Dr. Annette Junker, Wermelskirchen
Da die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) oft nicht zur Heilung führt, werden im Hinblick auf gute Resultate und wenig Graft-versus-host-Reaktionen (GVHD) solche Spenderzellen als optimal erachtet, die vom HLA-Typ bestens mit denen des Patienten zusammenpassen. Die GVHD ist eine schwere und potenziell sogar lebensbedrohliche Komplikation, die aufritt, wenn Immunzellen des Spenders die Zellen des Patienten als fremdes Gewebe erkennen und angreifen.
Leider steht oft ein optimaler Spender nicht zur Verfügung, deshalb sind alternative Behandlungsoptionen vonnöten. In letzter Zeit hat sich durchaus gezeigt, dass auch sogenannte haploidentische Transplantationen, bei denen nur ein Teil der HLA-Antigene von Spender und Empfänger identisch sind (teilweise HLA-mismatched) oder aber Transplantationen von Nabelschnurblut gangbare Alternativen sein können. Während des ASH-Kongresses wurden nun interessante neue Optionen für Patienten vorgestellt, denen kein Geschwisterteil oder ansonsten passender Spender zur Verfügung steht, aber die keine andere Behandlungsoption als eine HSCT haben.
Vielversprechende Option auch für ältere Patienten
In einer retrospektiven Analyse wurde der Nutzen einer Hochdosis-Therapie mit Cyclophosphamid (Cy) nach nichtmyeloablativen haploidentischen Stammzelltransplantationon aus Knochenmark und peripherem Blut bei 273 älteren Patienten mit hämatologischen Erkrankungen unterschiedlicher Risiken untersucht [1].
Studiendesign
Zu den Erkrankungen der untersuchten Patienten gehörten aggressive Lymphome, Mantelzell-Lymphome, indolente Lymphome, das myelodysplastische Syndrom (MDS), myeloprolerative Erkrankungen (MPD), Hodgkin-Lymphome, akute Leukämien und multiple Myelome. Für diese Patienten hatte kein passender Spender zur Verfügung gestanden.
Alle Patienten waren vor der Transplantation mit Cyclophosphamid (14,5 mg/kg i.v. an den Tagen –6 und –5), Fludarabin (30 mg/m2 i.v. an den Tagen –6 und –2) und totaler Knochenmark-Bestrahlung (200 cGy am Tag –1) behandelt worden. Am Tag 0 wurde Knochenmark mit reichlich T-Zellen (272 Patienten) oder Stammzellen aus peripherem Blut (ein Patient) transplantiert. Die GVHD-Prophylaxe nach der Transplantation bestand aus hoch dosiertem Cyclophosphamid (50 mg/kg i.v.) entweder einmal am Tag 3 (10 Patienten) oder zweimal an den Tagen 3 und 4 (263 Patienten), Mycophenolat-Mofetil und Tacrolimus. Eine Erhaltungstherapie war erlaubt und bestand aus Rituximab bei einigen Patienten mit B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (B-NHL) oder chronisch lymphatischer Leukämie (CLL). Gemäß ihres Krankheitsrisikos (Disease risk index, DRI [Blood 2012;120:905]) wurden die Patienten eingeteilt in solche mit geringem Risiko (12%), intermediärem Risiko (72%) und hohem Risiko (16%); keiner hatte ein sehr hohes Risiko.
Studienergebnisse
Nach 30 Tagen waren bei 89% der Patienten die Neutrophilen angewachsen, und nach 60 Tagen bei 85% die Thrombozyten. Ein Fehlschlagen der Spende wurde bei 12% verzeichnet. Nach 180 Tagen betrug die Todeswahrscheinlichkeit ohne Rückfall (Non relapse mortality, NRM) 11%. Die Zweijahreswahrscheinlichkeit für progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) betrug 39% bzw. 53%. In Subgruppenanalysen zeigte sich, dass das Alter keinen Einfluss auf die Mortalität, die nicht durch einen Rückfall zustande kam (NRM), und auch keinen direkten Einfluss auf das PFS hatte. Allerdings gab es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Risikogruppierungen nach DRI und der Dauer des PFS (p<0,003) (Abb. 1).

