Antiemese in der Onkologie

Palonosetron


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Chemotherapie(CT)-induzierte Übelkeit und CT-induziertes Erbrechen waren in den Anfängen der systemischen CT ein großes Problem. Inzwischen scheint dieses Problem vielen in der Onkologie beschäftigten Berufsgruppen durch potente Arzneimittel weitestgehend gelöst zu sein. Aber ein optimales Management in der Anwendung des zur Verfügung stehenden Medikationsarsenals ist immer noch dringend notwendig. Palonosetron als 5-HT3-Antagonist der zweiten Generation sollte dabei besonders zur Prophylaxe bei moderat emetogenen Schemata eingesetzt werden. Pharmakologische Hintergründe und klinische Daten dazu wurden im Februar 2014 bei einem Pressegepräch von Riemser Pharma im Ramen des 31. Deutschen Krebskongresses erläutert.

Geschichte und Pathophysiologie von Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen (CINV)

Übelkeit und Erbrechen gehörten lange Zeit zu den am meisten gefürchteten Nebenwirkungen der Chemotherapie (CT). Die komplexen Vorgänge in der Pathophysiologie des Erbrechens werden durch verschiedene Rezeptorsysteme in der Chemorezeptoren-Triggerzone in der Area postrema ausgelöst. Durch die Entwicklung verschiedener Therapieoptionen verlor diese Angst aber mehr und mehr an Gewicht. Die antiemetische Supportivtherapie in der Onkologie entwickelte ihre eigene Geschichte, die parallel zu der Weiterentwicklung von Zytostatika verlief.

Wenn in den Siebzigerjahren noch mit sehr mäßigem Erfolg Cannabinoide verwendet wurden, um die außerordentliche Emetogenität von Cisplatin in den Griff zu bekommen, so folgten kurz danach schon die Glucocorticoide und bald darauf Metoclopramid, das auch hoch dosiert eingesetzt wurde und dann in Kombination mit Glucocorticoiden bemerkenswerte Erfolge erzielte [1]. Ein deutlicher Fortschritt konnte dann aber durch die Aufklärung der genauen Pathogenese und daraus folgend der Entwicklung von Antagonisten verzeichnet werden. Eine Schlüsselrolle in der Auslösung des akuten Zytostatika-induzierten Erbrechens kommt Serotonin-(5-Hydroxytryptamin-)Rezeptoren vom Typ 5-HT3 zu. Zytostatika und deren Metaboliten stimulieren dopaminerge und diese serotonergen Rezeptoren in der Chemorezeptoren-Triggerzone des Hirnstamms. Somit konnte der erste richtige Durchbruch in den Neunzigerjahren mit den ersten 5-HT3-Antagonisten verzeichnet werden. Mit 5-HT3-Antagonisten konnte unter Cisplatin-Therapie eine gute Kontrolle der akuten CINV erreicht werden, die sich durch die Kombination mit Dexamethason noch verbessern ließ.

Verzögertes Erbrechen

Nachdem sich die Kombination eines 5-HT3-Rezeptorantagonisten mit einem Glucocorticoid als Standard der Prävention von akutem Erbrechen bei hoch emetogener Chemotherapie etabliert hatte, waren aber die Ergebnisse im Hinblick auf verzögert auftretendes Erbrechen weniger befriedigend. So kommt es nämlich unter der Therapie mit einigen Zytostatika, wie Cisplatin und Carboplatin oder hochemetogenen Kombinationen wie Doxorubicin plus Cyclophosphamid (AC), zusätzlich zum akuten Erbrechen auch noch Tage nach der Chemotherapie zu Nausea und Emesis.

Auch hier brachte die Aufklärung der Pathogenese wieder Erfolge: Eine wesentliche Rolle in der Pathogenese spielt bei verzögerter CINV nämlich Substanz P, die an Neurokinin-Rezeptoren bindet. In einer Studie von Hesketh et al. zeigte der Neurokinin-Rezeptorantagonist Aprepitant (Emend®) eine überzeugende Wirkung bei Patientinnen unter Therapie mit AC: Im Vergleich zur antiemetischen Therapie nur aus 5-HT3-Antagonist und Dexamethason kam es durch ein Hinzufügen von Aprepitant bei mehr als doppelt so vielen Patienten nicht zu einer verzögerten CINV [2]. Inzwischen steht hier mit Fosaprepitant (Ivemend®) auch ein Neurokinin-Rezeptorantagonist als parenterale Formulierung zur Verfügung.

Palonosetron – 5-HT3-Antagonist der zweiten Generation

Als 5-HT3-Rezeptorantagonisten der ersten Generation galten in den Achtzigerjahren und frühen Neunzigerjahren Ondansetron (Zofran®) und Granisetron (Kevatril®), es folgten Tropisetron (Navoban®) und Dolasetron (Anemet®). Letzteres wurde wegen seines arrhythmogenen Potenzials inzwischen aber wieder aus dem Handel genommen.

