Simone Reisdorf, Erfurt
Lungenkrebspatienten werden nach dem histopathologischen und molekularbiologischen Befund ihrer Tumoren in immer mehr Subgruppen unterschieden. Unter den Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (Non small cell lung cancer, NSCLC) bilden diejenigen mit Nicht-Plattenepithelkarzinom (meist Adenokarzinom) die größte Gruppe. Viele von ihnen haben sogenannte Treibermutationen, die den Krebs fördern. Deren Nachweis ist prädiktiv für das Ansprechen zielgerichteter Therapien.
So findet sich bei etwa 5 bis 15% aller Patienten mit Nicht-Plattenepithel-NSCLC eine Umgruppierung der Genabschnitte für Echinoderm microtubule-associated Protein-like 4 (EML4) und anaplastische Lymphomkinase (ALK) [1]. Wird diese „EML4-ALK-Translokation“ etwa per Fluoreszenz-In-situ-Hybridisierung (FISH) oder per Immunhistochemie nachgewiesen, so kann bei diesen „ALK-positiven“ Patienten Crizotinib (Xalkori®) eingesetzt werden.
Studiendaten zeigen Patientennutzen
Basis für die Zulassung von Crizotinib war unter anderem die offene Phase-III-Studie „Profil 1007“. Darin waren 347 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ALK-positivem NSCLC eingeschlossen, die bereits mit einer Platin-basierten Therapie vorbehandelt waren. Sie wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert auf
- Crizotinib (zweimal täglich eine Kapsel à 250 mg) oder
- eine Chemotherapie mit Pemetrexed 500 mg/m2 oder Docetaxel 75 mg/m2, dreiwöchentlich.
Studienergebnisse
Crizotinib war signifikant wirksamer als die Chemotherapien.
Im primären Endpunkt, dem medianen progressionsfreien Überleben (Progression free survival, PFS) zeigte sich dies besonders deutlich: Es lag bei 7,7 Monaten unter Crizotinib (95%-Konfidenzintervall [KI] 6,0–8,8) versus 3,0 Monaten unter Chemotherapie (95%-KI 2,6–4,3). Dieser Unterschied war hochsignifikant (Hazard-Ratio [HR] 0,49; 95%-KI 0,37–0,64; p<0,001). Von den beiden Chemotherapien schnitt Pemetrexed mit einem medianen PFS von 4,2 Monaten wiederum besser ab als Docetaxel mit 2,6 Monaten.
Auch das Gesamtansprechen (Overall response rate, ORR) war bei den Crizotinib-Patienten mit 65,3% (95%-KI 58–72) deutlich höher als bei den Kontrollpatienten unter Chemotherapie mit 19,5% (95%-KI 14–26; p<0,001).
Zudem waren die von den Patienten berichteten Symptome (Patient-reported outcomes, PRO) unter Crizotinib signifikant verringert (HR 0,54; p<0,001).
Sicherheit
An stärker ausgeprägten unerwünschten Wirkungen (Grad 3 und 4) kamen unter Crizotinib am ehesten Transaminasenerhöhungen vor. Dagegen waren Neutropenien – vor allem mit Fieber – unter den Chemotherapien häufiger [2].
Bei Krankheitsprogress nicht unbedingt gleich Therapiestopp
Der Erfolg der Therapie wird nach den internationalen RECIST-Kriterien (Response evaluation criteria in solid tumors) definiert. So wird ein Krankheitsprogress, also im Prinzip ein Therapieversagen, unter anderem dann festgestellt, wenn die Summe der längsten Durchmesser aller zuvor festgelegten Zielläsionen um mindestens 20% über den Nadir angestiegen ist.
Dabei spielt es keine Rolle, wie tief dieser Nadir war – ob also die Tumoren unter Therapie zunächst womöglich drastisch geschrumpft waren. Ebenso spielt es für die Feststellung eines RECIST-Progresses keine Rolle, ob die Tumormasse nun bereits wieder das Ausgangsniveau erreicht oder überschritten hat.
Für die Symptomatik und das Überleben der Patienten kann dies aber sehr wohl bedeutsam sein. In einer hochaktuellen retrospektiven Analyse wurde deshalb untersucht, ob auch Patienten nach objektivem Krankheitsprogress von einer Weiterbehandlung profitieren. Dafür wurden 194 NSCLC-Patienten aus zwei klinischen Studien erfasst, die unter Crizotinib ein Fortschreiten der Erkrankung laut RECIST zu verzeichnen hatten.
120 von ihnen wurden trotzdem noch mindestens drei Wochen mit Crizotinib weiterbehandelt. Sie waren mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit (96% vs. 82%) zum Zeitpunkt des Krankheitsprogresses in einem guten Allgemeinzustand (Performance Status nach Eastern Cooperative Oncology Group [ECOG] 0 oder 1 auf einer Skala von 0–5).
Das mediane Gesamtüberleben (overall survival, OS) der Weiterbehandelten ab Progress war auf 16,4 Monate verlängert; bei den übrigen Patienten waren es nur 3,9 Monate (HR 0,27; 95%-KI 0,17–0,42; p<0,0001). Ab Therapiebeginn mit Crizotinib gerechnet, betrug das mediane OS bei fortgesetzter Therapie 29,6 Monate und sonst nur 10,8 Monate (HR 0,30; 95%-KI 0,19–0,46; p<0,0001). Dieser Überlebensvorteil blieb auch nach Adjustierung signifikant [3].
Quelle
Prof. Dr. Frank Griesinger, Oldenburg; Symposium „Personalisierte Therapie des ALK-positiven NSCLC: Fast Track in die Praxis“, veranstaltet von Pfizer im Rahmen des 31. Deutschen Krebskongresses (DKK), Berlin, 21. Februar 2014.
Literatur
1. Pao W, Girard N. New driver mutations in non-small-cell lung cancer. Lancet Oncol 2011;12:175–80.
2. Shaw AT, et al. Crizotinib versus chemotherapy in advanced ALK-positive lung cancer. N Engl J Med 2013;368:2385–94.
3. Ou SH, et al. Clinical benefit of continuing ALK inhibition with crizotinib beyond initial disease progression in patients with advanced ALK-positive NSCLC. Ann Oncol 2014;25:415–22.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(05)