Abb. 1. Nach einer nichtmyeloablativen haploidentischen Stammzelltransplantation und anschließender Hochdosis-Therapie mit Cyclophosphamid hat nur das Krankheitsrisiko (DRI), nicht aber das Alter des Patienten einen signifikanten Einfluss auf die Länge des progressionsfreien Überlebens (PFS). Es gibt auch keinen Zusammenhang zwischen Alter und Non Relapse Mortality (NRM) [1].
Manipulierte T-Zellen führen nach der Transplantation zu einer Krankheitsrückbildung
In einer weiteren Studie wurde der Einsatz sogenannter chimärer Antigenrezeptoren (CAR) bei zehn Patienten mit B-Zell-Lymphomen, die schon eine ohne mehrere HSCT hinter sich hatten, überprüft [2].
Studiendesign
Die Forscher extrahierten T-Zellen von den jeweiligen gesunden Spendern der einzelnen Patienten. Im Labor wurden diese T-Zellen dann mit einer genetischen Maschinerie so ausgestattet, dass das sogenannte B-Zell-Antigen CD19 erkannt und dann nach der Transfusion in den Patienten von der manipulierten T-Zelle attackiert wird. Das Antigen CD19 ist ein Protein, das von malignen B-Zellen exprimiert wird.
Studienergebnisse
Nach der Infusion der so modifizierten T-Zellen ohne jegliche Chemotherapie kam es bei drei der Patienten zu einer signifikanten Krankheitsregression, die komplette Remission hielt bei einem Patienten sogar neun Monate an. Bei einem vierten Patienten stellte sich eine Stabilisierung der Erkrankung ein, die elf Monate anhielt. Wesentlich war auch, dass es bei keinem der Patienten zu einer Graft-versus-Host-Reaktion kam. An Nebenwirkungen dieser Therapie kam es zu Fieber und Blutdrucksenkung, beides war aber nach zwei Wochen wieder behoben.
Fazit des Studienautors
Die Ergebnisse dieser Studie sind besonders spannend, so der Studienautor Dr. James Kochenderfer, NCI, Bethesda, weil sie zeigen, dass eine geringe Anzahl dieser modifizierten Zellen zu Krankheitsregressionen bei hochgradig Therapie-resistenten bösartigen B-Zell-Tumoren führt, ohne eine GVHD hervorzurufen. Somit könnten sie eine neue Behandlungsoption für Patienten mit sehr aggressiven Erkrankungen darstellen, für die es keine anderen Optionen mehr gibt. Im Weiteren soll versucht werden, die Langlebigkeit dieser modifizierten T-Zellen im Körper zu erhöhen und die Toxizität zu verringern.
Zusammenfassung
Einige während des ASH präsentierte Studien weisen auf Fortschritte bei hämatopoetischen Stammzelltransplantationen hin. So kommt es bei nichtmyeloablativen haploidentischen Transplantationen nicht zu unüberwindbaren Toxizitäten, wenn nach der Transplantation zur GVHD-Prophylaxe eine hoch dosierte Therapie mit Cyclophosphamid durchgeführt wird. Selbst bei Patienten über 70 Jahren kam es unter dieser Therapie im Vergleich zu solchen um die 50 nicht zu einer deutlichen Einschränkung des Gesamtresultats. Somit sollte fortgeschrittenes Alter nicht weiterhin als Hindernis für eine erfolgreiche HLA-mismatched Knochenmarktransplantation angesehen werden. Der Disease Risk Index ist allerdings sehr nützlich für eine Risiko-Stratifizierung.
Einen Fortschritt in der Grundlagenforschung stellt sicher der Einsatz der chimären Antigenrezeptoren (CAR) dar. Diese könnten eine neue Behandlungsoption für Patienten mit sehr aggressiven Erkrankungen darstellen, für die es keine anderen Optionen mehr gibt.
Literatur
1. Kasamon Y, et al. Encouraging outcomes in older patients (pts) following non-myeloablative (NMA) haploidentical blood or marrow transplantation (haploBMT) – with high-dose posttransplantation cyclophosphamide (PT/Cy). 55th ASH Annual Meeting, New Orleans, 7.–10.12.2013, abstract 158.
2. Kochenderfer JN, et al. Donor-derived anti-CD19 chimeric-antigen-receptor-expressing T-cells cause regression of malignancy persisting after allogeneic hematopoietic stem cell transplantation. 55th ASH Annual Meeting, New Orleans, 7.–10.12.2013, abstract 151.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(06)