Toxische Myopathien


Christoph Kuhm und Thomas Klopstock, München

Unter toxischen Myopathien werden Muskelschäden durch externe Einflüsse wie Arzneimittel oder Alkohol und Drogen verstanden. Alkohol-induzierte Myopathien sind dabei deutlich häufiger als Arzneimittel-induzierte Myopathien, die vor allem durch zu hohe Arzneimitteldosen auftreten. Das Spektrum ist äußerst vielfältig und reicht von lokalen Muskelschäden bis hin zu generalisierten Verlaufsformen wie der nekrotisierenden Myopathie. Die kausale Therapie toxischer Myopathien besteht aus der Beseitigung der ursächlichen Noxe. Zusätzlich müssen jedoch Komplikationen wie ein akutes Nierenversagen vermieden werden und eine symptomatische Therapie, beispielsweise in Form einer adäquaten Analgesie, erfolgen. Bei rascher Identifikation und Beseitigung des auslösenden Agens ist die Prognose der toxischen Myopathien gut. Präventiv sollten zu hohe Arzneimitteldosen vermieden und mögliche medikamentöse Wechselwirkungen beachtet werden.
Arzneimitteltherapie 2014;32:87–92

Alkoholmyopathie

Die Alkohol-induzierte Myopathie stellt die häufigste Form der toxischen Myopathien dar und kann in drei Verlaufsformen unterteilt werden.

Akute Alkoholmyopathie

Die akute Alkoholmyopathie (Synonym: akute alkoholische Myopathie) wurde erstmals 1968 von Mayer und Kollegen beschrieben [26]. Dieses Krankheitsbild zeichnet sich durch einen hochakuten Verlauf aus und kann sowohl durch Alkoholexzess als auch durch Alkoholentzug bei chronischem Alkoholmissbrauch ausgelöst werden. Die genaue Pathogenese, die zum Zerfall der Muskulatur führt, ist noch weitestgehend unverstanden. Klinisch imponieren eine hochgradige Schmerzhaftigkeit, Schwellung und Überwärmung verschiedener Muskelgruppen, die oft zur Bewegungsunfähigkeit führen. Prinzipiell können sämtliche Muskelgruppen betroffen sein, wobei die Augen- und Gesichtsmuskulatur typischerweise ausgespart bleibt. Laborchemisch zeigt sich eine starke Erhöhung der Muskelenzyme Creatinkinase (CK), Lactatdehydrogenase (LDH) und Myoglobin sowie eine Hyperkaliämie [30]. Diese Werte normalisieren sich in Regel innerhalb einer Woche. In der Muskelbiopsie (im symptomarmen Intervall) können gelegentlich vereinzelte Muskelfasernekrosen gefunden werden. Eine kausale Therapie – mit Ausnahme absoluter Alkoholkarenz – besteht nicht. Die Akuttherapie zielt vor allem auf das Vermeiden von Komplikationen wie dem akuten Nierenversagen (ausreichende Hydratation) oder Kompartmentsyndrom (chirurgische Entlastung). Möglicherweise haben auch hochdosierte Glucocorticoide einen positiven Effekt [1]. In der Regel verschwindet die Muskelschwäche innerhalb weniger Wochen, jedoch sind auch Verlaufsformen mit persistierenden Paresen beschrieben. Das klinische Bild mit starken Myalgien, akuter Schwellung und Überwärmung der Muskulatur kann gelegentlich die Symptomatik einer Beinvenenthrombose imitieren, die daher differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden sollte.

