Hans-Peter Lipp, Tübingen
In den letzten 15 Jahren hat die „zielgerichtete“ (targeted) Therapie in der klinischen Onkologie kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Inzwischen zählen die monoklonalen Antikörper Rituximab (MabThera®) und Trastuzumab (Herceptin®) zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Tumortherapeutika. Dabei waren es zum einen die Studienergebnisse zur Verbesserung des Gesamtüberlebens in den jeweiligen Indikationen, zum anderen deren gute Verträglichkeit, die diese Entwicklung maßgeblich bestimmten. So ist Rituximab (MabThera®) inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil in der Behandlung des Non-Hodgkin-Lymphoms (NHL), der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) und der rheumatoiden Arthritis geworden (Tab. 1), während Trastuzumab als Mittel der ersten Wahl bei der adjuvanten und palliativen Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms einzustufen ist (Tab. 2) [4, 5, 12]. Allerdings wird es zunehmend zur organisatorischen Herausforderung, die Fülle komplexer Therapieoptionen in der Onkologie bei gleichzeitig steigenden Patientenzahlen ambulant in Praxis oder Klinik intravenös zu applizieren. Es ist daher nicht überraschend, dass in den letzten Jahren bei verschiedenen Tumortherapeutika die Möglichkeit geprüft wurde, ob sie oder verwandte Therapieprinzipien nicht nur intravenös, sondern auch subkutan oder oral verabreicht werden können. Bei den monoklonalen Antikörpern war es vor allem der Anti-CD52-Antikörper Alemtuzumab (früher als MabCampath®), mit dem eindrucksvoll gezeigt werden konnte, dass eine subkutane Gabe bei gleicher Wirksamkeit und Verträglichkeit sehr gut möglich ist. Bei Bortezomib (Velcade®) bringt die subkutane Applikation sogar signifikante Verbesserungen der Verträglichkeit mit sich [11, 14].
Tab. 1. Rituximab (MabThera®) – Anwendungsgebiete, Dosierungsempfehlungen und Hinweise zur Prämedikation im Überblick (Angaben sind der aktuell gültigen Fachinformation entnommen, Stand 09/2013)
Diagnose |
Anwendungsgebiet |
Dosierung* |
Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) |
Kombination mit einer Chemotherapie für die Erstbehandlung von Patienten mit follikulärem Lymphom im Stadium III–IV |
375 mg/m² i.v. pro Zyklus |
Erhaltungstherapie beim rezidivierenden/refraktären follikulären Lymphom nach Ansprechen auf eine Induktionstherapie |
Alle 2 bis 3 Monate bis zum Progress oder maximal 2 Jahre |
|
CD20-positives, diffuses großzelliges B-Zell-NHL in Kombination mit CHOP |
375 mg/m² i.v. pro Zyklus (8 Zyklen) |
|
Monotherapie beim follikulären Lymphom im Stadium III–IV bei Chemotherapie-Resistenz oder Rezidiven nach einer Chemotherapie |
375 mg/m² i.v. einmal wöchentlich über einen Zeitraum von 4 Wochen |
|
Chronische lymphatische Leukämie (CLL) |
Erstbehandlung in Kombination mit einer Chemotherapie |
375 mg/m² i.v. (1. Zyklus), gefolgt von 500 mg/m² i.v. in den Folgezyklen (jeweils Tag 1 nach Chemotherapie) |
Rheumatoide Arthritis (RA) |
In Kombination mit Methotrexat (MTX) bei schwerer aktiver RA und ungenügendem Ansprechen auf andere krankheitsmodifizierende Antirheumatika und Tumornekrosefaktor-Blocker |
Zwei i.v. Infusionen zu je 1000 mg (absolut) im Abstand von 2 Wochen |
*Empfohlene Infusionsgeschwindigkeit:
- Initial (1. Infusion): 50 mg/h, die nach den ersten 30 Minuten stufenweise alle 30 Minuten um 50 mg/h auf einen Höchstwert von 400 mg/h gesteigert werden kann.
