Dr. Andreas Ramming, Priv.-Doz. Dr. Jörg H.W. Distler, Erlangen, Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim
Erkrankungen aus dem „klassisch“-fibrotischen Formenkreis, insbesondere die systemische Sklerose (SSc) als Prototyp einer Multisystemfibrose, sind zwar für sich jeweils selten, die zugrunde liegenden fibrotischen Umbauprozesse spielen jedoch in der Pathophysiologie zahlreicher Immunerkrankungen und verschiedener Volkskrankheiten eine zentrale Rolle. Hierzu zählen unter anderem der Myokardinfarkt, bei dem eine überschießende Narbenbildung nach Untergang eines Herzmuskelbezirks durch den akuten und länger anhaltenden Verschluss einer Koronararterie zur Funktionseinschränkung führt, aber auch die Leberzirrhose, bei der die normale Läppchen- und Gefäßarchitektur durch fibrotische Gewebsumbauten verloren geht. Schätzungen zufolge sind bis zu 45% aller Todesfälle in den Industriestaaten mit Fibrose assoziiert [10]. Trotz der enormen sozioökonomischen Bedeutung einer Organ- oder Systemfibrose stehen bisher keine effektiven, antifibrotischen Therapien für diese Erkrankungen für den klinischen Alltag zur Verfügung. Auch die bei malignen Erkrankungen verwendeten Antifibrotika stellen allenfalls eine Hilfe, aber keine Lösung für die Probleme der Patienten dar. Trotz intensiver Bestrebungen vonseiten der Grundlagenwissenschaften und der pharmazeutischen Industrie bleibt eine der wichtigsten derzeitigen Fragen der Medizin: Befinden wir uns in einer Sackgasse bei der Entwicklung antifibrotischer Therapien?
Fibrose ist charakterisiert durch die pathologische Akkumulation extrazellulärer Matrixproteine, zu denen Glykosaminoglykane, Decorin, Fibronectin und verschiedene Kollagene gehören [1]. Fibroblasten und weitere mesenchymale Zellen stellen hierbei die bedeutendsten Produzenten dieser extrazellulären Matrixproteine dar. Man geht davon aus, dass die vermehrte Aktivierung dieser Zellen zur Überproduktion von extrazellulärer Matrix führt und dadurch eine progressive Störung der normalen Gewebearchitektur resultiert, die schließlich bis zum Organversagen führt. Eine Reihe unterschiedlicher Stimulatoren, wie Infektionen, Autoimmunprozesse, chemische Noxen, aberrante Neuromodulation und/oder Veränderungen in der Mikrozirkulation, aktivieren direkt oder indirekt Fibroblasten, die dann durch auto- und parakrine Prozesse sowie Interaktion mit der fibrosierenden Matrix die Gewebsfibrose – zum Teil auch unabhängig vom ursprünglichen Stimulus – vorantreiben. Die pathologische Fibroblastenaktivierung und/oder deren fehlende Hemmung stehen somit am Beginn der fibrotischen Umbauprozesse und gelten daher als zentraler Schalthebel zur therapeutischen Intervention [1].
Auf der Basis dieses Konzepts wurden in zahlreichen Forschungsansätzen in den vergangenen fünfzehn Jahren eine immer größer werdende Zahl von Zielstrukturen zur Hemmung der Fibroblastenaktivierung identifiziert und neue Therapieansätze entwickelt, die sich bereits in späten präklinischen oder frühen klinischen Entwicklungsstadien befinden.
Interleukin (IL)-6
Ein Biological, der IL-6-Rezeptor-Antagonist Tocilizumab, der bereits sehr erfolgreich bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zum Einsatz kommt, wird aktuell auch in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit systemischer Sklerose getestet. Hintergrund zur Auflage dieser Studie sind neuere Erkenntnisse, dass erhöhte Konzentrationen von IL-6 sowohl in der Haut als auch im Serum von Patienten mit systemischer Sklerose gefunden wurden. Die pathophysiologischen Wirkungsmechanismen von IL-6 im Zusammenhang mit fibrotischen Umbauprozessen sind bisher nicht vollständig aufgedeckt. Man geht von einer pleiotropen Wirkungsweise aus – mit Stimulation der Entzündungsaktivität einerseits und auch direkter Aktivierung von Fibroblasten andererseits [7].
