Alemtuzumab


Neue Optionen in der Therapie der schubförmigen multiplen Sklerose

Volker Limmroth, Barbara Eichhorst, Christina Limmroth, Köln, und Hans-Peter Hartung, Düsseldorf

Alemtuzumab, ein monoklonaler Antikörper gegen CD52, ist jüngst von der EMA (European medicines agency) zur Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose zugelassen worden. In den Phase-III-Studien war die Substanz hochwirksam, zeigte aber auch ein komplexes Nebenwirkungsprofil, das ein langfristiges und umfangreiches Monitoring erfordert. Anders als erwartet erfolgte die Zulassung auch mit der Möglichkeit einer Erstlinientherapie, sodass Alemtuzumab auch zu Beginn der Erkrankung eingesetzt werden könnte. Die intravenöse Gabe sowie das komplexe Management potenzieller unerwünschter Arzneimittelwirkungen machen die Nutzung in der neurologischen Praxis jedoch unattraktiv. Der zukünftige Stellenwert der Substanz in der MS-Therapie wird sich daher erst in den nächsten Monaten zeigen.
Arzneimitteltherapie 2014;32:56–62.

Alemtuzumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-kappa-Antikörper, der an CD52 bindet, ein Epitop, das auf T- und B-Lymphozyten, natürlichen Killer-Zellen sowie den meisten Monozyten, jedoch nicht auf hämatopoetischen Precursor-Zellen exprimiert wird. Die genaue Funktion von CD52 ist nicht abschließend geklärt, aber es spielt wahrscheinlich eine Rolle bei der Kostimulation von T-Zellen und deren Migration. Die Behandlung mit Alemtuzumab führt zu einer raschen Reduktion aller CD52-exprimierenden Zellen durch eine Antikörper-vermittelte zelluläre Toxizität. Die Rekonstitution der betroffenen Zellkompartimente braucht je nach verwendeter Dosis mehrere, oft viele Monate, so für Monozyten und B-Zellen etwa drei, für CD8+-T-Zellen bis zu 30 Monate und für CD4+-T-Zellen unter Umständen noch länger. Alemtuzumab erzielt daher therapeutische Effekte, wo die Reduktion von T- und B-Zellen aufgrund des pathophysiologischen Mechanismus sinnvoll ist. Seit Anfang der Neunzigerjahre wurde Alemtuzumab neben der Therapie von Leukämien und der rheumatoiden Arthritis auch in der Behandlung der multiplen Sklerose untersucht und erwies sich insbesondere in der Therapie der schubförmigen Verlaufsform als hochwirksam, wenn auch mit einem komplexen Nebenwirkungsprofil. Seit Oktober 2013 ist Alemtuzumab (Lemtrada®) in der EU zur Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose (MS) zugelassen. Aufgrund seines Nebenwirkungsprofils erfordert die Behandlung mit Alemtuzumab eine spezifische Begleitmedikation sowie ein spezielles Langzeitmonitoring. Zur Reduktion von Nebenwirkungen sollten weitere Applikationswege wie die subkutane Gabe, die für onkologische Indikationen bereits erfolgreich eingesetzt wird, untersucht werden.

Die Entwicklung von Alemtuzumab

Schon 1983 berichtete die Arbeitsgruppe um den britischen Pathologen Herman Waldmann von der Entwicklung eines zunächst monoklonalen Antikörpers zur Reduktion von T-Zellen, um Abstoßungsreaktionen zu verringern [13]. Der Antikörper wurde nach dem Ort und Institut seiner Entwicklung (Cambridge Pathology) CAMPATH 1 benannt. Nach Reduktion der Fremdeiweiß-Anteile (Ratte) wurde der Antikörper CAMPATH 1H (H=humanisiert) genannt. Der Antikörper konnte an T- und B-Zellen binden sowie an einige Monozyten, jedoch nicht an hämatopoetische Zellen, womit der Antikörper potenziell für alle klinischen Situationen genutzt werden konnte, in denen eine starke Depletion von Lymphozyten gewünscht war. Herman Waldmann gab die Lizenz für eine kommerzielle Entwicklung des Antikörpers zunächst an die später von Glaxo (jetzt GSK) übernommene Firma Burroughs Wellcome, die zunächst verschiedene Indikationen, darunter die rheumatoide Arthritis [17] untersuchte, jedoch ohne aus damaliger Sicht überzeugende Ergebnisse. Über Millenium kam Alemtuzumab später zu Ilex Oncology und von dort per Übernahme der Firma zu Genzyme. Die erste klinische Zulassung erhielt Alemtuzumab 2001 zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) zeitgleich in der EU und den USA.

Alemtuzumab in der Onkologie heute

Alemtuzumab wird auch nach der Rücknahme der Zulassung im Rahmen von Compassionate-Use-Programmen in der Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) sowie bei T-Zell-Leukämien und T-Zell-Lympomen eingesetzt. Bei der CLL kommen für eine Therapie mit Alemtuzumab in der Erstlinienbehandlung insbesondere Patienten mit Nachweis einer 17p13-Deletion bzw. einer p53-Mutation in Betracht, die eine niedrigere Ansprechrate und kürzeres progressionsfreies sowie Gesamt-Überleben nach Chemotherapie aufweisen. Nach den derzeitigen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) sollen bei Patienten ohne relevante Komorbidität mit therapiepflichtiger CLL und Deletion 17p13 alternative Therapieansätze (z.B. Alemtuzumab mit nachfolgender konsolidierender allogener Blutstammzelltransplantation), im Rahmen klinischer Studien, angestrebt werden [2, 27]. Auch in der Zweitlinientherapie der CLL bei Patienten, die auf die Standardtherapien refraktär sind oder nur eine kurze Remission (<2 Jahre) erzielen, kann Alemtuzumab eingesetzt werden [23–25].