- Weitere Infusionen können mit einer initialen Infusionsgeschwindigkeit von 100 mg/h gestartet werden, die im weiteren Verlauf in Abständen von 30 Minuten um 100 mg/h auf einen Höchstwert von 400 mg/h gesteigert werden kann. Vor jeder Infusion sollte eine Prämedikation mit einem Antipyretikum (z.B. Paracetamol) und einem H1-Antihistaminikum (z.B. Diphenhydramin) erfolgen. Zur Verringerung akuter Infusionsreaktionen wird 30Minuten vor Anwendung von Rituximab die Gabe von 100 mg Methylprednisolon empfohlen.
Tab. 2. Trastuzumab zur i.v. Anwendung (Herceptin® 150 mg) – Anwendungsgebiete und Dosierungsempfehlungen (Angaben sind der aktuell gültigen Fachinformation entnommen, Stand 09/2013)
Tumor |
Anwendungsgebiet |
Dosisempfehlungen |
Brustkrebs |
Metastasiertes Stadium mit HER2-Überexpression als Monotherapie (nach Cyclophosphamid-Vorbehandlung) bzw. Kombination mit Paclitaxel bei nicht vorbehandelten Patientinnen |
1-wöchentliche Anwendung: Erstinfusion: 4 mg/kg KG Folgeinfusionen: 2 mg/kg KG/Woche bis zum Progress; |
Im Frühstadium nach Operation und nach/zur (neo)adjuvanten Chemotherapie/Strahlentherapie und HER2-Überexpression |
3-wöchentliche Anwendung: Erstinfusion: 8 mg/kg i.v. (als Infusion über 90 min) Folgeinfusionen: 6 mg/kg i.v. alle 3 Wochen (als Infusion über mindestens 30 min) |
|
Magenkarzinom |
Nicht vorbehandeltes HER2-positives, metastasiertes Adenokarzinom (Magen oder gastroösophagaler Übergang) in Kombination mit Capecitabin bzw. Fluorouracil plus Cisplatin |
3-wöchentliche Anwendung: Erstinfusion: 8 mg/kg i.v. (als Infusion über 90 min) Folgeinfusionen: 6 mg/kg i.v. alle 3 Wochen (als Infusion über mind. 30 min) bis zum Progress |
Bei der besonderen therapeutischen Bedeutung der beiden monoklonalen Antikörper Rituximab und Trastuzumab in der klinischen Onkologie war es deshalb folgerichtig, die mögliche Option einer subkutanen Applikation auf ihre Machbarkeit hin zu prüfen. Im Gegensatz zu Alemtuzumab wurde jedoch schnell klar, dass die zu applizierenden Absolutdosen nicht in ein Gesamtvolumen von etwa 1,0 ml eingebracht werden können. So kam es schließlich zur Entwicklung einer Formulierung, in der die konzentrierte antikörperhaltige Lösung mit dem rekombinant hergestellten Enzym Hyaluronidase (s. unten) kombiniert wurde, sodass die Applikation eines größeren Volumens in Aussicht gestellt werden konnte [1, 6]. Inzwischen liegen die ersten Phase-III-Studienergebnisse der HannaH- und SABRINA-Studie vor, in denen zum einen Trastuzumab, zum anderen Rituximab in beiden Applikationsarten indikationsspezifisch auf die jeweilige Wirksamkeit, Verträglichkeit und klinische Pharmakokinetik untersucht wurden (Tab. 3) [2, 8].