Serotonin
Fibrotische Komplikationen sind häufig mit einer ausgeprägten Mikroangiopathie assoziiert [1], die zu einer vermehrten Aktivierung von Thrombozyten führt. Thrombozytenaktivierung und -aggregation führen zur Freisetzung von Serotonin. Dies wiederum stimuliert Fibroblasten über den Serotoninrezeptor 5-HT2B zur Freisetzung von TGF-β (transforming growth factor beta), das dann über auto- und parakrine Mechanismen die Kollagenfreisetzung steigert [3]. Die therapeutische Intervention dieses pathophysiologischen Mechanismus mithilfe des 5-HT2B-Rezeptor-Antagonisten Tergurid wurde in einer Proof-of-Concept-Studie bei Patienten mit diffus-kutaner SSc getestet (Distler J, et al., unpublished).
Lösliche Guanylatcyclase (sGC)
Der duale Therapieansatz zur Behandlung vaskulärer und fibrotischer Komplikationen wird durch ein weiteres Präparat verfolgt – Riociguat, einen Stimulator der löslichen Guanylatcyclase (sGC), die ein wichtiges Enzym im Stickstoffmonoxid-Signalweg darstellt. Riociguat wurde primär zur Behandlung von Gefäßerkrankungen aufgrund seiner gefäßerweiternden Wirkung entwickelt und zeigte zuletzt in Phase-III-Studien zur chronisch-thrombembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) und zur pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH) eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit [5, 4]. Darüber hinaus konnte in präklinischen Studien gezeigt werden, dass sGC-Stimulatoren die Fibroseentstehung im Tiermodell über eine Blockade des TGF-β-Signalwegs hemmen [2]. Es besteht daher Hoffnung, dass durch Einsatz dieser Präparate eine gleichzeitige Behandlung von vaskulären und fibrotischen Komplikationen erzielt werden kann.
Lysophosphatidsäure (LPA)
Eine weitere vielversprechende Zielstruktur zur antifibrotischen Therapie stellt die LPA dar, die ihre profibrotische Wirkung über LPA1-Rezeptoren erzielt. LPA wirkt als Chemoattractant, führt zur Migration von Fibroblasten ins Gewebe und induziert so fibrotische Umbauprozesse im betreffenden Organ. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass LPA1-Rezeptor-defiziente Mäuse weniger empfänglich für Fibrose sind [9]. Diese Ergebnisse konnten in einem therapeutischen Ansatz, in dem Antikörper gegen LPA1-Rezeptoren verabreicht wurden, bestätigt werden, sodass aktuell bereits Phase-IIa-Studien zur Überprüfung der Wirkung dieser LPA1-Rezeptor-Antagonisten beim Menschen durchgeführt wurden.
Fazit
Die hier dargestellten antifibrotischen Therapieansätze stellen lediglich eine kleine Auswahl der Innovationen der letzten Jahre dar. Darüber hinaus werden derzeit zahlreiche weitere Ansätze wie Inhibition der Stammzell-Signalkaskaden, Modulation des Cannabinoid-Signalwegs, Hemmung von Tyrosinkinasen und Aktivierung nukleärer Rezeptoren präklinisch oder auch bereits klinisch erprobt. Zwei aktuelle Studien, die eine der am schwierigsten zu behandelnden fibrotischen Organerkrankungen, die idiopathische Lungenfibrose als Ziel hatten, illustrieren den dynamischen Fortschritt. Bei der ASCEND-Studie konnte durch den Einsatz des Zytokin- und Wachstumsfaktorhemmers Pirfenidon nicht nur die Lungenfunktion, sondern auch das Überleben verbessert werden [6]. Bei den INPULSIS-Studien wurde der Polytyrosinkinasehemmer Nintedanib eingesetzt, der ebenfalls eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf zeigte, wobei hier die gastrointestinalen Nebenwirkungen etwas prominenter waren [8].
Befinden wir uns nun in einer Einbahnstraße oder Sackgasse bei der Entwicklung effektiver Therapien zur Behandlung von Fibrose? Die Zukunft wird es zeigen, jedoch weckt die aktuelle Dynamik und Fülle der Therapieansätze der vergangenen Jahre große Hoffnung auf baldiges Vorhandensein dringend benötigter Therapieoptionen zur effektiven und nachhaltigen Therapie fibrotischer Erkrankungen.
Das Literaturverzeichnis finden Sie im Internet www.arzneimitteltherapie.de unter „Archiv“, „Literatur“, Heft 7-8/2014.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(07)