In der Therapie der seltenen T-Zell-Lymphome sowie der prognostisch sehr ungünstigen T-Zell-Prolymphozytenleukämie (T-PLL) wird Alemtuzumab aktuell im Rahmen klinischer Studien als Konsolidierungstherapie nach Standardchemotherapie eingesetzt [2, 16].

Direkte Vergleichsstudien zur subkutanen gegenüber der intravenösen Gabe von Alemtuzumab gibt es bisher nicht. Im historischen Vergleich zeigte jedoch die subkutane Gabe in der Therapie der CLL eine bessere Verträglichkeit bei einer gleich guten Effektivität [25]. Durch die schnellere Verabreichung mit der subkutanen Gabe können für den Patienten Zeit und insgesamt Kosten eingespart werden.

Pharmakodynamik von Alemtuzumab in der MS-Therapie

Die MS wird nach allgemeiner Übereinstimmung auch heute noch als im wesentlichen T-Zell-mediierte Autoimmunerkrankung betrachtet, auch wenn inzwischen durch experimentelle wie klinisch-therapeutische Erkenntnisse deutlich wurde, dass auch B-Lymphozyten eine wichtige Rolle in der Pathoimmunologie der MS spielen [14]. Während das intakte adaptive Immunsystem aus T- und B-Lymphozyten genau zwischen Eigen- und Fremdantigenen unterscheiden kann, entwickelt sich bei Autoimmunerkrankungen eine verminderte Toleranz gegen eigene Antigene. Für die Pathoimmunologie der MS wird die periphere Aktivierung von T-Zellen gegen Antigene des ZNS als zentraler Ausgangspunkt der Erkrankung gesehen [3, 12]. Die Hochregulation von Adhäsionsmolekülen auf aktivierten T-Lymphozyten erleichtert wahrscheinlich die Transmigration durch die Blut-Hirn-Schranke und das Eindringen in das ZNS. Nach Aktivierung sind naive T-Zellen in der Lage, sich in weitere Subpopulationen zu differenzieren. Früher bestand allgemeine Übereinstimmung darin, dass insbesondere die Ausprägung von T-Helfer-Zellen (Th1-Zellen) und dadurch die vermehrte Bildung von proinflammatorischen Zytokinen (TNF-α, IFN-γ u.a.) im Gegensatz zu Th2-Zellen, die eher antiinflammatorische Zytokine wie IL-4 synthetisieren, inflammatorische Läsionen verursachen. In den letzten Jahren hat sich, allerdings nicht unumstritten, zunehmend die Ansicht durchgesetzt, dass Th17-Zellen eine entscheidende Rolle in der Entstehung der MS-Läsionen spielen. Th17-Zellen werden durch IL-23 stimuliert und sezernieren verschiedene proinflammatorische Zytokine [19, 22].

Alemtuzumab depletiert T- und B-Zellen für unterschiedliche Zeiträume und sorgt damit für niedrigere Lymphozytenzahlen im peripheren Blut nach Therapie, aber auch – und möglicherweise wichtiger – für eine komplexe Änderung der Zusammensetzung von Lymphozytensubpopulationen über die nächsten 12 bis 36 Monate. In der CAMMS223-Studie benötigten CD8+-Zellen eine mediane Zeit von 11 Monaten und CD4+-Zellen eine mediane Zeit von 12 Monaten, um wieder auf ein niedriges Normalmaß anzusteigen und dann auch „niedrig normal“ zu bleiben [4, 7–9, 11, 20, 21]. IL-7, das naive T-Zellen und Effektor-T-Zellen zu Gedächtnis-T-Zellen entwickelt und deren Spiegel nach Stammzell-Transplantationen normalerweise niedrig bleibt, stieg in einer Studie von Cox et al. 2005 [11] nach Behandlung mit Alemtuzumab deutlich und war über Monate klar über den Baseline-Werten. Interessanterweise dominierten CD4-Gedächtnis-Zellen (CD+CD45RO+) den depletierten T-Zell-Pool in den ersten drei Monaten, während T-regulatorische Zellen (sog. Tregs; CD4+CD25high) in den ersten sechs Monaten deutlich überrepräsentiert waren [15]. Diese Überrepräsentation von Tregs in dem sich rekonstituierenden T-Lymphozyten-Pool konnte später auch in den Phase-III-Studien nachgewiesen werden und muss als klarer Hinweis gewertet werden, dass nicht die bloße quantitative Reduktion der Lymphozyten vereinfachend als eigentlicher Mechanismus gesehen werden darf, sondern dass die „Regruppierung“ der Lymphozyten-Subpopulationen einen wichtigen oder auch den entscheidenden Anteil an der Langzeitwirkung des Alemtuzumab in der MS-Therapie hat [8, 12]. Dafür spricht auch eine relative Expansion der CD4+-Th2-Zellen mit einer Erhöhung der spezifischen immunregulatorischen Zytokin-Produktion wie TGF-β-1 und IL-10, gleichzeitig kann eine Reduktion der CD4+-Th1- und Th17-Zellen beobachtet werden.