Chronische Alkoholmyopathie

Langjähriger Alkoholkonsum kann bei bis zu zwei Dritteln der Alkoholabhängigen zu einer chronischen Myopathie führen. Das Ausmaß der Myopathie korreliert dabei positiv mit der Gesamtlebensalkoholdosis [32]. Klinisch führend sind schmerzlose, proximal betonte Paresen, vor allem an der unteren Extremität. Begleitend bestehen oft weitere Symptome des langjährigen Alkoholabusus (Polyneuropathie, Symptome der Leberzirrhose wie Gerinnungsstörung und Aszites) sowie eine Kardiomyopathie [42]. Laborchemisch zeigt sich nur selten eine Erhöhung der CK, jedoch findet sich meist eine Erhöhung der Leberenzyme. Bildmorphologisch finden sich in der Kernspintomographie (MRT) Muskelatrophien, deren histopathologisches Korrelat eine Atrophie der Typ-II-Fasern ist [33]. Als mögliche Pathomechanismen kommen Störungen im Insulin-Stoffwechsel sowie im Insulin-like-Growth-Factor(IGF)-Signalweg infrage [28]. Die Therapie der chronischen Alkoholmyopathie besteht in einer strikten Alkoholkarenz oder einem reduzierten Alkoholkonsum, der auch schon zu einer gewissen Besserung der klinischen Symptomatik führt. Begleitend sind Physiotherapie und ausgewogene Ernährung zu empfehlen.

Hypokaliämische Alkoholmyopathie

Eine Sonderform der Alkohol-induzierten Myopathie ist die hypokaliämische Alkoholmyopathie. Diese Hypokaliämie kann multiple Ursachen haben: thyreotoxisch, renal beispielsweise durch Verlust von Kalium über die Niere; endokrinologisch beispielsweise bei Morbus Crohn; medikamentös durch Schleifendiuretika und andere Arzneimittel. An dieser Stelle soll jedoch ausschließlich auf eine Hypokaliämie durch gastrointestinale Kaliumverluste (z.B. Erbrechen oder verminderte Resorption) im Rahmen des exzessiven Alkoholkonsums eingegangen werden [37]. Klinisch imponieren subakut auftretende, schmerzlose, proximal betonte Paresen. Laborchemisch findet sich eine ausgeprägte Hypokaliämie (K+ im Serum meist unter 2 mmol/l) sowie eine starke Erhöhung der Muskel- und Leberenzyme. Muskelbioptisch können Einzelfasernekrosen und Vakuolen gefunden werden [9]. Die Therapie besteht aus dem langsamen Ausgleich der Hypokaliämie (K+-Substitution unter EKG[Elektrokardiogramm]-Kontrolle und über zentralen Venenverweilkatheter) und einer Alkoholkarenz. Hierunter normalisieren sich Paresen und Laborwerte meist in ein bis zwei Wochen.

Myopathie durch Lipidsenker

CSE-Hemmer

CSE-Hemmer inhibieren die 3-Hydroxy-3-Methyl-Glutaryl-Coenzym-A(HMG-CoA)-Reductase, ein Schlüsselenzym der Cholesterolsynthese. CSE-Hemmer zählen zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Arzneistoffen und haben insgesamt ein günstiges Nutzen-Nebenwirkungs-Profil. Harmlose unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Myalgien und asymptomatische CK-Erhöhungen sind relativ häufig (ungefähr 5/100). Selten können jedoch auch schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) wie Rhabdomyolysen oder Paresen auftreten. Sämtliche CSE-Hemmer, die heute auf dem Markt sind, unterscheiden sich nicht in ihrer myotoxischen Potenz.

Pathomechanismus

Eine zentrale Rolle im Pathomechanismus könnte Coenzym Q10 (CoQ), ein Elektronen- und Protonenüberträger in der mitochondrialen Atmungskette, spielen. CSE-Hemmer inhibieren die Synthese von Mevalonat, einer Vorstufe von Cholesterol und CoQ, und erniedrigen dadurch die CoQ-Spiegel [25]. Ob eine Supplementierung von CoQ (100–200 mg/Tag) zur Besserung von Myalgien und Paresen führt, ist umstritten. Die aktuelle Datenlage hierzu ist unzureichend, da Studien mit einer ausreichend großen Patientenzahl bislang nicht existieren [7, 46]. Eine andere Theorie über den Pathomechanismus der CSE-Hemmer-induzierten Myopathie besagt, dass die Cholesterol-Reduktion selbst eine fehlerhafte Zusammensetzung der Membranen bedingt und daher myotoxisch ist. Als Bestätigung konnten Draeger und Kollegen zeigen, dass die Extraktion von Cholesterol zu Strukturveränderungen im Muskel führt [10].

