Dr. Iris Hinneburg, Halle (Saale)
Seit vielen Jahren wird ein möglicher Nutzen von Vitamin D für eine Reihe von Indikationen diskutiert. Positive Einflüsse sind biologisch plausibel, da das fettlösliche Vitamin an vielen Vorgängen im Körper beteiligt ist. Klinische Studien haben in den letzten Jahren jedoch teilweise widersprüchliche Ergebnisse gezeigt.
Studiendesign
In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse [1] wurden 73 Kohortenstudien mit rund 850000 Patienten (medianes Alter 63 Jahre [Interquartilbereich 59–71], Beobachtungszeit zwischen 0,3 und 29 Jahren) und 22 randomisierte kontrollierten Studien (RCT) mit etwa 30000 Patienten (mittleres Alter zwischen 56 und 85 Jahren, Studiendauer zwischen 0,38 und 6,8 Jahren, mittlere Interventionszeit in den RCT: 1,67 Jahre) eingeschlossen. Die Kohortenstudien untersuchten den Zusammenhang zwischen den Blutspiegeln von 25-OH-Vitamin-D und der Mortalität, während in den RCT der Effekt einer Vitamin-D-Substitution auf die Sterblichkeit getestet wurde.
In den Studien mit Vitamin D3 erhielten die Patienten Dosen von 10 bis 6000 IE/Tag, bei Vitamin D2 reichten die Dosen von 208 bis 4500 IE am Tag. Die Substitution erfolgte meist als orale Gabe in Tablettenform.
In der Metaanalyse wurden nur solche Studien berücksichtigt, in denen die Teilnehmer lediglich Vitamin D, aber keine anderen Supplemente, etwa Calcium-Präparate, einnahmen. Für die Analyse der Kohortenstudien verglichen die Autoren die Sterblichkeit der Teilnehmer anhand der Blutspiegel von 25-OH-Vitamin-D zu Beginn der Studie (unterstes Drittel versus oberstes Drittel). Bei den RCT extrahierten oder ermittelten die Forscher aus den eingeschlossenen Studien das relative Risiko für die Mortalität bei Einnahme des Supplements (stratifiziert für Vitamin D3 und Vitamin D2). Diese Daten wurden jeweils mithilfe eines Random-Effects-Modells kombiniert. Für Zusatzanalysen verwendeten die Autoren ein Fixed-Effects-Modell.
Studienergebnisse
In den gepoolten Daten der Kohortenstudien fanden die Autoren eine moderate, aber signifikante Assoziation zwischen 25-OH-Vitamin-D-Spiegeln und der Gesamtmortalität: je höher die Blutspiegel lagen, desto stärker reduzierte sich die Sterblichkeit. Das galt auch für die kardiovaskuläre Mortalität und die Krebs-Sterblichkeit (Tab. 1).
Tab. 1. Einfluss von niedrigen 25-OH-Vitamin-D-Spiegeln auf die Mortalität in Beobachtungsstudien
Endpunkt |
Relatives Risiko (95%-KI) |
Kardiovaskuläre Sterblichkeit |
1,35 (1,13–1,61) |
Krebs-Sterblichkeit |
1,14 (1,01–1,29) |
Alle Todesursachen |
1,35 (1,22–1,49) |
Ergebnisse stammen von den primärpräventiven Kohorten; KI: Konfidenzintervall
In den RCT fand sich in der Gesamtauswertung kein signifikanter Effekt auf die Gesamtsterblichkeit. Für eine Auswertung der krankheitsspezifischen Mortalität reichten die Daten nicht aus. Bei einer stratifizierten Auswertung nach der Art der zugeführten Supplemente errechneten die Autoren eine kleine, aber signifikante Senkung der Mortalität bei Verwendung von Vitamin D3, während die Supplementierung mit Vitamin D2 die Sterblichkeit nicht signifikant beeinflusste (Tab. 2.).
Tab. 2. Einfluss einer Vitamin-D-Substitution auf die Mortalität in randomisierten kontrollierten Studien
Endpunkt |
Relatives Risiko (95%-KI) |
Alle Todesursachen1 |
0,98 (0,94–1,03) |
Alle Todesursachen – Studien mit Vitamin D32 |
0,89 (0,80–0,99) |
Alle Todesursachen – Studien mit Vitamin D22 |
1,04 (0,97–1,11) |
1Bestimmt mittels Fixed-Effects Modell; 2Bestimmt mittels Random-Effects Modell; KI: Konfidenzintervall;
Diskussion
Für den Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und einer erhöhten Mortalität wird eine Reihe von biologischen Mechanismen diskutiert. Allerdings weisen die Autoren auch darauf hin, dass ein niedriger Vitamin-D-Status lediglich ein Marker für einen suboptimalen Lebensstil, sozioökonomische Einflüsse oder ein Resultat anderer Erkrankungen sein könnte. Für einige dieser Störfaktoren wurde in den eingeschlossenen Studien eine Adjustierung vorgenommen, doch lässt sich ein Einfluss weiterer unbekannter Störfaktoren in Kohortenstudien nicht vollständig ausschließen.
Die ermittelte Risikoreduktion um 11% in den RCT mit Vitamin D3 könnte für eine Substitution sprechen. Ein Kommentar warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen: So attestierten die Autoren sechs der 14 eingeschlossenen RCT mit Vitamin D3 ein hohes Verzerrungspotenzial aufgrund der Methodik. Der größte Teil der Daten stammt aus Studien, bei denen als primäre Zielgröße der Einfluss einer Vitamin-D3-Gabe auf Knochenbrüche untersucht wurde. Eine Reduktion der Mortalität könnte daher auch durch das verringerte Risiko für Frakturen und sekundäre Komplikationen entstehen. Diese Studien wurden auch vorwiegend an älteren Patienten durchgeführt, sodass die Extrapolation auf Menschen im mittleren Lebensalter fraglich ist. Offen bleibt auch die Frage, welche Dosierung für eine Supplementierung mit Vitamin D3 angemessen sein könnte und wie sicher eine Langzeitanwendung ist [2].
Literatur
- Chowdhury R, et al. Vitamin D and risk of cause specific death: systematic review and meta-analysis of observational cohort and randomised intervention studies. BMJ 2014;348:g1903.
- Welsh P, Sattar N. Vitamin D and chronic disease prevention. BMJ 2014;348:g2280.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(06)