Eine Studie von Thompson et al. 2010 [26] wies außerdem deutliche Änderungen in der B-Zell-Subpopulation nach. Die Rekonstitution der B-Zellen geschieht deutlich schneller als die der T-Zellen, hat sich nach drei Monaten oft wieder normalisiert und kann nach 12 Monaten sogar deutlich über dem Ausgangswert liegen. Allerdings ändert sich die Zusammensetzung der B-Zell-Subpopulationen. Während der reduzierte B-Zell-Pool zunächst von Übergangs-B-Zellen (sog. transitional-type 1 cells, CD19+/CD23/CD27), die direkt aus dem Knochenmark freigesetzt sind, sowie von Gedächtnis-B-Zellen dominiert wird und die absolute B-Zell-Zahl nach drei Monaten wieder normal ist, bleiben die Gedächtnis-B-Zellen (CD27+) selbst nach 12 Monaten weiter reduziert und liegen bei etwa 25% des Ausgangswerts. Der Plasmaspiegel des B-Zell-aktivierenden Faktors (BAFF) steigt hingegen deutlich an, was mit einer Dominanz der CD19+/CD23+/CD27+-Zellen übereinstimmt. Nach dieser Studie könnte also eine erhöhte Rate an unreifen B-Zellen in Kombination mit einer deutlichen Reduktion der Gedächtnis-B-Zellen zur Wirkung von Alemtuzumab beitragen.

Zwischenfazit

Zusammenfassend bewirkt Alemtuzumab eine drastische Reduktion insbesondere von T- und B-Lymphozyten, aber ebenso wichtig wie die eigentliche Zellzahl-Reduktion ist die sich verändernde Zellzusammensetzung im Zuge der Rekonstitution, die wie im Fall der Gedächtnis-B-Zellen deutlich länger anhält als die quantitative Normalisierung der Zellgruppe [12, 18].

Erste Fallberichte in der Behandlung der MS

Bereits Anfang der Neunzigerjahre widmete sich die neuroimmunologische Arbeitsgruppe um Alastair Compston der Substanz, um die potenzielle Nutzbarkeit in der Behandlung der MS zu untersuchen. Die ersten sieben Patienten wurden bereits 1992 in Cambridge mit selbst hergestelltem Campath 1H (anti-CDw52) behandelt [20, 21]. Eine genaue Dosisbestimmung erfolgte in diesen ersten Studien nicht. Auch eine scharfe Trennung zwischen Patienten mit rein schubförmigem Verlauf und Patienten mit primär oder sekundär chronisch progredienten Verlaufsformen fand nicht statt. Die Patienten erhielten damals eine 10-tägige Infusionstherapie mit monatlichen Magnetresonanztomographie-(MRT-)Untersuchungen für drei bis vier Monate sowie vor Therapie und sechs Monate später. Die MRT-Parameter waren deskriptiv und nicht wie in neueren MS-Studien standardisiert (z.B. Zahl der Gd-[Gadolinum-]aufnehmenden Herde, Zahl der neuen und sich vergrößernden T2-Läsionen). Vor Behandlung wurden 28 Gd-aufnehmende Areale auf 7 Scans und 51 aktive Läsionen auf weiteren 18 Scans identifiziert, drei Monate nach Behandlung waren es nur noch 15 aktive Läsionen auf 20 Scans und nach sechs Monaten nur noch zwei aktive Läsionen auf 23 Scans. Diese wenn auch statistisch nur deskriptiven Ergebnisse interpretierten die Autoren, bei aller Vorsicht bei fehlenden klinischen Parametern, als Zeichen einer hoch-effektiven Wirksamkeit in der Behandlung der MS. Die Tatsache, dass im peripheren Blutbild parallel eine drastische Reduktion der Lymphozyten beobachtet werden konnte, sprach aus der Sicht der Autoren ferner dafür, dass aktive Läsionen von der Zahl der zirkulierenden aktivierten Lymphozyten abhängen. Als nachteilig wurde eine temporäre Zunahme der bestehenden (neurologischen) Symptome nach den ersten Infusionen für einige Tage beobachtet.

Die nächsten 14 Patienten [21] wurden 1993 in der gleichen Abteilung therapiert. Auch diesmal handelte es sich im Wesentlichen um Patienten mit sekundär oder primär chronisch progredientem Verlauf. Neben einem signifikanten Progress in den letzten zwei Jahren mussten die Patienten allerdings aktive Herde aufweisen, um in die Studie eingeschlossen werden zu können. Die Dosierungen waren recht unterschiedlich und variierten zwischen 60 mg (5 Tage jeweils 2 mg und weitere 5 Tage mit jeweils 10 mg i.v.) und 120 mg (10 Tage 12 mg i.v.). Zwei Patienten erhielten ferner 500 mg Methylprednisolon vor den Infusionen. Ziel dieser Arbeit war weniger, die klinische Effektivität von Alemtuzumab zu evaluieren, sondern die Klärung der Frage, welche Zytokine und Botenstoffe möglicherweise an der temporären Symptomzunahme nach Gabe des Antikörpers beteiligt sind. Es wurden daher die Spiegel von TNF-α, IL-6, CRP, TGF-β und anderen untersucht, ohne die Symptomverstärkung jedoch einem Zytokin klar zuordnen zu können [21].