Diagnostik

Die klinische Symptomatik der CSE-Hemmer-induzierten Myopathie ist variabel und reicht von Muskelschmerzen und Muskelkrämpfen über meist proximale und beinbetonte Paresen bis hin zu fulminanten Verläufen einer Rhabdomyolyse mit Myoglobinurie und akutem Nierenversagen. Wegweisende Befunde sind eine Erhöhung der CK, myopathische Veränderungen in der Elektromyographie (EMG) sowie Muskelfasernekrosen mit Entzündungszellen und Myophagozytosen in der Muskelbiopsie [39].

Metabolismus und Mutationen

Unverzichtbar in der Abklärung der Beschwerden ist die genaue und vollständige Erhebung der Arzneimittelanamnese, da einige CSE-Hemmer über Cytochrom P450-3A4 (CYP3A4) metabolisiert werden und hierdurch vielfältigen Interaktionen unterliegen.

Weiterhin finden sich auch individuelle Unterschiede in der Enzymaktivität unter anderem von Cytochrom P450, wodurch sich individuell stark schwankende Arzneistoffspiegel ergeben können [17, 44]. In mehreren genomweiten Assoziationsstudien konnte eine starke Assoziation zwischen CSE-Hemmer-induzierten Myopathien und Polymorphismen im SLCO1B-Gen nachgewiesen werden. Dieses Gen kodiert für den Anionentransporter OATP1B1, der für die Aufnahme von CSE-Hemmern in die Zelle, vor allem in der Leber, verantwortlich ist. Patienten mit ein oder zwei C-Allelen (statt des TT-Wildtyps) im rs4149056-Polymorphismus haben deutlich höhere CSE-Hemmer-Konzentrationen im Blut [20]. Personen mit dem Genotyp TC hatten ein 4,5-fach, Personen mit dem Genotyp CC ein 16,9-fach höheres Risiko, eine Simvastatin-induzierte Myopathie zu erleiden als Personen mit dem Wildtyp-Genotyp TT [35]. Ähnliche Beobachtungen wurden auch mit anderen CSE-Hemmern gemacht und es konnten weitere Polymorphismen, die mit einem erhöhten Myopathierisiko einhergehen, identifiziert werden.

Träger des C1236T-Polymorphismus im ABCB1-Gen, das für ein Membran-assoziiertes Protein der ATP-bindenden Kassette(ABC)-Transporter kodiert, haben niedrigere Gesamt- und LDL-Cholesterolspiegel nach Simvastatin-Gabe im Vergleich zu Personen, die diesen Polymorphismus nicht tragen. Ein weiterer Polymorphismus (rs4693570) betrifft das COQ2-Gen, das für die Para-Hydroxybenzoat-Polyprenyltransferase kodiert, die an der Biosynthese von CoQ beteiligt ist. Personen, die diesen Polymorphismus tragen, berichten deutlich häufiger über CSE-Hemmer-induzierte Myalgien [27].

Neben symptomatischen Therapieoptionen sollte – abhängig vom Schweregrad – der CSE-Hemmer abgesetzt werden (Abb. 1). Hierbei sollte immer individuell zwischen Risiko und Nutzen abgewogen und entschieden werden.

