Michael Koczorek, Bremen
Die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) ist im Signalweg des B-Zell-Rezeptors ein wichtiges Protein für das Überleben von Lymphomzellen. Ibrutinib blockiert die BTK, unterbricht so die Signalkaskade und unterbindet damit die Proliferation maligner B-Zellen.
Bei der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) und dem Mantel-Zell-Lymphom (Mantle cell lymphoma, MCL) zeigt die Monotherapie mit dem oralen BTK-Inhibitor Erfolg versprechende Ergebnisse mit hohen Remissionsraten bei guter Verträglichkeit in der rezidivierten beziehungsweise refraktären Situation auch bei Hochrisikopatienten. Das demonstrieren aktuelle Studien zur Sicherheit und Effektivität der Substanz.
Vorwiegend milde unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Eine multizentrische offene Phase-Ib/II-Studie [1] untersuchte Ibrutinib (420 mg/Tag, 840 mg/Tag) an 85 Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL oder ihrer Unterform, dem kleinzelligen B-Zell-Lymphom (Small lymphocytic lymphoma, SLL).
Primärer Endpunkt war die Sicherheit der Behandlung. Schwere unerwünschte Wirkungen des Grades 3–4 waren Pneumonien (12%) und Dehydration (6%). Vorherrschend waren aber Toxizitäten Grad 1–2, am häufigsten Diarrhö, Fatigue und Infektionen der oberen Atemwege.
Die Gesamtansprechrate erreichte 71% mit partieller Response (PR) bei 68%. 20% (Dosis 420 mg/Tag) beziehungsweise 15% (Dosis 840 mg/Tag) der Patienten erreichten eine PR mit anhaltender Lymphozytose (Abb. 1). Das Ansprechen war unabhängig vom Erkrankungsstadium, der Anzahl der Vortherapien oder genetischen Risikofaktoren. In Monat 26 lag das geschätzte progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) in der Gesamtpopulation bei 75%, die Gesamtüberlebensrate bei 83%. Auch bei prognostisch ungünstiger 17p-Deletion, die ein Drittel der Patienten aufwies, sprachen 68% auf Ibrutinib an. Nach zwei Jahren waren etwa 60% noch progressionsfrei.

Abb. 1. Ansprechraten unter Ibrutinib bei Patienten mit CLL [mod. nach 1]
Hohe Ansprechrate und Verträglichkeit
Auf dem ASH 2013 wurden eine Reihe von Studien zur Therapie mit Ibrutinib vorgestellt, die die guten Sicherheits- und Effektivitätsdaten des BTK-Inhibitors bei CLL bestätigten. So zeigten sich bei O’Brian et al. [2] an 148 Patienten unerwünschte Ereignisse (UE) ab Grad 2 bei 43% der Patienten im ersten Jahr und bei 32% im folgenden Jahr, die bei nur zwölf Patienten zu einem Therapieabbruch führten. Die Ansprechrate bei therapienaiven Patienten erreichte 86% und 88% bei therapierefraktären Patienten. In Monat 30 waren 76% noch progressionsfrei.
In einer Single-Center-Phase-II-Studie [3] mit 53 Patienten mit und ohne 17p-Deletion (n=29 und n=24) zeigte sich nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten eine partielle Response bei 66% in der Gesamtgruppe (53% bei Patienten mit und 82% bei Patienten ohne Deletion). Die Differenz im Ansprechen war dabei auf den langsameren Rückgang der behandlungsinduzierten Lymphozytose bei Patienten mit 17p-Deletion zurückzuführen. Nach 22 Monaten waren 85% in der Gruppe mit und 100% in der Gruppe ohne 17p-Deletion noch progressionsfrei.
Die häufigsten unerwünschten Ereignisse – vorwiegend Grad 1 – waren Diarrhö (41%), Arthralgie (30%) und Rash (27%), die häufigsten unerwünschten Ereignisse ab Grad 3 Pneumonie (5%) und Rash (2%).