Erste Studien mit definierten Outcome-Parametern

Über weitere 27 Patienten wurde Ende der Neunzigerjahre berichtet, die klinisch und kernspintomographisch über einen Zeitraum von 18 Monaten untersucht wurden [10]. Auch hier zeigte sich eine deutliche Reduktion der Erkrankungsaktivität. Eine klare Differenzierung zwischen den verschiedenen Verlaufsformen sowie die Verwendung klinischer Effektivitätsparameter erfolgten erst später bei 58 Patienten, die bis 2002 behandelt wurden. Als klinischer Parameter wurden nun erstmals auch die jährliche Schubrate und die Behinderungsprogression erfasst. Die jährliche Schubrate reduzierte sich hoch signifikant von 2,2 auf 0,19. Die Behinderungsprogression nahm jedoch bei den Patienten mit chronischer MS weiter zu, während sich Patienten mit einem rein schubförmigen Verlauf im Durchschnitt sogar hinsichtlich des bestehenden Behinderungsgrads um 1,2 EDSS(Expanded disability status scale)-Punkte verbesserten. Diese Verbesserung der Behinderungsprogression war in geringem Umfang sogar noch nach 36 Monaten (ohne erneute Therapie) feststellbar. Daraus schlossen die Autoren, dass die mit der Alemtuzumab-Behandlung einhergehende Reduktion der Lymphozyten den besten klinischen Effekt zu Beginn der Erkrankung und insbesondere bei Patienten mit schubförmiger Verlaufsform hätte [7].

Phase-II: die CAMMS223-Studie

Auf Basis der Ergebnisse dieser frühen kleinen Studien wurde entschieden, Alemtuzumab zunächst nur bei Patienten mit schubförmiger Verlaufsform zu untersuchen [4]. Es wurde auch entschieden, bereits eine große Phase-II-Studie nicht gegen Plazebo, sondern direkt gegen eine Vergleichssubstanz durchzuführen.

Zum Zeitpunkt der Planungen wurde Interferon beta-1a 44 µg (Rebif®) als wirksamste Therapie in der Behandlung der schubförmigen MS betrachtet, sodass die Konzeption einer Phase-II-Studie trotz der unterschiedlichen Darreichungsformen als randomisierte dreiarmige Studie mit zwei Alemtuzumab-Dosierungen gegen Interferon beta-1a 44 µg entstand. Das Ergebnis war die CAMMS223-Studie: eine einfach verblindete Studie über drei Jahre bei bisher unbehandelten MS-Patienten (EDSS≤3) mit schubförmiger Verlaufsform. Damit wurden insbesondere Patienten in der frühen Phase ihrer Erkrankung eingeschlossen. Als Alemtuzumab-Dosierungen wurden für das erste Jahr 12 mg an jeweils aufeinander folgenden fünf Tagen sowie erneut an drei Tagen in Jahr zwei bzw. 24 mg in der gleichen Sequenz gewählt, gegen jeweils Interferon beta-1a 44 µg (s.c. dreimal pro Woche).

In der 2002 begonnenen CAMMS223 wurden mit einer Randomisierung von 1:1:1 insgesamt 334 Patienten eingeschlossen. Hier reduzierte Alemtuzumab jeweils hochsignifikant die Quote der bestätigten Behinderungsprogression im Vergleich zu Interferon (9,0% vs. 26,2%), ebenso wie die jährliche Schubrate (0,10 vs. 0,36). Der mittlere EDSS-Wert besserte sich unter Alemtuzumab-Gabe um 0,39 Punkte, während er sich in der Interferon-Gruppe im Durchschnitt um 0,38 Punkte verschlechterte. Auch hinsichtlich aller MRT-Parameter war die Alemtuzumab-Gruppe signifikant besser als die Interferon-Gruppe. Selbst hinsichtlich der Hirnatrophie zeigte sich ein signifikanter Unterschied (Zunahme des Hirnvolumens unter Alemtuzumab-Therapie, Abnahme unter Interferon-Behandlung). Zwischen beiden Alemtuzumab-Gruppen zeigten sich keine Unterschiede in den Wirksamkeits-Parametern. Spezifische Infusions-bedingte Nebenwirkungen wurden durch die Gabe von Methylprednisolon unmittelbar vor den Infusionen wirksam unterdrückt. Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils fiel jedoch die Induktion sekundärer Autoimmunerkrankungen unter Alemtuzumab-Gabe auf. So traten bei bis zu 23% der Patienten in der Alemtuzumab-Gruppe Schilddrüsen-Erkrankungen auf (nur 3% unter Interferon-Therapie) und bei bis zu 3% Thrombozytopenien (ITP=Immunogene thrombozytäre Pupura; unter Interferon-Applikation nur 1%). Auch die allgemeine Infektionsrate war unter Alemtuzumab-Behandlung etwas höher als unter Interferon-Gabe (66% vs. 47%). Aufgrund der ITP-Fälle wurde 2005 entschieden, die weiteren Alemtuzumab-Gaben in der Studie zu stoppen.