Abb. 1. Algorithmus bei CSE-Hemmer-induzierter Myopathie [mod. nach 17]; CK: Creatinkinase; ULN: upper limit of normal

Fibrate, Nicotinsäure und Cholesterolresorptionshemmer

Myotoxizität wurde auch bei anderen Lipidsenkern wie Cholesterolresorptionshemmern (Ezetimib), Fibraten (Clofibrinsäurederivate) und Nicotinsäure beschrieben. Fibrate und Nicotinsäure können vor allem in Kombination mit CSE-Hememrn oder mit anderen Erkrankungen wie Nierenversagen myotoxisch sein [45]. Ezetimib hingegen kann auch als Monotherapie Myalgien, asymptomatische CK-Erhöhungen und Rhabdomyolysen verursachen (in der Kombinationstherapie mit CSE-Hemmern jedoch deutlich häufiger). Insgesamt sind Ezetimib-induzierte Myopathien deutlich seltener als CSE-Hemmer-induzierte Myopathien, wodurch sich ein günstigeres Nebenwirkungsprofil für Ezetimib ergibt [3, 38].

Myopathie durch antiretrovirale Arzneimittel und Antibiotika

Nukleosidische/Nukleotidische Reverse-Transcriptase-Inhibitoren (NRTI/NtRTI)

NRTI und NtRTI spielen nach wie vor eine bedeutende Rolle in der Behandlung von Infektionen mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV). NRTI wie Zidovudin oder Lamivudin hemmen die reverse Transcriptase des HIV durch Substratkompetition. Aufgrund von Strukturähnlichkeiten wird gleichzeitig jedoch auch die mitochondriale DNA-Polymerase gamma (POLG) und damit die Replikation der mitochondrialen DNA gehemmt. Hierdurch kann das Bild einer mitochondrialen Myopathie mit Muskelschmerzen bzw. -schwäche und CK-Erhöhung sowie entsprechenden Befunden in der Muskelbiopsie (Ragged red fibers [RRF], Cytochrom-C-Oxidase-negative Fasern) und Molekulargenetik (Depletion der mitochondrialen DNA) entstehen [22]. Vor allem hohe NRTI-Dosen (z.B. Zidovudin) im Rahmen einer Monotherapie führen zu einer Myopathie [11].

Nichtnukleosidische Reverse-Transcriptase-Inhibitoren (NNRTI)

NNRTI wie Efavirenz sind ebenfalls zentraler Bestandteil der HIV-Therapie. Im Gegensatz zu NRTI und NtRTI sind bei den NNRTI keine Myopathien beschrieben und UAW bestehen vor allem aus zentralnervösen Störungen. Eventuell beeinflussen auch NNRTI die mitochondriale Funktion [4].

Proteaseinhibitoren

1996 wurde die HIV-Therapie um die Gruppe der Proteaseinhibitoren, wie z.B. Indinavir, Ritonavir oder das neuere Atazanavir, ergänzt. Diese führen häufig zu gastrointestinalen Beschwerden, verursachen jedoch deutlich seltener als NRTI muskuläre Beschwerden wie Rhabdomyolysen. Proteaseinhibitoren besitzen allerdings zahlreiche Wechselwirkungen, was bei gleichzeitiger Anwendung von anderen potenziell myotoxischen Arzneimitteln beachtet werden sollte. In der Literatur findet sich ein Fall, bei dem ein Proteaseinhibitor in Kombination mit einem CSE-Hemmer eine Rhabdomyolyse auslöste [14].

Meistens werden die drei oben genannten Wirkstoffgruppen kombiniert als sogenannte hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) eingesetzt. Hierunter treten myotoxische Komplikationen, womöglich durch niedrigere Arzneimitteleinzeldosen, deutlich seltener auf.

