Herpes genitalis

Pritelivir als neue Behandlungsoption?


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

In einer randomisierten Studie konnte Pritelivir, der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffgruppe von Helicase-Primase-Inhibitoren, bei symptomfreien Patienten mit Herpes genitalis die Freisetzung von Viren deutlich unterdrücken. Auch die Anzahl der Tage mit Herpes-Symptomen wurde reduziert. Ungeklärte Befunde aus einer tierexperimentellen Studie ließen allerdings Zweifel über die Sicherheit dieses Wirkstoffs aufkommen.

Seit drei Jahrzehnten sind Nukleosidanaloga die Mittel der Wahl bei der Behandlung genitaler Virusinfektionen mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV). Zu den heute verfügbaren Wirkstoffen zählen Aciclovir, Valaciclovir und Famciclovir. Diese Substanzen werden zunächst durch die virale Thymidinkinase phoshoryliert; nach dieser Aktivierung inhibieren sie die HSV-DNA-Polymerase.

Nukleosidanaloga können zwar die Symptome einer genitalen Virusinfektion lindern, nicht aber die Virusausscheidung über die Schleimhäute (und damit auch die Übertragung auf Sexualpartner) stoppen. Weiterhin können bei einer längeren Therapie, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten, Resistenzen auftreten, weshalb nach alternativen Therapiemöglichkeiten gesucht werden muss.

Eine Option hierfür bietet das Thiazolderivat Pritelivir. Es ist der erste Vertreter aus einer neuen Substanzklasse antiviraler Wirkstoffe, welche die HSV-Replikation inhibieren, indem sie den viralen Helicase-Primase-Enzymkomplex als Zielscheibe haben. Pritelivir bindet an diesen Komplex, der sich aus den Genprodukten von UL5, UL8 und UL52 zusammensetzt. Im Unterschied zu den Nukleosidanaloga muss Pritelivir nicht durch Phosphorylierung aktiviert werden und ist auch in nicht infizierten Zellen aktiv. Sowohl in vitro als auch in vivo zeigte Pritelivir eine Aktivität gegen HSV-1 und HSV-2, einschließlich solcher Stämme, die gegen Nukleosidanaloga resistent waren.

Studienziel und -design

Ziel einer randomisierten, parallelen, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie war es, Wirksamkeit und Sicherheit von Pritelivir zu untersuchen. Durchgeführt wurde die Studie zwischen April und Dezember 2010 an sieben Zentren in den USA an 156 sym-ptomfreien Probanden über 18 Jahre, die HSV-2-positiv waren und seit mindestens einem Jahr unter rezidivierendem Herpes genitalis litten. Sie wurden randomisiert im Verhältnis 1:1:1:1:1 auf folgende fünf Studienarme verteilt:

  • Initialdosis von 20 mg, gefolgt von einer täglichen Dosis von 5 mg Pritelivir
  • Initialdosis von 100 mg, gefolgt von einer täglichen Dosis von 25 mg Pritelivir
  • Initialdosis von 300 mg, gefolgt von einer täglichen Dosis von 75 mg Pritelivir
  • Eine wöchentliche Dosis von 400 mg Pritelivir
  • Plazebo

Die Studienmedikationen wurden über jeweils 28 Tage verabreicht.

Primärer Studienendpunkt war die genitale Virusausscheidung. Dafür machten die Probanden täglich Genitalabstriche, die mithilfe der quantitativen Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ausgewertet wurden. Außerdem erhielten die Studienteilnehmer Tagebücher, in die sie genitale Anzeichen und Symptome eintrugen.

Studienergebnis

Insgesamt wurden 4180 Genitalabstriche untersucht, 435 (10,4%) waren HSV-positiv. Genitales HSV wurde mindestens einmal bei 87 der 155 auswertbaren Studienteilnehmer gefunden (56%).

Während der 28-tägigen Behandlungsdauer ließ sich in der Plazebo-Gruppe an 16,6% der Tage eine Virusausscheidung nachweisen, gegenüber an 18,2% der Tage im 5-mg-Arm, 9,3% der Tage im 25-mg-Arm, 2,1% der Tage im 75-mg-Arm und 5,3% der Tage bei Probanden, die wöchentlich 400 mg Pritelivir erhielten (Tab 1).

Auch der Anteil der Tage mit genitalen Läsionen konnte mit Pritelivir deutlich gesenkt werden: von 9,0% in der Plazebo-Gruppe auf 1,2% sowohl im Studienarm mit 75 mg Pritelivir täglich als auch in der Gruppe, die wöchentlich mit 400 mg Pritelivir behandelt wurde (Tab. 1).

Die Verträglichkeit von Pritelivir war gut. Nur drei Patienten brachen die Studie ab. Als häufigstes behandlungsbezogenes unerwünschtes Ereignis wurde Übelkeit und Brechreiz genannt.

Tab. 1. Wirksamkeit von Pritelivir im Vergleich zu Plazebo [Wald A et al.]

Plazebo

Pritelivir

5-mg/Tag

Pritelivir

25mg/Tag

Pritelivir

75mg/Tag

Pritelivir

400mg/Woche

Anteil der Tage mit nachweisbarer Virusausscheidung

16,6%

18,2%

9,3%

2,1%

5,3%

Relatives Riskiko für Virusausscheidung im Vergleich zu Plazebo (95%-KI)

1,11*

(0,65–1,87)

0,57*

(0,31–1,03)

0,13***

(0,04–0,38)

0,32***

(0,17–0,59)

Anteil der Tage mit genitalen Läsionen

9,0%

12,5%

3,5%

1,2%

1,2%

Relatives Riskiko für genitale Läsionen im Vergleich zu Plazebo (95%-KI)

1,39*

(0,59–3,30)

0,41*

(0,16–1,09)

0,13**

(0,02–0,70)

0,13**

(0,03–0,52)

* p>0,05; ** 0,001≥p≤0,05; *** p<0,001; KI: Konfidenzintervall

Fazit

Die vorliegende Studie belegt eine hoch signifikante Wirksamkeit des neuen Helicase-Primase-Inhibitors Pritelivir gegenüber Plazebo bei symptomlosen Patienten mit einer rezidivierenden genitalen Herpes-simplex-Infektion. Sowohl die mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion ermittelte Virusausscheidung als auch die Anzahl der Tage mit genitalen Läsionen konnte mit Pritelivir deutlich gesenkt werden. Hinweise auf eine Resistenz wurden nicht gefunden, was im Hinblick auf die nur 28-tägige Therapiedauer allerdings noch nicht sehr aussagekräftig ist.

Diskussion

Pritelivir wurde in der vorliegenden Studie gut vertragen. Dagegen stehen Ergebnisse aus einer toxikologischen Studie mit Affen, in der noch nicht erklärbare dermale und hämatologische Befunde aufgetreten waren. Allerdings lagen die getesteten Dosen in dieser tierexperimentellen Studie um 70- bis 900-mal höher als die 75-mg-Dosis beim Menschen. Dennoch hat die US-Arzneibehörde FDA im Mai 2013 die klinische Entwicklung von Pritelivir vorerst gestoppt. Es bleibt also abzuwarten, ob die neue Wirkstoffgruppe der Helicase-Primase-Inhibitoren – möglicherweise auch in Kombination mit herkömmlichen Substanzen – neue Therapieoptionen für schwere HSV-Infektionen bietet.

Quellen

Wald A, et al. Helicase-primase inhibitor pritelivir for HSV-2 infection. N Engl J Med 2014;370:201–10.

Whitley RJ, Prichard M. A novel potential therapy for HSV. N Engl J Med 2014;370:273–4.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(04)