Zerebrale Warfarin-induzierte Blutung

Kann eine orale Antikoagulation bei Vorhofflimmern wieder begonnen werden?


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Bei Patienten mit Vorhofflimmern, die eine Basalganglienblutung erlitten haben, und hohem Risiko für einen ischämischen Insult kann erwogen werden, nach einem Sicherheitsabstand von 10 Wochen, eine orale Antikoagulation erneut durchzuführen.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Ein bis zwei Prozent aller Patienten, die mit Warfarin (Coumadin®) oder Phenprocoumon (Marcumar®) oral antikoaguliert werden, erleiden pro Jahr eine intrazerebrale Blutung. Die Sterblichkeit dieser Blutungen liegt zwischen 40 und 50%. Nach einer solchen Blutung besteht das Dilemma, dass ohne eine orale Antikoagulation häufig ein hohes Risiko für einen ischämischen Insult und bei erneuter Antikoagulation das Risiko einer weiteren intrazerebralen Blutung vorliegt.

Die Autoren haben eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um die Frage zu beantworten, ob eine erneute Antikoagulation nach einer Antikoagulanzien-induzierten intrazerebralen Blutung bei Patienten mit hohem CHADS2-Score möglich ist (der CHADS2-Score ermöglicht es, das Schlaganfallrisiko eines Patienten mit Vorhofflimmern zu berechnen). Bei den zerebralen Blutungen ist es wichtig, zwischen Basalganglienblutungen und Lobärhämatom zu unterscheiden. Patienten mit Lobärhämatomen haben eindeutig ein erhöhtes Risiko einer erneuten Blutung, wenn sie erneut antikoaguliert werden. Dies könnte daran liegen, dass ein Teil dieser Patienten eine zerebrale Mikroangiopathie oder eine Amyloidangiopathie hat, die mit einem besonders hohen Blutungsrisiko einhergehen. Leider existieren nur sehr wenige und überwiegend retrospektive Untersuchungen, die das Risiko einer erneuten Blutung bei Wiederaufnahme der oralen Antikoagulation mit Warfarin untersucht hätten. Nimmt man diese Studien zusammen, ist das Risiko einer erneuten Blutung unter Warfarin bei Lobärblutungen fünfmal höher als bei Basalganglienblutungen. Für die Entscheidung, ob eine erneute Antikoagulation möglich ist, sollte der CHADS2 oder CHA2DS2VASc-Score herangezogen werden. Liegt der CHADS2 Score über 4 und der CHA2DS2VASc-Score über 5, ist wahrscheinlich das Risiko eines erneuten ischämischen Insultes höher als das Risiko einer erneuten Blutung. Eine ausgeprägte Mikroangiopathie ist sehr wahrscheinlich eine Kontraindikation für eine erneute orale Antikoagulation. Ob dies auch für den Nachweis von Mikroblutungen in der Kernspintomographie gilt, ist bisher nicht gut untersucht. Unbekannt ist auch der ideale Zeitpunkt zum Starten einer erneuten oralen Antikoagulation nach intrazerebraler Blutung. Empfohlen wird von den Autoren eine Zeitspanne von 10 Wochen.

Kommentar

Leider gibt es zur Frage, ob und wann eine orale Antikoagulation nach zerebraler Blutung reinitiiert werden kann, keine guten Daten. Da das Risiko einer intrazerebralen Blutung bei neuen Antikoagulanzien signifikant geringer ist als bei Vitamin-K-Antagonisten, sollte – wenn überhaupt erneut antikoaguliert wird – immer ein neues Antikoagulans (Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban) zum Einsatz kommen.

Quelle

Paciaroni M, et al. Should oral anticoagulants be restarted after warfarin-associated cerebral haemorrhage in patients with atrial fibrillation? Thromb Haemost 2014;111:14–8.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(06)