Fluorchinolone

Fluorchinolone können in vier Gruppen eingeteilt werden. Gruppe 1 (z.B. Norfloxacin) und Gruppe 2 (z.B. Ofloxacin oder Ciprofloxacin) sind vor allem im gramnegativen (und intrazellulären) Erregerspektrum wirksam und kommen hauptsächlich bei Harnwegs- (und Atemwegs-)Infekten zum Einsatz. Hingegen sind Gruppe 3 (z.B. Levofloxacin) und Gruppe 4 (z.B. Moxifloxacin) vor allem gegen grampositive Erreger wirksam und werden hauptsächlich bei Atemwegsinfekten und systemischen Infektionen eingesetzt. Myotoxische UAW sind für alle vier Gruppen der Fluorchinolone beschrieben und reichen von leichten Myalgien bis hin zu Rhabdomyolysen mit fatalem Verlauf [12, 13, 16, 31, 34]. Bei der Durchsicht der Fallberichte fällt auf, dass muskuläre UAW vor allem bei multimorbiden Patienten auftraten. Deutlich häufiger als Myopathien verursachen Fluorchinolone jedoch Tendinopathien, die vor allem die Achilles-Sehne betreffen. Auf jeden Fall muss bei Verdacht auf myotoxische UAW eine weitere Abklärung (z.B. durch CK-Bestimmung) erfolgen und das Fluorchinolon abgesetzt werden. Als möglicher auslösender Pathomechanismus wird eine vermehrte Produktion von Sauerstoffradikalen durch Fluorchinolone diskutiert [23].

Myopathie durch Immunsuppressiva und Antirheumatika

Glucocorticoide

Glucocorticoide gehören zu den am häufigsten verwendeten Immunsuppresiva und haben, besonders bei langfristiger Einnahme, ein ausgeprägtes Nebenwirkungsprofil.

Die sogenannte Glucocorticoid-induzierte Myopathie wurde schon vor mehreren Jahrzehnten beschrieben und ihre Entstehung wird vor allem in der insgesamt katabolen Wirkung der Glucocorticoide gesehen. Klinisch dominiert typischerweise eine proximal betonte Muskelschwäche, die sich zuerst an der unteren Extremität manifestiert. Muskelschmerzen, eine Erhöhung der CK sowie Veränderungen im EMG bestehen normalerweise nicht. Es besteht eine positive Korrelation zwischen Glucocorticoid-Dosis und Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Glucocorticoid-induzierten Myopathie. Insgesamt gesehen findet sich eine solche eher selten bei einer Prednisolon-Dosis von unter 10 mg pro Tag [5]. Myopathien durch langfristige Glucocorticoid-Therapie sind deutlich häufiger als Myopathien durch eine kurzzeitige hochdosierte Glucocorticoid-Therapie. Letztere kann bei intensiv- und beatmungspflichtigen Patienten oder im Rahmen eines „Acute respiratory Distress Syndrome“ eine sogenannte „Critical Illness“-Myopathie verursachen [18, 21].

Colchicin

Colchicin-induzierte Myopathien sind selten. In den beschriebenen Fällen finden sich klinisch proximal betonte Muskelschwäche und -schmerzen, die in der Regel mehrere Tage bis Wochen nach Beginn der Therapie auftreten. Laborchemisch besteht eine deutliche Erhöhung der CK und im EMG finden sich myopathische Veränderungen. Auch hier besteht die Therapie aus dem Absetzen des Arzneimittels sowie der Vermeidung von Komplikationen wie Nierenversagen [43].

Chloroquin und Hydroxychloroquin

Chloroquin und Hydroxychloroquin wurden ursprünglich für die Therapie der Malaria entwickelt, allerdings werden sie hierzulande vor allem in der Rheumatologie eingesetzt. Beide Arzneimittel haben multiple UAW (gastrointestinal, hepatisch, renal etc.) und können zu einer Neuromyopathie führen. Meist bestehen proximal betonte Paresen, nicht selten mit Beteiligung der Atemmuskulatur und des Herzens. Die CK ist häufig normwertig, jedoch finden sich Veränderungen in der Muskelbiopsie (Faseratrophie und Vakuolen). Bei Verdacht auf eine (Neuro-)Myopathie sollten beide Arzneimittel abgesetzt werden [40].

Weitere Immunsuppressiva

Einige weitere Immunsuppressiva können ebenfalls eine Myopathie auslösen. Deutlich häufiger als bei einer Monotherapie treten Myopathien bei Kombination von Immunsuppressiva mit CSE-Hemmern und anderen Myopathie verursachenden Arzneistoffen auf. Myopathien wurden bisher vor allem bei Einnahme von Ciclosporin, Tacrolimus und Sirolimus beschrieben.