Tab. 3. Dosierung und Anwendung von Rituximab i.v. bzw. s.c. und Trastuzumab i.v. bzw. s.c. auf der Basis der SABRINA- und HannaH-Studie [mod. nach 2, 8]
Rituximab |
Trastuzumab |
|||
Krankheitsbild |
Follikuläre Lymphome (Erstlinientherapie) |
Brustkrebs im Frühstadium (neo)adjuvante Therapie |
||
Applikationsart |
Intravenös |
Subkutan |
Intravenös |
Subkutan |
Dosierung |
375 mg/m² q3w |
1400 mg (abs.) q3w |
8 mg/kg (initial) 6 mg/kg (Erhaltung) q3w |
600 mg (abs.) q3w |
Applikationsvolumen |
250 (–500) ml |
ca. 12 ml |
250 (–500) ml |
5 ml |
Applikationsdauer |
Ab 2. Infusion: Initial 100 mg/h allmähliche Erhöhung auf max. 400 mg/h |
5 min |
30–90 min |
5 min |
Hilfsstoff |
NaCl, Natriumcitrat, Polysorbat 80 |
Zusätzlich 10000 Einheiten rHuPH20 |
L-Histidin (HCl), Trehalose, L-Methionin, Polysorbat 20 |
Zusätzlich 10000 Einheiten rHuPH20 |
Injektionsstelle |
i.v. Zugang |
Abdomen |
i.v. Zugang |
Oberschenkel |
rHuPH20: rekombinante humane Hyaluronidase; q3w: alle 3 Wochen; abs.: absolut
Einsatz der Hyaluronidase
Der subkutanen Applikation eines Arzneistoffs sind verschiedene Grenzen gesetzt. Dabei spielt das Glykosaminglykan Hyaluronsäure der extrazellulären Matrix im subkutanen Gewebe eine wichtige Rolle, da es die Gewebestruktur stabilisiert und damit eine rasche Absorption größerer Volumina, die subkutan gegeben werden, verhindert. Wird allerdings das Enzym Hyaluronidase gleichzeitig subkutan verabreicht, so wird die Hyaluronsäure lokal rasch abgebaut, sodass selbst Injektionsvolumina von bis zu 12 ml relativ schnell aufgenommen werden können. Da das viskoelastische Glykosaminglykan eine physiologische Halbwertszeit von etwa 15 bis 20 Stunden aufweist, wird es nach Hyaluronidase-Exposition relativ rasch wieder nachgebildet [1, 6].
Mit Hylenex® (Fa. Halozyme) steht in den USA schon seit geraumer Zeit eine rekombinant hergestellte Hyaluronidase handelsüblich zur Verfügung. Die therapeutische Sicherheit von Hyaluronidase gilt seit über 60 Jahren als belegt, die Entscheidung hin zu einem rekombinanten Produkt soll das Risiko möglicher Überempfindlichkeitsreaktionen weiter minimieren, da Produkte tierischen Ursprungs immer das Risiko von Verunreinigungen mit sich bringen können [7].
Dosisfindungen zur subkutanen Gabe
Präklinische und Phase-I-Studienergebnisse konnten relativ schnell zeigen, dass eine vergleichsweise hohe absolute Bioverfügbarkeit (f ≥80%) von Trastuzumab nach subkutaner Gabe bei Dosen von beispielsweise 600 mg absolut in Verbindung mit rekombinanter Hyaluronidase erwartet werden kann [3]. Dagegen erwiesen sich die pharmakokinetischen Ausgangsvoraussetzungen beim Anti-CD20-Antikörper Rituximab als insgesamt komplexer.
Aus Tierexperimenten ist bekannt, dass Rituximab, wenn es an verschiedenen Stellen (Abdomen, Rücken, Pfote) subkutan injiziert wird, bei der niedrigeren Dosis von 1 mg/kg eine höhere absolute Bioverfügbarkeit hat (etwa 70%) als mit einer Dosis von 10 mg/kg (f = 31–44%) (jeweils im Vergleich zur i.v. Gabe), wobei die höchsten Konzentrationen im Blut nach Applikation in das Abdomen erreicht werden konnten [10]. Durch die gemeinsame Verabreichung des Antikörpers mit rekombinanter Hyaluronidase lässt sich wiederum ein signifikanter Anstieg der Bioverfügbarkeit um das etwa 1,6-Fache erreichen, selbst wenn präklinisch eine Dosis von 10 mg/kg subkutan verabreicht wurde. Die in der SABRINA-Studie zugrunde gelegte Dosis von 1400 mg absolut trägt diesen präklinischen Erfahrungen Rechnung, allerdings sind andere Absolutdosen zu erwarten, wenn der monoklonale Antikörper zur subkutanen Therapie der CLL (Tab. 1) geprüft werden wird.
