Dr. Iris Hinneburg, Halle (Saale)
Bei der hypertrophen Pylorusstenose verdicken sich die Ringmuskeln am Magenausgang, sodass die Nahrung nicht ausreichend schnell weitertransportiert wird. Schwallartiges Erbrechen nach den Mahlzeiten, das an Intensität zunimmt, kann bei Neugeborenen auf diese Erkrankung hindeuten, die sich in der Regel operativ gut behandeln lässt. Besonders häufig kommt die Pylorusstenose bei Jungen, Erstgeborenen und Flaschenfütterung vor. Vermutlich sind auch genetische Faktoren beteiligt. In Studien finden sich Hinweise, dass eine Behandlung von bakteriellen Infekten mit Makroliden bei Neugeborenen ebenfalls einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Pylorusstenose darstellt. Gleiches wurde bei einer Exposition in der Schwangerschaft oder über die Muttermilch beschrieben.
Studiendesign
Die vermuteten Zusammenhänge wurden kürzlich in einer bevölkerungsweiten Kohortenstudie untersucht, die auf dänischen Registerdaten basiert. Eingeschlossen wurden alle lebend- und einzelgeborenen Kinder der Jahre 1996 bis 2011, die innerhalb von 120 Tagen nach der Geburt wegen einer hypertrophen Pylorusstenose operiert worden waren. Gleichzeitig wurden Makrolid-Verordnungen bei den Müttern oder Kindern während der Schwangerschaft oder bis zu 120 Tage nach der Geburt erfasst. Die Daten wurden mithilfe eines log-linearen Poisson-Regressionsmodells analysiert. Dabei wurden die Inzidenzraten von Pylorusstenosen bei Kindern mit Makrolid-Exposition im Vergleich zu nichtexponierten Kindern berechnet. Die Autoren adjustierten die Ergebnisse für eine Reihe von möglichen Störfaktoren, etwa angeborene Fehlbildungen oder Gestationsalter bei der Geburt.
Studienergebnisse
In der Studie war das Risiko für die Entwicklung einer hypertrophen Pylorusstenose um den Faktor 30 erhöht, wenn ein Neugeborenes innerhalb der ersten 14 Lebenstage ein Makrolid verordnet bekam. Bei späterer Einnahme zwischen dem 4. und 120. Lebenstag lag das Risiko deutlich niedriger, war aber immer noch signifikant um den Faktor 3 erhöht. In der gleichen Größenordnung stieg das Risiko, wenn die Mutter innerhalb der ersten beiden Lebenswochen des Kindes mit Makroliden behandelt wurde. Keine signifikante Erhöhung fand sich bei späterer Einnahme. Wenn die Mutter in der späten Schwangerschaft (ab der 28. Schwangerschaftswoche) Makrolide einnahm, stieg das Risiko moderat, aber nicht signifikant (Tab. 1).
Tab. 1. Assoziation zwischen dem Gebrauch von Makroliden und der Entwicklung einer hypertrophen Pylorusstenose
Relative Inzidenzrate im Vergleich zu nichtexponierten Kindern (95%-KI) |
Absolute Inzidenzdifferenz im Vergleich zu nichtexponierten Kindern pro Tausend (95%-KI) |
|
Einnahme durch das Kind nach der Geburt |
||
Tag 0–13 |
29,8 (16,4–54,1) |
24,4 (13,0–44,1) |
Tag 14–120 |
3,24 (1,20–8,74) |
0,65 (0,06–2,21) |
Einnahme durch die Mutter nach der Entbindung |
||
Tag 0–13 |
3,49 (1,92–6,34) |
2,15 (0,82–4,64) |
Tag 14–120 |
0,70 (0,26–1,90) |
–0,11 (–0,26–0,31) |
Einnahme durch die Mutter in der Schwangerschaft |
||
1. bis 27. Schwangerschaftswoche |
1,02 (0,65–1,59) |
0,01 (–0,31–0,50) |
Ab der 28. Schwangerschaftswoche |
1,77 (0,95–3,31) |
0,67 (–0,06–2,02) |
KI: Konfidenzintervall
Diskussion
Auch wenn aufgrund des Studiendesigns kein kausaler Zusammenhang hergestellt werden kann, könnte ein Einfluss von Makroliden auf den Pylorus biologisch plausibel sein: So ist für Erythromycin und Azithromycin bekannt, dass sie agonistisch auf die Motilin-Rezeptoren im Antrum des Magens und damit prokinetisch wirken. Gleichzeitig könnten sich aber auch Spasmen des Pylorus entwickeln und die Muskelzellen durch die vermehrte Kontraktion hypertrophieren. Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass es möglicherweise ein Zeitfenster mit erhöhter Vulnerabilität für eine Pylorusstenose unmittelbar nach der Geburt gibt.
Die Aussagekraft der Studie ist dadurch eingeschränkt, dass keine Informationen über die der Antibiotika-Verschreibung zugrundeliegende Indikation vorlagen. So kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass möglicherweise die Infektion selbst einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Pylorusstenose darstellt – zusätzliche Analysen lassen das aber zumindest für die Exposition während der Schwangerschaft unwahrscheinlich erscheinen.
Fazit
Absolut betrachtet ist das ermittelte Risiko relativ gering. Deshalb reicht nach Ansicht der Autoren eine strenge Indikationsstellung aus, sodass der Einsatz von Makroliden bei Neugeborenen und in der Schwangerschaft möglich ist, wenn es keine besseren Alternativen zur Behandlung gibt. Das Gleiche gilt in der Stillzeit. Da gegenteilige Hinweise bisher fehlen, sollten die behandelnden Ärzte von einem Klasseneffekt der Makrolide ausgehen.
Literatur
Lund M, et al. Use of macrolides in mother and child and risk of infantile hypertrophic pyloric stenosis: nationwide cohort study. BMJ 2014;348:g1908.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(06)