Dermatomyositis

Neben myopathischen Beschwerden kann auch eine Dermatomyositis als UAW auftreten. Symptome einer solchen sind eine proximal betonte Muskelschwäche, eine CK-Erhöhung, schmerzhafte heliotrope Erytheme und Grotton-Papeln (flache, rötlich-livide Papeln und Plaques unterschiedlicher Größe, meist auf den Streckseiten von Händen und Fingern). Als Auslöser einer Dermatomyositis wurden unter anderem folgende Wirkstoffe identifiziert: CSE-Hemmer, Fibrate, Hydroxyurea, D-Penicillamin, Omeprazol, Phenytoin, Tegafur, Interferon alfa, Alfuzosin und Terbinafin [24]. Einige dieser Wirkstoffe wurden bereits mit der Entstehung von Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang gebracht. Im Gegensatz zu toxischen Effekten können medikamentös verursachte Autoimmunreaktionen auch nach Absetzen des entsprechenden Agens persistieren und wiederum den Einsatz von anderen Immunsuppressiva nötig machen [17].

Lokale Myopathien durch intramuskuläre Injektionen

Neben systemischen UAW können auch lokale Muskelbeschwerden auftreten. Diese treten normalerweise im Rahmen von Injektionen in den betroffenen oder benachbarten Muskel auf. Die lokale toxische Potenz hängt dabei wesentlich von den physikalischen und chemischen Eigenschaften wie Volumen und Grad der Verdünnung ab.

Akute Reaktionen

Akute Reaktionen umfassen typische punktionsbedingte Komplikationen wie Schmerz, Schwellung, Blutung, Infektion oder Abszess. Darüber hinaus können Diazepam, Digoxin sowie Lokalanästhetika zu lokalen Muskelnekrosen führen. Von Letzteren verursacht Procain den geringsten, Bupivacain den größten Schaden. Die Größe des Schadens korreliert positiv mit dem injizierten Volumen und der Anzahl der Injektionen. Außerdem ist der injektionsbedingte Schaden in kleinen Muskeln wie den Augenmuskeln bedeutend größer als in größeren Muskeln wie der Skelettmuskulatur [15].

Eine weitere akute Komplikation ist das sogenannte Nicolau-Syndrom (Synonym: Embolia cutis medicamentosa). Hierbei kommt es durch versehentliche intraarterielle Injektion zur Embolisation des Gefäßes mit anschließender Ischämie und Nekrose. Auch ein Vasospasmus bedingt durch eine periarterielle Injektion kann zur Nekrose führen. Klinisch treten unmittelbar nach der Injektion stärkste Schmerzen sowie eine Blässe oder Verfärbung der Haut auf. Auslöser des Nicolau-Syndroms können Lokalanästhetika, Glucocorticoide, Diclofenac oder Penicillin sein [29, 36].

Die Therapie ist symptomatisch und umfasst eine adäquate Analgesie sowie gegebenenfalls antibiotische und chirurgische Maßnahmen.

Chronische Reaktionen

Bereits nach einmaligen, aber verstärkt nach mehrmaligen i.m. Injektionen kann es auch zu chronischen UAW kommen. Diese bestehen aus Indurationen, Fibrosierungen bis hin zu Kontrakturen, die chirurgisch gelöst werden müssen. Am häufigsten sind die Musculi quadriceps femoris, triceps brachii und deltoideus betroffen [2, 6, 8]. Wie bei den akuten Reaktionen ist die Toxizität auch bei den chronischen Reaktionen von den physikochemischen Eigenschaften der injizierten Substanz abhängig. Besonders (mehrmalige) Injektionen von Antibiotika (v.a. Penicillin und Streptomycin) bei Kindern sowie regelmäßiger i.m. Drogenmissbrauch mit Opioiden (v.a. Pentazocin und Pethidin) führen zu oben beschriebenen Veränderungen [19].