HannaH-Studie
Die HannaH-Studie wurde als randomisierte, multizentrische offene Phase-III-Studie konzipiert, in der Patientinnen mit HER2-positivem, primär operablem, lokal fortgeschrittenem oder inflammatorischem Mammakarzinom eingeschlossen wurden, die den Antikörper Trastuzumab (neo)adjuvant erhalten sollten. Das Studiendesign sah vor, dass entweder initial 8 mg/kg i.v. Trastuzumab gefolgt von 6 mg/kg i.v. als Erhaltungsdosis alle drei Wochen (n=263) oder ausschließlich 600 mg als Fixdosis subkutan alle drei Wochen (n=260) appliziert werden sollten. Dabei wurde geprüft, ob der humanisierte monoklonale Antikörper im Rahmen einer subkutanen Gabe von 600 mg Trastuzumab als Fixdosis einer zulassungskonformen, körpergewichtsadaptierten, intravenösen Gabe nicht unterlegen war.
Die (neo)adjuvante Chemotherapie bestand aus vier Zyklen Docetaxel 75 mg/m² i.v., gefolgt von vier Zyklen Fluorouracil 500 mg/m², Epirubicin 75 mg/m² und Cyclophosphamid 500 mg/m² alle drei Wochen. Nach erfolgter operativer Tumorentfernung wurde die Trastuzumab-Gabe in beiden Studienarmen fortgesetzt, bis insgesamt ein Jahr Therapiedauer erreicht war.
Die Auswertungen der Wirksamkeit zum Zeitpunkt der Operation ließen keinen Unterschied in den jeweiligen Raten an pathologisch kompletten Remissionen (pCR) zwischen den beiden Applikationsarten erkennen (Tab. 4). Darüber hinaus waren auch keine Verträglichkeitsunterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen zu beobachten (Tab. 5). Auch die Wirkstoffkonzentrationen (Talspiegel) am Ende des 7. Zyklus waren zwischen der subkutanen und intravenösen Anwendung vergleichbar (Tab. 6). Dabei ist vor allem bemerkenswert, dass der aus Xenograft-Modellen ermittelte Cmin-Wert – als Sollwert – von etwa 20 µg/ml durch die subkutane Gabe in keinem Fall unterschritten wurde [8].
Bemerkenswert waren in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse einer Patientenbefragung (PrefHer-Studie), in der Patientinnen angeben sollten, welche Applikationsart sie selbst bevorzugten, nachdem sie im Rahmen eines Cross-over-Designs den Antikörper intravenös und subkutan erhalten hatten. Dabei zeigte sich, dass über 90% der Studienpatientinnen die subkutane Applikationsart eindeutig präferierten, da sie insbesondere die Möglichkeit der kürzeren (5 min vs. 30 bis 90 min) und schmerzfreieren Applikation sowie den Verzicht auf einen intravenösen Zugang (z.B. Port-System), der immer wieder mit Unannehmlichkeiten verbunden sein kann, als deutlichen Vorteil werteten (Tab. 7) [13].