Bei der Entwicklung dieser Substanzen waren neben guter Affinität zum Rezeptor und damit überzeugender Wirksamkeit und geringem Nebenwirkungspotenzial besonders die Dauerhaftigkeit der Bindung an den Rezeptor und die Eliminationshalbwertszeit ein wichtiges Ziel, um eine lange Wirksamkeit zu erreichen. In dem Sinne stellt Palonosetron (Aloxi®), der fünfte Vertreter der 5-HT3-Rezeptorantagonisten, eine grundsätzliche Veränderung dar und läutete die Ära der Zweitgenerations-Setrone ein. Zunächst weist es eine im Vergleich zu den ersten Setronen deutlich andere Molekülstruktur und wahrscheinlich dadurch auch eine zusätzliche und längere Wirkung auf. Es konkurriert nicht nur wie Granisetron und Ondansetron direkt mit Serotonin um die Bindungsstelle am 5-HT3-Rezeptor, sondern es kommt außerdem zu einer allosterischen Bindung an ein weiteres Zentrum des 5-HT3-Rezeptors. Offensichtlich existiert ein Cross-Talk zwischen 5-HT3- und NK-1-Rezeptoren, das heißt ein Zusammenhang zwischen der Auslösung von akutem und verzögertem CINV. Durch die Hemmung dieses Cross-Talks hat Palonosetron eine zusätzliche hemmende Wirkung auf das verzögerte CINV (Abb. 1).

Abb. 1. Zusätzlich zur Blockade des 5-HT3-Rezeptors hemmt Palonosetron den Cross-Talk der 5-HT3- und NK1-Rezeptor-getriggerten Signalwege und wirkt dadurch nicht nur in der akuten, sondern auch der verzögerten CINV-Phase. Dieser Effekt ist dosis- und zeitabhängig [Lipp, 3].

Seine deutlich längere Halbwertszeit von fast 50 Stunden und seine im Vergleich zu den anderen 5-HT3-Antagonisten etwa 30-fach erhöhte Rezeptorbindungsaffinität führen zu einer lang anhaltenden Wirkung bei der Vorbeugung von CINV, die in Studien nachgewiesen wurde. So zeigte eine Phase-III-Studie [4], in der Palonosetron bei hoch emetogenen Schemata in Kombination mit Dexamethason mit der Kombination aus Granisetron plus Dexamethason verglichen wurde, eine bessere Wirksamkeit im Palonosetron-Arm, was dazu führte, dass Palonosetron auch in den Empfehlungen der MASCC (Multinational association of supportive care in cancer) und der ESMO (European society of medical oncology) zu den zu bevorzugenden Setronen in der Therapie der akuten Emesis wurde.

Was ist wichtig für die Praxis?

In der Praxis sollte zunächst das emetogene Potenzial der Chemotherapie ermittelt werden. Tabellen sowohl für parenterale als auch für orale Zytostatika können in den Leitlinien von MASCC, ASCO (American society of clinical oncology) und ESMO nachgeschlagen werden. Für hoch (>90%), moderat (30–90%), gering (10–30%) und minimal (<10%) emetogene Zytostatika findet man in den Leitlinien Empfehlungen für verschiedene Kombinationen aus 5-HT3-Antagonisten, Dexamethason und Aprepitant, jeweils zur Prävention von akuter (<24 Stunden) bzw. verzögerter Emesis (>24 Stunden). Für moderat emetogene Schemata wird in den Leitlinien für die akute Phase (<24 Stunden) Palonosetron plus Dexamethason empfohlen. Wegen seiner lang anhaltenden Wirkung und der zusätzlichen antagonisierenden Wirkung auf die NK1-Rezeptoren ist in der verzögerten Phase (>24 Stunden) hier dann auch der Einsatz von Aprepitant nicht mehr nötig, sondern Dexamethason reicht aus. Bei hoher Emetogenität wird in den Leitlinien sowohl in der akuten als auch der verzögerten Phase noch der Einsatz des NK1-Rezeptorantagonisten Aprepitant bzw. der parenteralen Formulierung Fosaprepitant in Kombination mit 5-HT3-Antagonist und Dexamethason empfohlen, weil die Datenlage für eine ausreichende Wirksamkeit von Palonosetron plus Dexamethason hier noch ungenügend ist.

Palonosetron hat seine Wirksamkeit sowohl zur Prävention von CINV in der Begleittherapie von moderat emetogener Chemotherapie bei onkologischen wie hämatologischen Erkrankungen nachgewiesen. Es gibt keine Hinweise auf arrhythmogene Nebenwirkungen wie bei anderen Setronen. Palonosetron weist eine gute Verträglichkeit auf und ist mit hoher kardiovaskulärer Sicherheit verbunden. Es kommt nicht zu klinisch relevanten Arzneimittel-Wechselwirkungen.

Quelle

Dr. rer. nat. Hans-Peter Lipp, Tübingen, Priv.-Doz. Dr. med. Sylvie Lorenzen, München; Fachpressegespräch „Palonosetron: Stützpfeiler der Antiemese in der Onkologie“, veranstaltet von Riemser Pharma GmbH im Rahmen des 31. Deutschen Krebskongresses 2014, Berlin, 21. Februar 2014.

Literatur

1. Gralla RJ. Metoclopramide. A review of antiemetic trials. Drugs 1983;25(Suppl 1):7–11.

2. Hesketh P, et al. Aprepitant as salvage antiemetic therapy in breast cancer patients receiving doxorubicin and cyclophosphamid. Support Care Cancer 2009;17:1065–70.

3. Rojas C, et al. The antiemetic 5-HT3 receptor antagonist Palonosetron inhibits substance P-mediated responses in vitro and in vivo. J Pharmacol Exp Ther 2010;335:362–8.

4. Saito M, Aogi K, Sekine I, et al. Palonosetron plus dexamethasone versus granisetron plus dexamethasone for prevention of nausea and vomiting during chemotherapy: a double-blind, double-dummy, randomised, comparative phase III trial. Lancet Oncol 2009;10:115–24.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(04)