Zusammenfassung

Myopathien treten nur bei einem Bruchteil der Patienten, die ein gewisses Arzneimittel einnehmen, auf. Da die am häufigsten auslösenden Arzneistoffe (Tab. 1), vor allem CSE-Hemmer, jedoch von vielen Patienten eingenommen werden und die Zahl der Alkoholkranken unverändert hoch ist, sind toxische Myopathien absolut gesehen häufig. Zudem können weit mehr als die hier aufgeführten Arzneistoffe eine toxische Myopathie auslösen. Oft sind die Symptome jedoch unspezifisch (Myalgien) oder subklinisch, und es kann kein Zusammenhang mit einem Arzneimittel hergestellt werden.

Tab. 1. Die häufigsten Arzneistoffe, die Myopathien verursachen

Arzneistoff/-gruppe

Inzidenz

Referenz

CSE-Hemmer

Bei 1–5% aller Patienten

[41]

Glucocorticoide

Bei 2,4–21% der Patienten, die langfristig Glucocorticoide einnehmen

[18]

Antiretrovirale Arzneistoffe

Häufig

[17]

Colchicin

82 Fallberichte

[43]

Chloroquin/Hydroxychloroquin

10 Fallberichte

[40]

Ezetimib

6 Fallberichte

[38]

Fluorchinolone

Wenige Fallberichte

[16]

Generell gilt, dass vor Ansetzen eines Arzneimittels immer die Vor- und Nachteile der Pharmakotherapie abgewogen werden müssen. Hierbei müssen sowohl individuelle Risikofaktoren wie Unterschiede bei der Metabolisierung als auch mögliche Interaktionen des Arzneimittels bedacht werden. Besonders bei der Kombination von verschiedenen (potenziell myotoxischen) Wirkstoffen ist Vorsicht geboten, da es zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln gibt, die die Wirkstoffspiegel verändern und damit ihre Toxizität erhöhen können. Ebenfalls sollte immer auf die Dosierung geachtet und diese an mögliche Komorbiditäten (z.B. verminderte Elimination bei eingeschränkter Nierenfunktion) angepasst werden. Allerdings können Arzneimittel-induzierte Myopathien auch bei Beachtung all dieser Punkte auftreten.

Finden sich Hinweise auf eine toxische Myopathie, ist eine rasche Identifikation des auslösenden Agens von zentraler Bedeutung, um die Beschwerden schnellstmöglich zu lindern und etwaige Komplikationen zu vermeiden. Die kausale Therapie, das Absetzen des auslösenden Agens, muss unverzüglich stattfinden.

Interessenkonflikterklärung

CK gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

TK gibt an, Honorare bzw. Forschungsbeihilfe von Actelion Pharmaceuticals Ltd, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Eisai Japan, GlasxoSmithKline GmbH & Co. KG, H. Lundbeck A/S, Santhera Pharmaceuticals Ltd, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der European Comission (7th Framework Programme) erhalten zu haben.

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Christoph Kuhm, Prof. Dr. med. Thomas Klopstock, Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München, Ziemssenstraße 1a, 80336 München, E-Mail: Christoph.Kuhm@med.uni-muenchen.de

Toxic myopathies

Toxic myopathies describe a heterogeneous group of muscle damage caused by external factors such as drugs. Myopathies induced by alcohol are much more common than those by pharmaceuticals which are mainly caused by overdosing. The spectrum of toxic myopathies varies widely and ranges from local muscle damage to generalized forms such as necrotizing myopathy. Therapy of toxic myopathies consists of identification and cessation of the triggering agent. In addition, complications such as acute renal failure need to be prevented and symptomatic treatment such as adequate analgesia has to be ensured. Prognosis of toxic myopathies is good if the causative agent is identified and eliminated rapidly. Preventive high drug levels should be avoided and potential pharmacological interactions need to be considered.

Key words: Myopathy, toxic, statin, alcohol, antiretroviral

Arzneimitteltherapie 2014; 32(04)