Tab. 4. Zusammenfassung der Ergebnisse zur klinischen Wirksamkeit von Trastuzumab i.v. und s.c. (HannaH-Studie) im Überblick [mod. nach 8]
Parameter |
Trastuzumab i.v. (n=260) |
Trastuzumab s. c. (n=258) |
Gesamtansprechen |
88,8% |
87,2% |
|
21,2% |
21,7% |
|
40,7% |
45,4% |
|
67,7% |
65,5% |
Stabilisierung (SD) |
3,8% |
6,2% |
Tumorprogression |
1,9% |
2,3% |
Nicht auswertbar |
5,4% |
4,3% |
Mediane Zeit bis zum Ansprechen [Wochen] |
6,0 (3–25) |
6,0 (2–28) |
Tab. 5. Eckdaten zum Sicherheitsprofil von Trastuzumab i.v. versus s.c. (HannaH-Studie) im Vergleich [mod. nach 8]
Unerwünschte Ereignisse (UE) |
Trastuzumab i.v. (n=298) |
Trastuzumab s.c. (n=297) |
Alle Schweregrade |
93,9% |
97,3% |
Mind. 1 UE Grad ≥3 |
52,0% |
51,9% |
|
33,2% |
29,0% |
|
3,4% |
5,7% |
|
2,7% |
2,7% |
|
1,7% |
<1% |
|
1,0% |
<1% |
|
1,0% |
<1% |
Die Angaben zu den unerwünschten Ereignissen und ihrer Häufigkeit beinhalten auch unerwünschte Begleiterscheinungen (z.B. febrile Neutropenie), die durch eine gleichzeitig verabreichte Chemotherapie induziert wurden.
ALT: Alanin-Aminotransferase
Tab. 6. Trastuzumab i.v. versus s.c. (HannaH-Studie) – klinisch-pharmakokinetische Eckdaten im Vergleich [mod. nach 8]
Parameter |
Trastuzumab i.v. (n=235) |
Trastuzumab s. c. (n=234) |
Talspiegel (Cmin) vor Zyklus 8 Mittelwert [µg/ml] |
57,8±30,3 |
78,7±43,9 |
Patienten mit Cmin>20µg/ml |
98,7% |
97,0% |
Spitzenspiegel (Cmax) in Zyklus 7 [µg/ml] |
221±118,0 |
149±64,8 |
Zeit bis zur Cmax in Zyklus 7 [Tage] |
0,05±0,04 |
4,12±2,91 |
Mittlere AUC0–21d (µg/ml×d) |
2056±598 |
2268±875 |
AUC: Area under the Curve
Tab. 7. Präferenz der Patientinnen: Adjuvante Gabe von Trastuzumab i.v. und s.c. im Vergleich – Ergebnisse der PrefHer-Studie [mod. nach 13]
Gesamt (n=236) |
de-novo* (n=117) |
Nicht de-novo* (n=119) |
|
i.v. Anwendung bevorzugt |
6,8% |
4,3% |
9,2% |
s.c. Anwendung bevorzugt |
91,5% |
95,7% |
87,4% |
Keine Präferenz |
1,7% |
0% |
3,4% |
*de novo: keine intravenöse Anwendung von Trastuzumab in der Anamnese
SABRINA-Studie
In der Phase-III-Studie SABRINA werden insgesamt 530 Patienten mit neu diagnostiziertem und behandlungsbedürftigem follikulärem Lymphom mit dem Standard-Regime R-CHOP oder R-CVP alle drei Wochen über insgesamt acht Zyklen behandelt. Dabei erhielten die Patienten den Anti-CD20-Antikörper Rituximab nach einer erstmalig intravenösen Therapie entweder intravenös oder subkutan über weitere sieben Zyklen, gefolgt von einer Erhaltungstherapie – ebenfalls randomisiert s.c. oder i.v. – alle zwei Monate über zwei Jahre. Da die absolute Bioverfügbarkeit des chimären monoklonalen Antikörpers im Rahmen einer subkutanen Gabe bei etwa 50% liegt, wurde eine Absolutdosis von 1400 mg Rituximab s.c. mit 375 mg/m² Rituximab i.v. alle drei Wochen auf Nichtunterlegenheit geprüft.