Burger et al. untersuchten an 40 Hochrisikopatienten Ibrutinib (420 mg/Tag) in Kombination mit Rituximab [4]. Hier sprachen 85% mit einer partiellen und 10% mit einer kompletten Response an. Das mediane PFS in Monat 18 war 78% in der Gesamtgruppe und 72% bei Patienten mit 17p-Deletion. Auch hier waren unerwünschte Wirkungen vorwiegend von Grad 1–2 und die häufigste Toxizität Grad ≥3 Pneumonie mit 10%.
In einer Studie zur Kombination von Ibrutinib mit Chemotherapie (Bendamustin/Rituximab bei 30 Patienten) konnte ebenfalls ein günstiges Toxizitätsprofil gezeigt werden [5]. Das Sicherheitsprofil war weitgehend konsistent mit dem Profil der Chemotherapie. Auch unter der neuen Kombination dominierten Toxizitäten Grad 1–2, das häufigste höhergradige unerwünschte Ereignis war Neutropenie in 40% der Patienten. 28 Patienten sprachen auf die Therapie an, davon fünf mit einer kompletten Response. Die Ansprechraten erscheinen unabhängig vom Risikoprofil. Derzeit wird die Kombination in einer Phase-III-Studie untersucht.
Die randomisierte Phase-III-Studie RESONATE verglich Head to Head Ofatumumab als zugelassene Therapie gegen Ibrutinib an Patienten mit rezidivierter oder refraktärer CLL beziehungsweise mit SLL. Sie wurde aufgrund der signifikanten Überlegenheit des BTK-Inhibitors nach einer geplanten Interimsanalyse abgebrochen [6].
Ibrutinib beim Mantel-Zell-Lymphom
In einer einarmigen Phase-II-Studie [7] erhielten 111 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantel-Zell-Lymphom (MCL) – einer seltenen Variante der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) – Ibrutinib in einer Tagesdosis von 560 mg.
86% der intensiv vorbehandelten Patienten (bis zu fünf Therapien inklusive Bortezomib bei 48 Patienten) hatten ein fortgeschrittenes oder Hochrisiko-MCL.
Die mediane Zeit bis zum Ansprechen betrug 1,9 Monate, nach 15 Monaten waren 68% der Patienten in anhaltender Remission – 21% mit einer kompletten und 47% mit einer partiellen Response.
Das mediane PFS war 13,9 Monate. Das mediane Gesamtüberleben war noch nicht erreicht, 58% der Patienten überlebten 18 Monate.
Die häufigsten nichthämatologischen behandlungsassoziierten unerwünschten Wirkungen Grad 1–2 waren Diarrhö, Fatigue und Übelkeit. Pneumonien waren mit 6% die häufigsten Infektionen mit einem Grad ≥3. Als häufigste hämatologische unerwünschte Wirkungen Grad 3–4 traten Neutropenien (16%), Thrombozytopenien (11%) und Anämien (10%) auf.
Quelle
Priv.-Doz. Dr. Georg Heß, Mainz; Presseworkshop „Zukunftsarbeit in der Onkologie: Die hämatologische Forschung und Entwicklung von Janssen“, Frankfurt, 14. Januar 2014, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH.
Literatur
1. Byrd JC, et al. Targeting BTK with ibrutinib in relapsed chronic lymphocytic leukemia. N Engl J Med 2013;369:32–42.
2. O’Brian S, et al. ASH 2013; Poster Presentation, Abstract #4163.
3. Farooqi M, et al. ASH 2013; Oral Presentation, Abstr. #673.
4. Burger J, et al. ASH 2013; Oral Presentation, Abstr. #675.
5. Brown JR, et al. ASH 2013; Oral Presentation, Abstr. #525.
6. ir.pharmacyclics.com/releasedetail.cfm?ReleaseID=817545
7. Wang ML, et al. Targeting BTK with ibrutinib in relapsed or refractory mantle-cell lymphoma. N Engl J Med 2013;369:507–16.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(04)