Die in CAMMS223 eingeschlossenen Patienten wurden auch nach drei Jahren weiterbeobachtet, wobei insgesamt 198 Patienten in die Extensionsphase überführt (davon 41% der Interferon-Patienten [n=47] und 67% der Alemtuzumab-Patienten [n=151]) werden konnten [8]. Über fünf Jahre reduzierte sich das Risiko einer bestätigten Erkrankungsprogression gegenüber Interferon beta-1a 44 µg um gut 72% und die Schubrate um etwa 68%. Die jährliche Schubrate betrug von Baseline bis nach fünf Jahre unter Alemtuzumab 0,11; unter Interferon beta-1a 44 µg jedoch 0,35. Schwere Infektionen traten unter Alemtuzumab bei 7% versus 3% unter Interferon auf. Schilddrüsenerkrankungen wurden unter Alemtuzumab bei 30% der Patienten, aber nur bei 4% unter Interferon gesehen. Immunogene Thrombozytopenien traten bei 3% unter Alemtuzumab und zu 0,9% unter Interferon auf.

Die Phase-III-Studien: CARE-MS I und CARE-MS II

Die Konzeption der Phase-III-Studien [6, 9] war im Wesentlichen identisch mit der von CAMMS223. Erneut wurde bewusst auf eine Plazebo-kontrollierte Studie verzichtet und beide Studien wurden gegen eine aktive Vergleichssubstanz konzipiert. Das Studiendesign war damit fast identisch: Alemtuzumab in einem zwei- oder dreiarmigen Design in den Dosierungen 12 mg und 24 mg (jeweils an fünf Tagen hintereinander zu Beginn von Jahr 1 und an drei Tagen zu Beginn von Jahr 2) gegen Interferon beta-1a 44 µg. Wesentlicher Unterschied waren jedoch die Patientenpopulationen: Während in der CARE-MS-I-Studie 571 Patienten, die bisher keine immunmodulatorische Dauertherapie erhalten hatten, untersucht wurden, betrachtete man in der CARE-MS-II-Studie 800 Patienten, die unter einer bestehenden immunmodulatorischen Therapie noch Krankheitsaktivität zeigten. Detaillierte Unterschiede zwischen den beiden CARE-MS-Studien sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Tab. 1. Übersicht über das Studiendesign der Alemtuzumab-Phase-II- und -III-Studien in der Behandlung der schubförmigen MS

CAMMS223

Phase II

CARE-MS I

Phase III

CARE-MS II

Phase III

Patienten [n]

334

581

840

Dauer der Studie
[Jahre]

3

(+ Verlängerung)

2

2

Patientenpopulation

  • Therapienaive RRMS-Patienten EDSS ≤3
  • Beginn ≤3 Jahre
  • Anreichernde Läsion erforderlich
  • Therapienaive RRMS-Patienten
  • EDSS ≤3
  • Beginn ≤5 Jahre
  • RRMS mit Aktivität unter Basistherapie
  • EDSS ≤5
  • Beginn ≤10 Jahre

Behandlungsarme

  • Alemtuzumab 12 mg
  • Alemtuzumab 24 mg
  • IFN-β-1a s.c. 44 µg
  • Alemtuzumab 12 mg
  • IFN-β-1a s.c. 44 µg
  • Alemtuzumab 12 mg
  • Alemtuzumab 24 mg
  • IFN-β-1a s.c. 44 µg

Kombinierte Endpunkte

  • Schubrate
  • Fortschreiten der Behinderung
  • Schubrate
  • Fortschreiten der Behinderung
  • Schubrate
  • Fortschreiten der Behinderung

EDSS: Expanded disability status scale; IFN: Interferon; RRMS: schubförmige multiple Sklerose

CARE-MS I

Studiendesign

CARE-MS I [6] wurde als zweiarmige Studie, an der Patienten zwischen 18 und 50 Jahren mit einer bisher unbehandelten schubförmigen MS teilnehmen durften, konzipiert. Die Patienten wurden randomisiert und in einem 2:1-Verhältnis entweder der Alemtuzumab-Gruppe (12 mg pro Tag i.v.) oder Interferon-beta-1a-Gruppe (44 µg) zugeordnet. Während Interferon-beta-1a 44 µg dreimal pro Woche subkutan gegeben wurde, wurde Alemtuzumab einmal pro Tag als Infusion für fünf Tage zu Beginn der Studie und dann nach 12 Monaten nochmals an drei aufeinander folgenden Tagen verabreicht. Der primäre Endpunkt war die Schubrate sowie die Zeit zur in sechs Monaten bestätigten Behinderungsprogression. Sekundäre und tertiäre Endpunkte waren verschiedene Kernspinparameter.