Inzwischen liegt die Auswertung der ersten 127 Patienten zur vergleichenden Wirksamkeit, Verträglichkeit und klinischen Pharmakokinetik vor. Diese Zwischenanalyse konnte verdeutlichen, dass die subkutane Gabe mit mindestens vergleichbaren Ansprechraten verbunden ist. Die komplette Remissionsrate war bei subkutaner Gabe gegenüber der intravenösen Gabe sogar höher (Tab. 8). Mit Spannung dürfen deshalb die Ergebnisse der noch ausstehenden Patientenbefragung erwartet werden. Auch die Verträglichkeit ließ bisher keine Nachteile der subkutanen Wirkstoffapplikation erkennen. Die erwarteten lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle waren in keinem Fall schwerwiegend oder mit einem vorzeitigen Therapieabbruch verbunden (Tab. 9).
Bei den pharmakokinetischen Analysen nach dem 7. Zyklus war auffällig, dass die Talspiegel (Cmin-Werte) im Rahmen der gewählten subkutanen Absolutdosen im Mittel etwa 1,8-fach höher lagen als mit der konventionellen intravenösen Dosierung (134,6 µg/ml versus 83,1 µg/ml). Auch die Area-under-the-Curve-Werte (AUC-Werte) waren in Verbindung mit der subkutanen Formulierung im Mittel etwa 1,3-fach höher [2].
Tab. 8. Klinische Wirksamkeit in Verbindung mit Rituximab i.v. bzw. s.c. in der Erstlinientherapie zur Behandlung follikulärer Lymphome (Angaben stammen aus der Zwischenauswertung der SABRINA-Studie) [mod. nach 2]
Parameter |
Rituximab i.v. + CTX (n=64) |
Rituximab s. c. + CTX (n=63) |
Gesamtansprechrate |
54 (84,4%) |
57 (90,5%) |
Komplettes Ansprechen |
19 (29,7%) |
29 (46,0%) |
Partielles Ansprechen |
35 (54,7%) |
28 (44,4%) |
Stabilisierung (SD) |
3 (4,7%) |
2 (3,2%) |
Tumorprogression |
1 (1,6%) |
0 (0,0%) |
Nicht auswertbar |
6 (9,4%) |
4 (6,3%) |
CTX: Chemotherapie
Tab. 9. Unerwünschte Ereignisse in Verbindung mit Rituximab i.v. bzw. s.c. in der Erstlinientherapie zur Behandlung follikulärer Lymphome [mod. nach 2]
Unerwünschte Ereignisse |
Rituximab i.v. + CTX (n=65) |
Rituximab s.c. + CTX (n=62) |
Alle Schweregrade |
57 (88%) |
57 (92%) |
Applikations-assoziiert |
21 (32%) |
31 (50%) |
Grad ≥3 |
30 (46%) |
29 (47%) |
|
8 von 16 15 von 27 7 von 21 |
15 von 26 7 von 15 7 von 21 |
CTX: Chemotherapie; BSA: Körperoberfläche
Diskussion
Ende August 2013 hat die Europäische Kommission auf Empfehlung des CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) Herceptin® 600 mg/5 ml Injektionslösung zur subkutanen Anwendung bei HER2-positivem Brustkrebs zugelassen, unabhängig davon, ob eine (neo)adjuvante Behandlung oder die Therapie eines fortgeschrittenen, metastasierten Mammakarzinoms erfolgt. Mit seiner Zulassungsempfehlung trug der Ausschuss für Humanarzneimittel den Ergebnissen der HannaH-Studie Rechnung. Mit der neuen Applikationsart wird in der Erhaltungstherapie aber auch der Verzicht auf einen intravenösen Zugang in Aussicht gestellt und die Verkürzung der Verweildauer im Rahmen der ambulanten Behandlung ermöglicht, da nunmehr erfahrungsgemäß im Mittel nur noch 3,3 Minuten für die Applikation des Antikörpers anfallen. Unter pharmakoökonomischen Gesichtspunkten fällt auf, dass der Netto-Abgabepreis des Herstellers (ApU) für Herceptin® 600 mg/5 ml von rund 2000 Euro nicht höher liegt, als es bisher für drei Ampullen Herceptin® 150 mg zur intravenösen Anwendung, beispielsweise 6 mg/kg i.v. bei einer Patientin mit 75 kg KG, üblich war, sodass für das Gesundheitssystem keine Mehrkosten durch die häufigere Anwendung der subkutanen Darreichungsform zu erwarten sind.
