Antikoagulation bei venöser Thromboembolie

Edoxaban ist Warfarin nicht unterlegen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Die venöse Thromboembolie erfordert immer eine sofortig effektive Antikoagulation. Der bisherige Standard ist die Gabe eines Heparin-Präparats überlappend mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Als mögliche Alternative kommen neue orale Antikoagulanzien in Betracht. In der HOKUSAI-VTE-Studie, deren Ergebnisse im Rahmen einer Hotline-Session auf dem diesjährigen ESC-Kongress in Amsterdam vorgestellt wurden, erwies sich der Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban gegenüber Warfarin als nicht unterlegen. Bei Patienten mit schwerer Lungenembolie war er sogar überlegen, und dies bei einem niedrigeren Blutungsrisiko.

Die venöse Thromboembolie (tiefe Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie) ist ein häufiges Krankheitsbild mit hoher Morbidität und Mortalität. 30% aller betroffenen Patienten versterben unbehandelt innerhalb eines Monats nach Diagnosestellung und jeder vierte Patient mit einer Lungenembolie erleidet einen akuten Herztod. Europaweit versterben jährlich 370000 Patienten an einem solchen thromboembolischen Ereignis.

Bisherige Standardtherapie

Die venöse Thromboembolie erfordert immer eine sofortige effektive Antikoagulation. Der bisherige Standard umfasst die Gabe eines Heparin-Präparats, wobei meist ein niedermolekulares Heparin in therapeutischer Dosierung zum Einsatz kommt, überlappend mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Nach Erreichen des Ziel-INR(International normalized ratio)-Werts >2 kann die Heparin-Gabe beendet werden. Die Dauer der Antikoagulation orientiert sich an den auslösenden Faktoren und dem individuellen Risikoprofil. Sie sollte jedoch mindestens drei Monate betragen.

HOKUSAI-VTE-Studie

Bei der HOKUSAI-VTE-Studie handelt es sich um eine multizentrische Phase-III-Studie, in die 8292 Patienten mit akuter symptomatischer tiefer Venenthrombose und/oder Lungenembolie aufgenommen wurden.

Studiendesign

Alle Patienten wurden initial mit Enoxaparin oder unfraktioniertem Heparin über mindestens fünf Tage behandelt, bevor in einem randomisierten Design die Patienten entweder den Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban oder den Vitamin-K-Antagonisten Warfarin (z.B. Coumadin®) erhielten.

Edoxaban wurde in einer Dosierung von 60 mg einmal täglich verabreicht. In einer Subgruppe von Patienten mit einer Creatinin-Clearance (CrCl) von 30–50 ml/min/m2 KOF, einem Körpergewicht 60 kg oder einer Komedikation mit einem P-Glykoprotein-Inhibitor erhielten die Personen in der Edoxaban-Gruppe eine niedrigere Dosis von 30 mg täglich.

Bei Patienten, die den Vitamin-K-Antagonisten erhielten, wurde die Heparin-Therapie beendet, wenn der INR-Zielwert >2 erreicht war. Insgesamt wurden die Patienten mindestens über drei Monate bis zu maximal einem Jahr antikoaguliert.

Als primärer Wirksamkeitsendpunkt der Studie wurde die Inzidenz von rezidivierenden symptomatischen venösen thromboembolischen Ereignissen (Rezidiv einer symptomatischen tiefen Beinvenenthrombose, nichttödliche oder tödliche Lungenembolie) während der 12-monatigen Studiendauer festgelegt. Primärer Sicherheitsendpunkt der Studie waren klinisch relevante schwere oder nicht schwere Blutungen während der Therapie oder innerhalb von drei Tagen nach Therapieunterbrechung beziehungsweise Therapieende. Als sekundäre Wirksamkeitsendpunkte wurden die Inzidenz rezidivierender symptomatischer venöser thromboembolischer Ereignisse, nichttödlicher symptomatischer Lungenembolien und die Gesamtmortalität definiert. Die Studie wurde im Sinne einer Nicht-Unterlegenheitsstudie konzipiert.

Ergebnisse

Die Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass der Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin nicht unterlegen war.

Der primäre Endpunkt trat in der Edoxaban-Gruppe bei 3,2%, in der Warfarin-Gruppe bei 3,5% der Patienten auf (Hazard-Ratio [HR] 0,89; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,70–1,13; p<0,001 für Nichtunterlegenheit). Hinsichtlich des primären Sicherheitsendpunkts, also der Rate an klinisch relevanten Blutungen war Edoxaban dem Warfarin überlegen (8,5% vs. 10,3%; HR 0,81; 95%-KI 0,71–0,94; p=0,004 für Überlegenheit).

In der oben genannten Subgruppe (CrCl 30–50 ml/min/m2; 60 kg; P-Glykoprotein-Inhibitor) fiel der Vergleich zwischen Edoxaban (hier 30 mg; 733 Patienten) und Warfarin (719 Patienten) ähnlich aus wie in der gesamten Studienkohorte: Gegenüber Warfarin reduzierte Edoxaban die Ereignisrate bezüglich des primären Endpunkts nicht signifikant (3,0 vs. 4,2%; HR 0,73; 95%-KI 0,42–1,26). Die Rate an klinisch relevanten Blutungen war unter 30 mg Edoxaban ebenfalls signifikant niedriger als unter Warfarin (7,9% vs. 12,8%; HR 0,62; 95%-KI 0,44–0,86).

Im Rahmen einer weiteren Subgruppenanalyse wurden die Daten von Patienten mit schwerer Lungenembolie und mit nachgewiesener rechtsventrikulärer Dysfunktion (NTpro-BNP 500 pg/ml; 938 Patienten) ausgewertet. Bei diesen Patienten konnte durch Edoxaban im Vergleich zu Warfarin der primäre Endpunkt um relativ 48% mit statistischer Signifikanz gesenkt werden (3,3% vs. 6,2%; HR 0,52; 95%-KI: 0,28–0,98).

Fazit

Im Rahmen der HOKUSAI-VTE-Studie erwies sich der Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban bei Patienten mit einer venösen Thromboembolie bezüglich des Endpunkts rezidivierende symptomatische venöse thromboembolische Ereignisse dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin als nicht unterlegen, im Hinblick auf den Sicherheitsendpunkt, nämlich die Rate an klinisch relevanten Blutungen jedoch als signifikant überlegen. Bei Patienten mit schwerer Lungenembolie war Edoxaban auch bezüglich des Wirksamkeitsendpunkts Warfarin überlegen.

Quelle

Prof. Harry Büller, Amsterdam; Pressegespräch „Late breaking trials on thrombosis“, veranstaltet von Daiichi-Sankyo im Rahmen der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), Amsterdam, 1. September 2013.

Literatur

The Hokusai-VTE Investigators. Edoxaban versus warfarin for the treatment of symptomatic venous thromboembolism. N Engl J Med 2013;369:1406–15.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(12)