Ergebnisse

187 Patienten (96%), die Interferon beta-1a erhalten hatten, und 376 Patienten (97%), die Alemtuzumab erhalten hatten, konnten in die Analyse eingeschlossen werden. 40% der Patienten unter Interferon erlebten mindestens einen Schub im Vergleich zu 22% der Patienten in der Alemtuzumab-Gruppe (p<0,0001). Dies entsprach einer Reduktion des Schubrisikos um 54,9% zugunsten der Alemtuzumab-Gruppe. In der Interferon-Gruppe blieben nach zwei Jahren 59% der Patienten und 78% der Patienten in der Alemtuzumab-Gruppe schubfrei. Auch dieser Unterschied war statistisch hoch signifikant. 11% in der Interferon-Gruppe wiesen eine bestätigte Erkrankungsprogression auf, während nur 8% in der Alemtuzumab-Gruppe Progressionen zeigten. Dieser Unterschied war statistisch jedoch nicht signifikant. Hinsichtlich der unerwünschten Ereignisse (UE) zeigten 90% der Patienten in der Alemtuzumab-Gruppe infusionsassoziierte Reaktionen, von denen etwa 3% als schwerwiegend eingeordnet wurden. Infektionen, die im Wesentlichen als mild oder moderat eingestuft wurden, traten bei 67% der Patienten unter Alemtuzumab, allerdings nur bei 45% der Patienten unter dem Interferon auf. 16% der Alemtuzumab-Patienten entwickelten Herpesinfektionen, im Vergleich zu nur 2% in der Interferon-Gruppe. Nach zwei Jahren hatten rund 18% der Alemtuzumab-Patienten Schilddrüsen-assoziierte unerwünschte Ereignisse, während dies nur bei 6% der Patienten unter der Interferon-Therapie der Fall war. In der Alemtuzumab-Gruppe zeigten sich auch weitere sekundäre Autoimmunerkrankungen, so entwickelten drei Patienten eine Immunthrombozytopenie, die jedoch gut auf Cortison ansprach.

CARE-MS II

Studiendesign

CARE-MS II [9] war eine zweijährige, dreiarmige, randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie, in der erwachsene Patienten im Alter von 18 bis 55 Jahren mit einer schubförmigen MS eingeschlossen wurden, die mindestens einen Schub unter einer bestehenden Interferon-beta- oder Glatirameracetat-Therapie erlitten hatten. Die Patienten wurden 1:2:2 in die folgenden Studienarme randomisiert: Interferon beta-1a 44 µg, Alemtuzumab 12 mg pro Tag an fünf aufeinander folgenden Tagen oder Alemtuzumab 24 mg an fünf aufeinander folgenden Tagen. Während Interferon beta-1a 44 µg dreimal pro Woche verabreicht wurde, wurde Alemtuzumab zu Beginn im ersten Jahr an fünf Tagen hintereinander gegeben und im zweiten Jahr an drei Tagen hintereinander (für den gesamten Zeitraum von zwei Jahren). Der dritte Studienarm mit der höheren Alemtuzumab-Dosierung (5-mal 24 mg) wurde im Dezember 2008 beendet, um die Randomisierung in die beiden anderen Studienarme zu beschleunigen. Die Entscheidung wurde durch das Steering Committee gefällt, ohne die Sicherheitsdaten bzw. Wirksamkeitsdaten der Studie zu begutachten. Die Randomisierung erfolgte ab diesem Zeitpunkt 2:1 zugunsten der Alemtuzumab-Gruppe (5-mal 12 mg). Primäre Endpunkte waren die Schubrate sowie die Zeit der 6-monatigen Bestätigung einer Behinderungsprogression zwischen Alemtuzumab 12 mg und Interferon beta-1a 44 µg.

Ergebnisse

202 Patienten wurden in die Interferon-Gruppe, 426 in die Alemtuzumab-Gruppe (5-mal 12 mg) randomisiert. Während in der Interferon-Gruppe 51% der Patienten einen Schub erlitten, betraf dies nur etwa 35% der Patienten in der Alemtuzumab-Gruppe. Dies entsprach einer 49,4%igen Reduktion des Schubrisikos zugunsten der Alemtuzumab-Gruppe. Darüber hinaus waren 47% der Patienten in der Interferon-Gruppe während der zwei Jahre schubfrei, wohingegen dies 65% in der Alemtuzumab-Gruppe waren (p<0,0001). 20% der Patienten in der Interferon-Gruppe zeigten darüber hinaus eine anhaltende bestätigte Progression der Behinderung, während dies nur bei 13% der Patienten in der Alemtuzumab-Gruppe der Fall war (p=0,008). Dies entsprach einer 42%igen Reduktion des Risikos einer Erkrankungsprogression zwischen den beiden Gruppen zugunsten von Alemtuzumab.

Wie in der CARE-MS-I-Studie wiesen etwa 90% der Alemtuzumab-Patienten infusionsassoziierte Reaktionen auf, 77% Infektionen (66% unter der Interferon-Therapie), allerdings nur von gering- bis mittelgradiger Intensität ohne fatale Fälle. Allerdings zeigten auch 16% unter der Alemtuzumab-Therapie eine Schilddrüsenerkrankung und etwa 1% eine Immunthrombozytopenie.

Sicherheit und Verträglichkeit von Alemtuzumab in der MS-Therapie

Infusionsassoziierte Symptome

Bereits in den ersten Fallstudien, aber auch in den Phase-II- und -III-Studien waren die infusionsassoziierten Symptome die am häufigsten berichteten UE [4, 6, 9, 20, 21]. Weitere wichtige UE waren sekundäre Autoimmunerkrankungen und Infektionen, die jedoch fast ausschließlich von milder bis mäßiger Ausprägung waren [1, 4, 6, 9, 20, 21]. Die infusionsassoziierten Symptome wie Zunahme bestehender Symptome, Kopfschmerzen, Temperaturerhöhung und ähnliches während oder innerhalb von 24 Stunden nach einer Infusion waren bereits in den ersten Fallberichten ausführlich beschrieben worden [20, 21]. Hier berichteten Moreau et al. 1996 [21] auch über die ersten Fälle, die unter der Gabe von Methylprednisolon (fast) komplett symptomfrei hinsichtlich infusionsassoziierter Nebenwirkungen blieben. Die Gabe von 1000 mg Methylprednisolon wurde daher auch als Begleitmedikation für die Phase-II- und -III-Studien übernommen. Zwar wurden auch hier weiterhin infusionsassoziierte Symptome beobachtet, diese waren in ihrer Ausprägung jedoch mild. Die Frequenz der infusionsassoziierten Symptome war bei der ersten Infusion am höchsten und nahm mit jeder weiteren Infusion deutlich ab [20, 21].