Inzwischen befindet sich auch ein Medizinprodukt zur Selbstapplikation von Trastuzumab in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium.
Dieser galenische Fortschritt war nur durch die Integration des Enzyms Hyaluronidase (rHuPH20) in die Formulierung möglich (Halozyme-Technologie), denn ohne die reversible lokale Degradation der extrazellulären Matrix wäre die Gabe eines Injektionsvolumens von 5 ml nicht realisierbar gewesen.
Ähnliche Vorzeichen gelten auch für die subkutane Applizierbarkeit des Anti-CD20-Antikörpers Rituximab:
- Applikation einer Fixdosis anstelle einer Dosierung nach Körperoberfläche des Patienten
- Eine Verkürzung der Applikationsdauer auf etwa fünf Minuten anstelle von mehreren Stunden im Rahmen einer i.v. Applikation
- Berücksichtigung der Halozyme-Technologie, um bis zu 12 ml Injektionsvolumen in der Praxis umsetzen zu können.
Die Zwischenergebnisse der SABRINA-Studie sind sehr vielversprechend, da sie zeigen, dass die subkutane Gabe von 1400 mg als Fixdosis bei NHL-Patienten mindestens genauso wirksam und gut verträglich war wie die zulassungskonforme intravenöse Dosierung des monoklonalen Antikörpers pro Quadratmeter Körperoberfläche. Entstehen den Kostenträgern hierdurch keine Mehrkosten, so wird man ähnlich wie bei Trastuzumab in der klinischen Praxis die Vorteile der subkutanen Applizierbarkeit auch für Rituximab beim NHL nutzen wollen. Andere Indikationsgebiete, wie die CLL, bedürfen allerdings noch weitergehender Untersuchungen, da sich die intravenösen Erhaltungsdosen von Rituximab bei CLL von denen in der NHL-Behandlung unterscheiden.
Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich die positiven Erfahrungen, die im Rahmen der subkutanen Applikation von Trastuzumab gewonnen wurden, auf den klinischen Alltag der Behandlung von Patientinnen mit Brustkrebs übertragen lassen. Beispiele wie Alemtuzumab, Bortezomib und Cladribin in der klinischen Onkologie, aber auch Abatacept und polyvalente Immunglobuline in der Rheumatologie/Immunologie haben bereits gezeigt, dass die subkutane Applikationsart heute aus modernen Therapien nicht mehr wegzudenken ist.
Interessenkonflikterklärung
Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
1. Bookbinder LH, Hofer A, Haller MF, et al. A recombinant human enzyme for enhanced interstitial transport of therapeutics. J Control Release 2006;114:230–41.
2. Davies A, Merli F, Mihaljevic B, et al. Pharmacokinetics, safety, and overall response rate achieved with subcutaneous administration of rituximab in combination with chemotherapy were comparable with those achieved with intravenous administration in patients with folicular lymphoma in the first-line setting: Stage 1 results of the phase 3 SABRINA study (BO22334). Cancer Research UK Centre.
