Fortgeschrittenes Bronchialkarzinom

Verlängertes progressionsfreies Überleben mit Afatinib bestätigt


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Bei asiatischen Patienten mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) mit EGFR-Mutationen konnte der Tyrosinkinase-Inhibitor Afatinib das progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zu der in Asien bei NSCLC standardmäßig eingesetzten Chemotherapie aus Gemcitabin und Cisplatin auf ein Jahr fast verdoppeln. Dies ergab die Phase-III-Studie LUX-Lung-6, die während der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) Anfang Juni in Chicago vorgestellt wurde [1, 2]. In der LUX-Lung-3-Studie, die im vergangenen Jahr vorgestellt worden war, hatte Afatinib auch bei Kaukasiern im Vergleich zu der in Europa überwiegend eingesetzten Kombination aus Pemetrexed und Cisplatin zu einer signifikanten Verlängerung des PFS geführt [3, 4].

Nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC) machen über 85% der 391000 in Europa jährlich neu diagnostizierten Bronchialkarzinome aus. Wegen der schlechten Prognose kommt es in Europa jährlich zu ungefähr 340000 Todesfällen, die auf Bronchialkarzinome zurückzuführen sind. In Asien sind etwa 14% aller Krebsentitäten Bronchialkarzinome, 18% aller krebsbedingten Todesfälle werden dadurch verursacht. Nachdem lange Zeit platinhaltige Chemotherapie-Protokolle in der Behandlung des NSCLC dominierten, konnten auch hier Erfolge mit zielgerichteten Therapien erreicht werden. Eine frühe Testung des Status von eventuell vorliegenden Mutationen des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR, Epidermal growth factor receptor) ist dabei ein wichtiges Instrument, um die Prognose für den Patienten zu verbessern, da bei EGFR-Mutationen Tyrosinkinase-Inhibitoren sehr gut wirksam sind. Bei 10 bis 15% der Kaukasier und rund 40% der Asiaten liegen NSCLC-Tumoren mit mutierten EGF-Rezeptoren vor. Im Gegensatz zu den beiden Tyrosinkinase-(TKI-)Inhibitoren der ersten Generation (Erlotinib, Gefitinib), die für die Therapie des NSCLC eingesetzt werden und reversible TK-Inhibitoren sind, inhibiert Afatinib irreversibel nicht nur EGFR(ErbB1)-Tyrosinkinasen, sondern auch die anderen relevanten Rezeptorkinasen der ErbB-Familie, so die des ErbB2(HER2)-, ErbB3- und ErbB4-Rezeptors.

Die LUX-Lung-6-Studie

In der multizentrischen, prospektiven LUX-Lung-6-Studie waren 364 Patienten aus China, Korea und Thailand mit fortgeschrittenem NSCLC (Stadium IIIB/IV) und positivem EGFR-Mutationsstatus aufgenommen und 2:1 randomisiert worden. Als Erstlinientherapie bekamen sie entweder täglich 40 mg Afatinib oral oder Gemcitabin/Cisplatin i.v. (Gemcitabin: 1000 mg/m2 an Tag 1 und 8; Cisplatin: 75 mg/m2 pro Zyklus; Zyklusdauer: 21 Tage; bis zu 6 Zyklen) [1]. Primärer Endpunkt war das von einem unabhängigen Komitee ermittelte progressionsfreie Überleben (PFS, Progression-free survival). Die Patienten im Afatinib-Arm lebten im Median fast ein halbes Jahr länger progressionsfrei als die Patienten der Chemotherapie-Gruppe. Das durch ein unabhängiges Gremium bestimmte mediane PFS betrug 11,0 vs. 5,6 Monate (HR =0,28; p<0,0001) (Abb. 1).

Abb. 1. Das progressionsfreie Überleben, bestimmt von unabhängigen Review-Experten, ist im Afatinib-Arm fast doppelt so lang wie im Kontrollarm; Hazard-Ratio (HR) und Konfidenzintervall (KI) beziehen sich auf das mediane Überleben (11,0 vs. 5,6 Monate) [mod. nach 1]

Objektive Ansprechraten (66,9% vs. 23,0%, p<0,0001) und Krankheitskontrolle (92,6% vs. 76,2%, p<0,0001) waren ebenfalls im Afatinib-Arm signifikant besser.

Unerwünschte Ereignisse ( Grad 3) traten bei 36% (Afatinib) bzw. 60,2% (Gemcitabin/Cisplatin) auf, dabei handelte es sich im Afatinib-Arm am häufigsten um Rash/Akne (14,6%), Diarrhö (5,4%) und Stomatitis/Mukositis (5,4%) und im Chemotherapie-Arm besonders um Neutropenie (17,7%), Erbrechen (15,9%) und Leukopenie (13,3%). Wegen unerwünschter Wirkungen brachen im Afatinib-Arm 5,9% und im Chemotherapie-Arm 39,8% der Patienten die Therapie ab.

Bestätigung des Werts dieser Daten

Die LUX-Lung-6-Studie ist nach der LUX-Lung-3-Studie nun die zweite Phase-III-Studie, die bei Patienten mit EGFR-Mutation-positivem NSCLC unter einer Therapie mit Afatinib einen signifikanten Vorteil im PFS im Vergleich zur Platin-haltigen Chemotherapie zeigen konnte. In der LUX-Lung-3-Studie, die im vergangenen Jahr erstmalig beim ASCO vorgestellt worden war, war Afatinib bei Kaukasiern mit der in Europa überwiegend eingesetzten Kombination aus Pemetrexed und Cisplatin verglichen worden [3, 4]. Auch hier hatte sich eine signifikante Verlängerung des PFS unter Afatinib gezeigt (11,1 vs. 6,9 Monate, p<0,0001). Da die EGFR-Mutation bei Asiaten deutlich häufiger vorliegt als bei Kaukasiern und besonders die NSCLC-Patienten mit Mutationen auf Tyrosinkinasehemmer ansprechen, ist die LUX-Lung-6-Studie eine wichtige Ergänzung zur LUX-Lung-3-Studie.

Quellen

1. Wu Y. L., et al. LUX-Lung 6: A randomized, open-label, phase III study of afatinib (A) versus gemcitabine/cisplatin (GC) as first-line treatment for Asian patients (pts) with EGFR mutation-positive (EGFR M+) advanced adenocarcinoma of the lung. J Clin Oncol 2013;31(Suppl): abstr. 8016.

2. Thatcher N, Wu YL, Yang J, Reck M, Stehle G. Pressekonferenz Boehringer Ingelheim: „Lung cancer: Not just one disease“, Chicago, 2. Juni 2013.

3. Yang J, et al. LUX-Lung 3: A randomized, open-label, phase III study of afatinib versus pemetrexed and cisplatin as first-line treatment for patients with advanced adenocarcinoma of the lung harboring EGFR-activating mutations. J Clin Oncol 2012;30(Suppl): abstr. LBA7500.

4. Junker A. Afatinib verlängert die Zeit bis zur Progression deutlich. Arzneimitteltherapie 2012;30:325–6.

Kurz vor Drucklegung erhielt Afatinib (Giotrif®) die europäische Zulassung für die Behandlung von EGFR-TKI-naiven erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit aktivierenden EGFR-Mutationen. Red.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(10)