Entwicklung sekundärer Autoimmunerkrankungen

Die häufigste autoimmunologische Nebenwirkung waren Schilddrüsenerkrankungen mit bis zu 30% in der Extensionsphase der CAMMS223-Studie nach insgesamt fünf Jahren (im Vergleich zu 4% in der Interferon-Gruppe). Insbesondere wurden sowohl Basedow’sche-Erkrankungen wie auch Hashimoto-Thyreoiditiden beobachtet. Die Schilddrüsenerkrankungen traten nicht zu Beginn der Therapie auf, sondern erst bis zu drei Jahre nach Therapiebeginn, sodass ein kontinuierliches Monitoring notwendig erscheint [1, 4, 6, 9]. Interessanterweise ist das sekundäre Auftreten von Autoimmunerkrankungen nicht bei Studien mit Alemtuzumab in anderen Indikationen beschrieben worden, sodass es sich hierbei möglicherweise um eine MS-spezifische Nebenwirkung handelt [16, 18, 23–25]. Neben den Schilddrüsenerkrankungen trat bei bis zu 1% der Patienten eine immunogene Thrombozytopenie (ITP) auf [4, 6, 9]. Auch hier kommen die Thrombozytopenien – anders als bei sonst bekannten Medikations-induzierten ITP, die wenige Tage nach Erstgabe eines Arzneimittels auftreten – mit Verzögerung von mehreren Monaten vor, sodass die Thrombozytenzahl ebenfalls kontinuierlich beobachtet werden muss. Wie sonstige ITP auch, ließen sich die Thrombozytopenien jedoch durch die Gabe von Glucocorticoiden behandeln. Prozentual war die ITP-Rate in der CAMMS223-Studie mit 3% höher als in den Phase-III-Studien (1%). Von den 6 ITP-Patienten in der CAMMS223-Studie waren vier in der 24-mg-Gruppe, zwei in der 12-mg-Gruppe. Hier gab es auch einen ITP-assoziierten Todesfall durch eine intrazerebrale Blutung [4]. Bei der Aufarbeitung des Todesfalls zeigte sich jedoch, dass klinische Zeichen einer Thrombozytopenie in Form von kutanen Petechien bereits mehrere Wochen zuvor aufgetreten waren, sodass die Diagnose der ITP zu spät gestellt wurde und auch das therapeutische Eingreifen zu spät kam. Das Auftreten der ITP unter Alemtuzumab bei MS-Patienten ist somit möglicherweise auch dosisabhängig. Die niedrigere ITP-Rate in der Phase-III-Studie resultiert daher möglicherweise durch den insgesamt höheren Anteil von Patienten mit einer niedrigeren Alemtuzumab-Dosierung (12 mg) [1]. Insgesamt sind auch drei Fälle eines Goodpasture-Syndroms berichtet worden, wobei nur ein Fall im Rahmen der klinischen Studien beobachtet wurde und die beiden anderen Fälle außerhalb klinischer Studien auftraten [5].

Infektionen

Die Zahl der beobachteten Infektionen war in den Alemtuzumab-Gruppen etwas höher als in der Interferon-Gruppe, die Infektionen waren jedoch mild bis mäßig in ihrer Ausprägung. Kutane Herpes- und Pilzinfektionen waren in den Phase-III-Studien die häufigsten Infektionen. Prophylaktische Behandlungen mit Aciclovir reduzierten die Frequenz der Herpes-Infektionen [6, 9].

Monitoring

Das komplexe Nebenwirkungsprofil erfordert sowohl vor und während der Infusionen als auch danach regelmäßiges und langfristiges Monitoring. Vor Gabe der Medikation muss klinisch wie labortechnisch eine akute Infektion ausgeschlossen werden. Die intravenöse Gabe der Substanz erfordert ferner eine Prämedikation mit Cortison. Die aus den allerersten Behandlungen genutzte Praxis [21] einer Prämedikation mit 1000 mg Methylprednisolon wurde in die Zulassungsstudien übernommen und damit auch Bestandteil der Zulassung. Danach müssen an den ersten 3 Behandlungstagen jeweils 1000 mg Methylprednisolon vor der Gabe von Alemtuzumab infundiert werden. Die Glucocorticoid-Infusion sollte etwa über eine Stunde laufen. Danach kann die eigentliche Alemtuzumab-Infusion erfolgen, die mindestens über vier Stunden, am besten über einen Infusomaten oder Perfusor, gegeben wird. Nach Infusion sollte der Patient noch weitere zwei Stunden nachbeobachtet werden, insbesondere um Unverträglichkeitsreaktionen mit zusätzlicher Gabe von Antihistaminika und Antiemetika behandeln zu können. Für einen Infusionstag muss daher eine Betreuungszeit des Patienten von etwa 8 Stunden eingeplant werden. Zur Vorbeugung der Reaktivierung viraler Infektionen, insbesondere Herpes zoster, sollte mit Start der Behandlung eine Komedikation mit Aciclovir für einen Zeitraum von vier Wochen erfolgen. Aufgrund der ausgeprägten Lymphozytendepletion und einer möglichen Thrombozytopenie muss eine allgemeine Laborkontrolle monatlich, die Überprüfung der Schilddrüsen-Parameter alle drei Monate erfolgen. Da die Zulassungsstudien und Extensionsphase der Phase-II-Studie zeigten, dass sekundäre Autoimmunerkrankungen auch drei Jahre nach Erstgabe auftreten können, muss das Labor-Monitoring bisher über 48 Monate erfolgen. Die Laborkontrollen müssen nicht zwingend im behandelnden Zentrum durchgeführt werden, sondern können auch über den Hausarzt oder einen niedergelassenen Neurologen erfolgen. Hier bleibt allerdings noch zu klären, ob niedergelassene, Kollegen, die nicht primär behandelnde Ärzte waren, alle Laborkosten ersetzt bekommen.