3. Hoffmann-La Roche (data on file) 2011.
4. Gianni L, Eiermann W, Semiglazov V, et al. Neoadjuvant chemotherapy with trastuzumab followed by adjuvant trastuzumab versus neoadjuvant chemotherapy alone, in patients with HER2-positive locally advanced breast cancer (the NOAH trial): a randomised controlled superiority trial with a parallel HER2-negative cohort. Lancet 2010;375:377–84.
5. Griffin MM, Morley N. Rituximab in the treatment of non-Hodgkin’s lymphoma – a critical evaluation of randomized controlled trials. Expert Opin Biol Ther 2013;13:803–11.
6. Haller MF. Converting intravenous dosing to subcutaneous dosing with recombinant human hyaluronidase. Pharm Tech 2007;10:861–4.
7. Halozyme Therapeutics. Prescribing information: Hylenex recombinant (hyaluronidase human injection) 150 USP units/ml, single dose vial. Initial U.S. approval 2005.
8. Ismael G, Hegg R, Muehlbauer S, et al. Subcutaneous versus intravenous administration of (neo)adjuvant trastuzumab in patients with HER2-positive, clinical stage I–III breast cancer (HannaH study): a phase 3, open-label, multicentre, randomised trial. Lancet Oncol 2012;13:869–78.
9. Kagan L, Mager DE. Mechanisms of subcutaneous absorption of rituximab in rats. Drug Metab Dispos 2013;41:248–55.
10. Kagan L, Turner MR, Balu-Iyer SV, et al. Subcutaneous absorption of monoclonal antibodies: role of dose, site of injection, and injection volume on rituximab pharmacokinetics in rats. Pharm Res 2012;29:490–9.
11. Mateos MV, San Miguel JF. Safety and efficacy of subcutaneous formulations of bortezomib versus the conventional intravenous formulation in multiple myeloma. Ther Adv Hematol 2012;3:117–24.
12. National Comprehensive Cancer Network. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. Breast Cancer; Version I.2012 www.nccn.org (Zugriff am 11. Februar 2012).
13. Pivot X, Gligorow J, Müller V, et al. Preference for subcutaneous or intravenous administration of trastuzumab in patients with HER2-positive early breast cancer (PrefHer): an open-label randomised study. Lancet Oncol 2013;14:962–70.
14. Stilgenbauer S, Zenz T, Winkler D, et al. Subcutaneous alemtuzumab in fludarabine-refractory chronic lymphocytic leukemia: Clinical results and prognostic marker analyses from the CLL2H study of the German Chronic Lymphocytic Leukemia Study Group. J Clin Oncol 2009;27:3994–4001.
15. Wynne C, Vernon H, Schwabe C, et al. Comparison of subcutaneous and intravenous administration of trastuzumab: A phase I/Ib trial in healthy male volunteers and patients with HER2-positive breast cancer. J Clin Pharmacol 2012;20:1–10.
Dr. Hans-Peter Lipp, Apotheke des Universitätsklinikums Tübingen, Röntgenweg 9, 72076 Tübingen, E-Mail: Hans-Peter.Lipp@med.uni-tuebingen.de
Subcutaneous administration of rituximab and trastuzumab: Clinical study results and patient preference – an overview
Very recently, Herceptin 600 mg/5 ml injection solution has been approved offering the option to administer the monoclonal antibody subcutaneously in a fixed dose of 600 mg every three weeks in patients with breast cancer. According to phase III study results and patient surveys, the novel drug administration form can be categorized to be safe, well tolerated and bioequivalent to the intravenous route. Based on the underlying Halozyme technology including recombinant human hyaluronidase as an excipient, clinical trial programs have been meanwhile expanded to the anti-CD20 monoclonal antibody rituximab. Interim analysis indicates that subcutaneous fixed dose rituximab can be successfully used in patients with non-Hodgkin’s lymphoma, which opens a novel perspective to simplify drug administration in those patients.
Key words: Trastuzumab, Rituximab, subcutaneous, hyaluronidase, HannaH, SABRINA, PrefHer
Arzneimitteltherapie 2013; 31(10)