelmäßige Verlaufsüberwachung der Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis ist erforderlich, um den Erfolg der gewählten Therapiestrategie zu beurteilen und sie gegebenenfalls anzupassen. Hierzu werden standardisierte Scores verwendet, die die laborchemische Entzündungsaktivität und klinische Untersuchungsbefunde zusammentragen (z.B. DAS28=Disease Activity Score mit Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit und Überprüfung von Schmerzhaftigkeit und Schwellungen an 28 Gelenken sowie einer Selbstbeurteilung des Patienten). Die Messinstrumente zur Überwachung der Krankheitsaktivität sind für ein standardisiertes Vorgehen sinnvoll, allerdings sollte im Einzelfall die klinische Beurteilung ausschlaggebend für eine Therapieumstellung sein, da einige wichtige Parameter mit den Scores nicht erfasst werden können (z.B. hoher Glucocorticoidbedarf, beim DAS28 auch C-reaktives Protein und Beteiligung der Vorfußgelenke). Es gibt aber auch Patienten, die nach einem partiellen Ansprechen nach 12 Wochen einer Therapiestrategie in den folgenden Monaten noch verzögert ein ausreichend gutes Ansprechen zeigen, sodass in diesem Fall noch abgewartet werden kann.

Engmaschige laborchemische und klinische Verlaufskontrollen sind unter jeder rheumatologischen Basistherapie notwendig, um auftretende Nebenwirkungen und Infektionen unter der immunsuppressiven Therapie zu erkennen (Tab. 2 und 3). Ausführliche substanzspezifische Informationen werden auf der Homepage der DGRh unter www.dgrh.de/therapieueberwachen.html veröffentlicht [4].

Therapiedeeskalation bei Remission

Ist der Patient unter einer Basistherapie mindestens ein halbes Jahr in Remission, das heißt, liegen keine Zeichen von Krankheitsaktivität oder einem Progress der radiologischen Strukturschäden vor, kann versucht werden, die medikamentöse Therapie zu deeskalieren. Als erstes sollten die Glucocorticoide ausgeschlichen werden. Im Anschluss können die Dosis des Biologikums reduziert oder das Applikationsintervall verlängert werden. Hält die Remission an, kann bei einigen Patienten die Biologika-Therapie ganz beendet werden. Die klassische DMARD-Therapie sollte als letztes Medikament und nur bei Patienten mit einer nachhaltigen Remission ausgeschlichen werden, da die Krankheitsaktivität jederzeit wieder aufflammen kann. Tritt dieser Fall ein, wird die zuletzt bestehende Basistherapie sofort wieder begonnen; in den meisten Fällen kann dadurch erneut eine ausreichend gute Einstellung der rheumatoiden Arthritis erzielt werden.

Fazit

Durch die Entwicklung der Biologika haben sich die medikamentösen Therapieoptionen der rheumatoiden Arthritis enorm erweitert, außerdem haben moderne Strategien beim Einsatz der Medikamente zum Fortschritt beigetragen [1, 5]. Bei vielen Patienten kann eine Krankheitsremission oder zumindest eine gute Kontrolle der Krankheitsaktivität erreicht werden. Dadurch konnten in den letzten Jahren die strukturellen und funktionalen Folgeschäden der rheumatoiden Arthritis deutlich reduziert werden. Nachdem jahrelang eine wiederholte Therapieeskalation notwendig war, kann heute durch frühzeitigen Therapiebeginn mit hochwirksamen Substanzen das Therapieziel der Remission erreicht werden. Eine langfristige Therapiedeeskalation erscheint zumindest in einigen Fällen möglich. Mitentscheidend für den optimalen Therapieerfolg ist die rechtzeitige Strategie des Vorgehens in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis.

Info 3. S1-Leitlinie 2012: Was ist neu?

  • Mit Certolizumab und Golimumab stehen neben den ersten TNF-α-Hemmern Adalimumab, Etanercept und Infliximab jetzt fünf Arzneistoffe dieser Gruppe für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung.
  • Tocilizumab und Abatacept sind auch als „First-Line“-Therapie für die rheumatoiden Arthritis zugelassen und können wie die TNF-α-Hemmer nach unzureichender Wirkung einer klassischen DMARD-Therapie eingesetzt werden.
  • Tocilizumab kann auch in Monotherapie (ohne Methotrexat) verwendet werden, weil es in Studien eine vergleichbare Wirksamkeit wie in Kombination mit MTX gezeigt hat.
  • Rituximab kann nach Versagen oder Unverträglichkeit eines TNF-α-Hemmers eingesetzt werden.
  • Mit Hilfe frühzeitiger Therapiestrategien ist eine Remission der rheumatoiden Arthritis möglich. Eine vorsichtige Therapiedeeskalation kann bei langanhaltender Remission versucht werden.

Interessenkonflikterklärung

Die Autoren weisen auf folgende Beziehungen hin: K. A.: Vortragshonorare von Abbvie; K. K.: Vortrags- und/oder Beratungshonorare von: Abbvie, BMS, MSD, Mundipharma, Pfizer, UCB, Roche

Literatur

1. Krüger K, Wollenhaupt J, Albrecht K, et al. S1-Leitlinie der DGRh zur sequenziellen medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis 2012: adaptierte EULAR Empfehlungen und aktualisierter Therapiealgorithmus. Z Rheumatol 2012;71:592–603.

2. Smolen JS, Landewe R, Breedveld FC, et al. EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs. Ann Rheum Dis 2010;69:964–75.

3. Albrecht K, Krüger K, Müller-Ladner U, Wollenhaupt J. Systematische Literaturrecherche für die S1-Leitlinie zur stadienadaptierten medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis. Z Rheumatol 2012;71:604–18.

4. www.dgrh.de/therapieueberwachen.html

5. Schneider M, Krüger K. Rheumatoide Arthritis – Frühdiagnose und Krankheitskontrolle. Dtsch Arztebl 2013;110:477–84.

Dr. Katinka Albrecht, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Köpenicker Straße 48/49, 10179 Berlin, E-Mail: katinkaalbrecht@dgrh.de

Prof. Dr. Klaus Krüger, Praxiszentrum, St. Bonifatius, St. Bonifatiusstraße 5, 81541 München

Medical treatment of rheumatoid arthritis

The German Society of Rheumatology approved new guidelines for the sequential medical treatment of rheumatoid arthritis. The article summarizes the recommendations and describes the main pharmacological characteristics of the substances in their clinical practice.

Key words: Rheumatoid arthritis, disease modifying antirheumatic drugs, biological agents

Arzneimitteltherapie 2013; 31(09)