Zulassungssituation 2014 und Ausblick

Seit Herbst 2013 ist Alemtuzumab durch die EMA für die Behandlung der aktiven schubförmigen multiplen Sklerose zugelassen. „Aktiv“ ist dabei als klinisch oder kernspintomographisch aktiv definiert und damit ist Alemtuzumab faktisch als Erstlinientherapie zugelassen und kann sogar zu Beginn der Erkrankung gegeben werden. Die FDA (Food and drug administration) hat dagegen die Zulassung in den USA zunächst zurückgewiesen und weitere Studiendaten angefordert. Mit der Zulassungsformulierung der EMA passt Alemtuzumab nicht in den bisherigen Therapie-Algorithmus, der in Erstlinien- und Zweitlinien- bzw. Basistherapie oder Eskalationstherapie unterschied. Dieser bisherige Algorithmus war historisch gewachsen und hatte sich im Wesentlichen an Wirksamkeit und Sicherheitsdaten orientiert. Die nächsten Monate und Jahre werden daher zeigen, welchen Platz Alemtuzumab durch die real gelebte Therapiewelt in dem bisherigen Algorithmus erhalten wird. Mittel- und langfristig wäre eine Weiterentwicklung des Algorithmus im Sinne einer an Biomarkern orientierten individualisierten Therapie sinnvoll. Der Einsatz der Substanz macht in jedem Fall ein umfangreiches monatliches Sicherheits-Monitoring für mindestens 48 Monate erforderlich. Ferner wird es für die Zukunft der Substanz in der MS-Therapie entscheidend sein, weitere Darreichungsformen zu entwickeln, die sowohl einfach anwendbar sind, aber auch Sicherheit und Verträglichkeit verbessern. Im onkologischen Bereich wird Alemtuzumab bereits seit einigen Jahren erfolgreich in einer subkutanen Darreichungsform eingesetzt und weiterentwickelt. Auch für die Therapie der MS sollte daher eine subkutane Formulierung möglichst schnell untersucht werden.

Abkürzungsverzeichnis

BAFF

B-Zell-aktivierender Faktor

CRP

C-reaktives Protein

EDSS

Expanded disability status scale

EMA

European Medicines Agency

FDA

Food and Drug Administration

Gd

Gadolinum

IFN

Interferon

IL

Interleukin

ITP

Immunogene Thrombozytopenie

MRT

Magnetresonanztomographie

MS

Multiple Sklerose

TGF

Transforming growth factor

TNF

Tumornekrosefaktor

T-PLL

T-Zell-Prolymphozytenleukämie

UE

Unerwünschtes Ereignis

Interessenkonflikterklärung

VL gibt an, Honorare oder Forschungsbeihilfe von Allergan, Biogen Idec, Bayer, Genzyme, Merz, Novartis und Roche erhalten zu haben.

BE und CL geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

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Prof. Dr. Volker Limmroth, Klinik für Neurologie und Palliativmedizin, Klinikum Köln-Merheim, Ostmerheimerstraße 200, 51109 Köln, E-Mail: Limmrothv@kliniken-koeln.de

Priv.-Doz. Dr. Barbara Eichhorst, Medizinische Klinik I (Onkologie), Universitätsklinikum Köln

Dr. Christina Limmroth, Medizinische Klinik (Onkologie), Klinikum Holweide, Kliniken der Stadt Köln

Prof. Dr. Hans-Peter Hartung, Neurologische Klinik und Zentrum für Neuropsychiatrie, Heinrich-Heine-Universität, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf

Alemtuzumab – new option in the therapy of relapsing remitting multiple sclerosis

Alemtuzumab, a monoclonal antibody against CD52 has recently been approved by the European Medicines Agency for the treatment of relapsing remitting multiple sclerosis. In both phase-III-trials the substance proved to be highly efficacious, but also showed a complex adverse event profile requiring both a longterm and specific monitoring. Interestingly, the approval encompassed the option of first-line-treatment paving the way to use the drug in early stages of the disease. The intravenous form of administration as well as the complex management of potential adverse events may jeopardize the use in private practice. Hence, the future place of the drug for the treatment of multiple sclerosis is still to be determined within the next month.

Key words: Alemtuzumab, multiple sclerosis, monoclonal antibody, CD52

Arzneimitteltherapie 2014; 32(03)