Michael Koczorek, Bremen
Bereits die Studie HORIZONS-AMI (Harmonizing outcomes with revascularization and stents in acute myocardial infarction) [1–3] hatte gezeigt, dass Patienten mit STEMI vor primärer perkutaner Koronarintervention (PCI) langfristig von der Akuttherapie mit Bivalirudin (Angiox®) profitieren. Der spezifische und reversible direkte Thrombinhemmer reduzierte im Vergleich mit Heparin plus Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Inhibitor die 3-Jahressterblichkeit bei Patienten mit und ohne schwere Blutung signifikant. An der Studie wurde jedoch Kritik geübt: Die Standardtherapie mit routinemäßigem GP-IIb/IIIa-Inhibitor-Einsatz sowie Heparin-Vortherapie sei veraltet gewesen, ein radialer Zugang für die PCI nur selten genutzt und neue ADP-Rezeptorantagonisten nicht eingesetzt worden, die Randomisierung erst im Krankenhaus erfolgt. Vor diesem Hintergrund wurde die EUROMAX-Studie [4] initiiert, die Bivalirudin mit der aktuellen Standardtherapie verglich.
Studiendesign
Eingeschlossen in die Studie waren 2218 Patienten mit STEMI, die schon im Notarztwagen antithrombotisch behandelt wurden. 1:1 randomisiert erhielten sie entweder Bivalirudin (0,75 mg/kg als Bolus, gefolgt von einer Infusion mit 1,75 mg/kg/Stunde) oder unfraktioniertes Heparin sowie optional – je nach Standard der teilnehmenden Zentren – einen GP-IIb/IIIa-Inhibitor (60% der Patienten in der Kontrollgruppe routinemäßig). 50% der Patienten erhielten moderne ADP-Rezeptorantagonisten, bei 50% wurde ein radialer Zugang für die PCI gewählt.
Studienergebnisse
Kombinierter primärer Endpunkt um 40% reduziert
Bivalirudin verringerte den primären Endpunkt der Studie (Kombination aus 30-Tagesmortalität und schwerer Blutung) statistisch signifikant um relativ 40% von 8,4% auf 5,1% (p=0,002) (Abb. 1). Schwere, nicht Bypass-bedingte (CABG) Blutungen reduzierten sich um 57% von 6,0% auf 2,6% (p<0,001).

Abb. 1. Primärer Endpunkt der EUROMAX-Studie: Todesfälle oder schwere Blutungen in den ersten 30 Tagen signifikant reduziert; GP: Glykoprotein
Im sekundären kombinierten Endpunkt (Tod, Reinfarkt oder schwere Blutung in den ersten 30 Tagen) war der Unterschied mit einer relativen Risikoreduktion um 28% ebenfalls signifikant (von 9,2% auf 6,6%, p=0,03).
Auch hinsichtlich des Nettonutzens mit Kombination aus schweren Blutungen und ischämischen Ereignissen war Bivalirudin der Kontrollmedikation überlegen. Der Effekt des Thrombinhemmers zeigte sich konsistent über alle Subgruppen unabhängig von Alter oder Geschlecht, radialem oder femoralem Zugang, Ein- oder Mehrgefäßerkrankung sowie verwendetem Stenttyp (Drug Eluting Stent oder Bare Metall Stent). Die kardiale Sterblichkeit war unter Bivalirudin numerisch geringer, erreichte mit 2,5% gegenüber 3,0% in der Kontrollgruppe jedoch keine statistische Signifikanz.
Prolongierte Infusion verringert akute Stentthrombosen
Wie in der HORIZONS-AMI-Studie nahm auch in der EUROMAX-Studie die Rate an akuten Stentthrombosen unter der Bivalirudin-Therapie signifikant zu und steigerte sich von 0,2% auf 1,1% (p=0,007). Im Median traten sie nach 2,3 Stunden auf, nach 24 Stunden zeigte sich kein Unterschied mehr. Die Mortalität steigerte sich dabei nicht – keiner dieser Patienten starb im 30-Tagesverlauf. Lediglich in der Kontrollgruppe kam es zu einem Todesfall nach subakuter Stentthrombose. Ersten Subgruppenanalysen zufolge verringert die fortgeführte Infusion mit der Standarddosierung von 1,75 mg/kg pro Stunde bis zu vier Stunden nach PCI die Rate der akuten Stentthrombosen auf 0,4%, sodass kein Unterschied mehr zwischen den beiden Therapiearmen bestand.
Fazit
Die EUROMAX-Studie bestätigt insgesamt die günstigen Ergebnisse der HORIZONS-AMI-Studie (Abb. 2). Bivalirudin ist danach beim Transport zur primären PCI so effektiv wie Heparin plus optionaler GP-IIb/IIIa-Inhibition – bei höherer Sicherheit mit konsistent geringerer Blutungsrate in allen Subgruppen. Akute Stentthrombosen lassen sich durch verlängerte Infusion vermeiden. Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt Bivalirudin, das in Deutschland immer noch sehr selten eingesetzt wird, in ihrer aktuellen Leitlinie mit Klasse IB-Indikation als Antikoagulans der Wahl für STEMI-Patienten im Rahmen einer PCI vor Heparin [5].

Abb. 2. Die beiden Studien im Vergleich: EUROMAX bestätigt HORIZONS-AMI [mit freundlicher Genehmigung von Prof. Uwe Zeymer, Ludwigshafen]
Quelle
Prof. Dr. med. Uwe Zeymer, Ludwigshafen; Symposium „Antikoagulation für die PCI heute und zukünftig – kompliziert oder einfach?“, veranstaltet von The Medicines Company GmbH im Rahmen der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Mannheim, 23. April 2014.
Literatur
1. Stone GW, et al. Bivalirudin during primary PCI in acute myocardial infarction. N Engl J Med 2008;358:2218–30.
2. Mehran R, et al. Bivalirudin in patients undergoing primary angioplasty for acute myocardial infarction (HORIZONS-AMI): 1-year results of a randomised controlled trial. Lancet 2009;374:1149–59.
3. Stone GW, et al. Heparin plus a glycoprotein IIb/IIIa inhibitor versus bivalirudin monotherapy and paclitaxel-eluting stents versus bare-metal stents in acute myocardial infarction (HORIZONS-AMI): final 3-year results from a multicentre, randomised controlled trial. Lancet 2011;377:2193–204.
4. Steg PG, et al. Bivalirudin started during emergency transport for primary PCI. N Engl J Med 2013;369:2207–17.
5. Steg PW, et al. ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J 2012;33:2569–619.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(06)