Aderhautmelanom des Auges

Selumetinib verkleinert Tumoren


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Eine Therapie mit dem MEK-Inhibitor Selumetinib führte bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom des Auges in der Hälfte der Fälle zu einer Tumorverkleinerung. In der Vergleichs-Gruppe unter Therapie mit Temozolomid kam es bei keinem der Patienten zu einer signifikanten Verkleinerung. Die Daten der zugehörigen Phase-II-Studie wurden während der 49. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Juni 2013 in Chicago vorgestellt.

Das Aderhautmelanom (malignes uveales Melanom) ist der häufigste primäre Tumor des Auges. Es gehört zu den seltenen Krebserkrankungen. In Europa beträgt die Inzidenzrate 1:100000 pro Jahr.

Das uveale Melanom entwickelt sich direkt in der Aderhaut (Choroidea) des Auges aus entarteten Melanozyten. Aus diesem Grund sind die meisten Aderhautmelanome dunkel pigmentiert. Zwar wird es bei den meisten Patienten bereits in einem frühen Krankheitsstadium diagnostiziert, aber trotzdem metastasiert die Erkrankung bei etwa der Hälfte der Patienten – das Überleben beträgt dann nur 9 bis 12 Monate. Veränderungen der Gene Gnaq and Gna11 aktivieren den MAPK(Mitogen-aktivierten Proteinkinase)-Signalweg, wodurch es zu einer Wachstumsförderung von Krebszellen kommt. Diese Mutationen sind bei mehr als 85% der Patienten mit uvealen Melanomen zu finden.

Selumetinib blockiert das MEK-Protein (MEK 1/2), eine der Schlüsselkomponenten des MAPK-Pathways (Infokasten). Das Arzneimittel ist schon bei verschiedenen Krebsentitäten getestet worden, unter anderem bei Schilddrüsenkrebs und Bronchialkrebs.

Eingriff in den Mitogen-aktivierten-Proteinkinase-(MAPK-)Signalweg

Der MAPK-Signalübertragungsweg wird durch eine große Anzahl von Wachstumsfaktoren – meist über Rezeptor-Tyrosinkinasen – aktiviert. Zu diesen Wachstumsfaktoren gehören zum Beispiel EGF, IGF und TGF. Eine unangemessene Aktivierung des MAPK-Signalwegs, hervorgerufen durch Mutationen in vorgelagerten Proteinen durch Onkogene (EGFR, PIK3CA, RAS, RAF) ist das charakteristische Merkmal vieler Neoplasien.

Das MEK-Protein ist in der Signalkaskade weiter unten angeordnet. Monotherapien mit MEK-Inhibitoren zeigen oft nur eine geringe klinische Aktivität (bei KRAS-Mutationen). Eine Erklärung hierfür ist, dass durch alternative (hochregulierte) Signalwege eine Kompensation der MEK-Inhibition möglich ist. Trotzdem gibt es auch Beispiele für erfolgreiche Monotherapien mit MEK-Inhibitoren (bei BRAF- oder NRAS-Mutationen).

Studiendesign

In der Studie waren 98 Patienten mit metastasiertem uvealem Melanom randomisiert und dann mit Hydrogensulfat-Selumetinib (2×75 mg/Tag) oder Temozolomid (TMZ, 150 mg/Tag) behandelt worden.

Die Therapie erfolgte in beiden Gruppen über fünf Tage in Zyklen zu 28 Tagen.

Gnaq-Mutationen lagen zu 37% bzw. 36% (Selumetinib/TMZ) vor, Gna11-Mutationen zu 44% bzw. 50%

Beim Rest der Patienten lagen in keiner der beiden Gene Veränderungen vor. Patienten, deren Erkrankung sich im Temozolomid-Arm verschlimmerte, konnten mit Selumetinib weiter behandelt werden.

Studienergebnisse

Im Median betrug die Zeit bis zur Progression im Selumetinib-Arm 15,9 Wochen (95%-Konfidenzintervall [KI] 8,4–23,1) vs. 7,0 Wochen im Temozolomid-Arm (95%-KI 4,3–8,4; p=0,0003). Für die 25 Patienten, die nach TMZ in den Selumetinib-Arm gewechselt hatten, betrug das mediane progressionsfreie Überleben 8,1 Wochen (95%-KI 7–15).

Im Temozolomid-Arm kam es in keinem Fall zu einer signifikanten Verkleinerung des Tumors, in der Selumetinib-Gruppe dagegen bei 50%.

Auch wegen der Möglichkeit, nach Progression von Temozolomid auf Selumetinib zu wechseln, unterschied sich das Gesamtüberleben nicht signifikant voneinander (Selumetinib 10,8 Monate vs. TMZ 9,4 Monate; p=0,4) .

Patienten, bei denen es zu Toxizitäten der Grade 3 oder 4 gekommen war, wie Rush, Lymphopenie oder Ödeme, konnte durch Dosismodifikation geholfen werden.

Laut Meinung der Experten sollte aufgrund der Ergebnisse dieser Studie Selumetinib als neuer Therapiestandard für Patienten mit fortgeschrittenen uvealen Melanomen angesehen werden. Außerdem lohne es sicher, neue Kombinationstherapien mit Selumetinib zu erforschen.

Diskussion

Selumetinib ist wohl der in der Klinik bisher am besten untersuchte MEK-Inhibitor. In der initialen Phase-I-Studie zeigte sich Rush als die am häufigsten aufgetretene und zugleich auch dosislimitierende Toxizität. Eine Hemmung von 79% der ERK-Phosphorylierung konnte bei 19 Tumorbiopsien verschiedener Entitäten festgestellt werden. Auch als Monosubstanz wie in der oben erwähnten Phase-II-Studie konnte der Kinaseinhibitor eine überzeugende Wirksamkeit aufweisen. Weitere Studien mit Selumetinib in Kombination mit anderen antineoplastischen Substanzen laufen bereits.

Quelle

Carvajal RD, et al. Phase II study of selumetinib (sel) versus temozolomide (TMZ) in gnaq/Gna11 (Gq/11) mutant (mut) uveal melanoma (UM). J Clin Oncol 2013;31(Suppl): abstr CRA9003.

Arzneimitteltherapie 2013; 31(12)