Migräneprophylaxe

Neue Option Candesartan


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

In einer Plazebo-kontrollierten, Cross-over-Studie war der Angiotensin-II-Rezeptorantagonist Candesartan in der Prophylaxe der Migräne vergleichbar wirksam wie Propranolol und besser wirksam als Plazebo.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Bei Patienten mit häufigen Migräneattacken besteht die Indikation für eine medikamentöse und nichtmedikamentöse Migräneprophylaxe. Zugelassen dazu sind in Deutschland Betablocker wie Propranolol und Metoprolol, Flunarizin sowie die Antikonvulsiva Valproinsäure und Topiramat (alle als Generika erhältlich). Außerdem ist Amitriptylin wirksam. Ein großes Problem bei den meisten bisher zugelassenen Migräneprophylaktika ist das Nebenwirkungsspektrum, sodass diese Substanzen beispielsweise bei Patienten mit Übergewicht oder psychiatrischen Begleiterkrankungen nicht eingesetzt werden können. Die Arbeitsgruppe in Norwegen hatte bereits 2003 eine kleinere Studie mit Candesartan durchgeführt und eine Wirksamkeit bei Migräne gezeigt.

Studiendesign

Es handelt sich um eine Plazebo-kontrollierte doppelblinde Cross-over-Studie mit drei zwölfwöchigen Behandlungsperioden und einer jeweils vierwöchigen Auswaschphase zwischen den Behandlungsperioden. Eingeschlossen wurden Patienten mit Migräne mit und ohne Aura, die mindestens zwei Migräne-Attacken pro Monat hatten. Der primäre Endpunkt waren Tage mit mittelschweren oder schweren Kopfschmerzen, die mindestens vier Stunden anhielten oder mit Migränearzneimitteln behandelt werden mussten. Nach einer vierwöchigen Baseline-Phase wurden die Patienten entweder mit

  • 16 mg Candesartan,
  • 160 mg retardiertem Propranolol oder
  • Plazebo behandelt.

Die beiden aktiven Arzneimittel wurden zunächst in halber Dosis gegeben und dann aufdosiert.

Studienergebnisse

72 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen und randomisiert. Für die Intention-to-treat-Analyse standen die Ergebnisse von 61 Patienten zur Verfügung. Die Patienten waren überwiegend weiblich (83%) und hatten ein mittleres Alter von 37 Jahren. Die mittlere Attackenfrequenz pro Monat betrug 4,8.

Während der Studie brachen die Behandlung fünf Patienten ab, die mit Candesartan behandelt wurden, drei unter Propranolol-Therapie und zwei in der Plazebo-Gruppe.

Die Zahl der Migränetage reduzierte sich von 4,82 pro vier Wochen in der Baseline auf 3,53 unter Plazebo, 2,95 unter Candesartan und 2,91 unter Propranolol.

Die Therapien in beiden aktiven Behandlungsgruppen waren signifikant besser wirksam als Plazebo. Zwischen den beiden aktiven Behandlungen bestand kein Unterschied. Die Überlegenheit von Candesartan und Propranolol zeigte sich für fast alle anderen Zielparameter, insbesondere auch für eine Reduktion der Einnahme von Triptanen zur Attackenbehandlung. Die Zahl der Responder, also Patienten mit einer mindestens 50%igen Reduktion der Migräne-Attacken, betrug 23% für Plazebo, 43% für Candesartan und 40% für Propranolol. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse (UE) unter Propranolol waren diffuse Körperschmerzen, unsystematischer Schwindel, Schlafstörungen und Müdigkeit. Unter Candesartan waren die häufigsten UE Schwindel, allgemeine Schmerzen, Schlafstörungen und Müdigkeit.

Kommentar

Diese relativ kleine Studie legt nahe, dass Candesartan tatsächlich in der Migräneprophylaxe wirksam ist. Neu an dieser Studie ist der Vergleich mit einer zugelassenen Therapie, nämlich mit Propranolol. Interessant war die Beobachtung in dem Cross-over-Design, dass ein Teil der Patienten nur auf Propranolol und ein anderer Teil nur auf Candesartan ansprachen. Insgesamt war die Verträglichkeit beider Migräneprophylaktika gut. Beide Therapien waren etwas weniger wirksam als bei Studien in der Vergangenheit. Dies mag daran liegen, dass bei Cross-over-Studien der Plazebo-Effekt ausgeprägter ist. Wichtig wäre, noch eine größere Studie durchzuführen, in der Candesartan, Propranolol und Plazebo in einem Parallelgruppen-Design untersucht werden. Da in der Zwischenzeit der Patentschutz von Candesartan nicht mehr besteht, ist es relativ unwahrscheinlich, dass eine solche Studie mit ausreichender Patientenzahl noch durchgeführt wird.

Quelle

Stovner LJ, et al. Comparative study of candesartan versus propranolol for migraine prophylaxis: A randomised, triple-blind, placebo-controlled, double cross-over study. Cephalalgia 2013 Dec 11. [Epub ahead of print]. doi: 10.1177/0333102413515348.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(06)