Dr. Ingo Stock, Bonn
Viele parasitisch lebende Nematoden (Helminthen) infizieren den Menschen und können insbesondere bei hoher Infektionsintensität (Erregerdichte) Erkrankungen verursachen, die als humane Helminthiasis zusammengefasst werden. Bis zu einer Milliarde Menschen sind vor allem in den weniger entwickelten Ländern der Tropen und Subtropen von Infektionen mit Peitschenwürmern (Trichuris trichiura, Abb. 1), Spulwürmern (Ascaris lumbricoides), Hakenwürmern (meist Ancylostoma duodenale oder Necator americanus) und anderen Nematoden betroffen. Bei vielen Infizierten sind gleichzeitig Nematoden unterschiedlicher Arten nachzuweisen. Für die Behandlung humaner Nematoden-Infektionen werden in erster Linie die Benzimidazolcarbamate Albendazol und Mebendazol eingesetzt. Diese Anthelminthika sind bei Infektionen mit Ascaris lumbricoides hoch wirksam, bei Infektionen mit Hakenwürmern führt in der Regel nur der Einsatz von Albendazol zu zufriedenstellenden Heilungsraten.

Abb. 1. Mit Trichuris trichiura infizierte Intestinalschleimhaut des Menschen [Trenton Ruebush, Centers for Disease Control and Prevention]
Weitaus schwieriger zu therapieren sind Infektionen mit T. trichiura: hier ist die Anwendung beider Substanzen meist nur mit niedrigen Heilungsraten assoziiert. Weitere Anthelminthika mit einem möglichst breiten Wirkungsspektrum werden daher dringend benötigt. Ein Erfolg versprechendes Anthelminthikum bei der Behandlung von T.-trichiura-Infektionen ist das Pyrantel-Analogon Oxantel-Pamoat, das bereits seit 1974 in Kombination mit anderen Mitteln veterinärmedizinisch eingesetzt wird. Es zeigt in vitro und in vivo (Tiermodell) eine gute Aktivität gegen T. trichiura.
Studienziel und -design
Auf der Insel Pemba, einer Region Tansanias, in der T.-trichiura-, Hakenwurm- und Ascaris-lumbricoides-Infektionen endemisch vorkommen, wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Oxantel-Pamoat bei Kindern mit einer T.-trichiura-Infektion getestet. Die Substanz wurde monotherapeutisch und in Kombination mit Albendazol eingesetzt. Die Wirksamkeit der Substanz(-kombination) wurde auch bei Kindern mit einer Hakenwurm- und/oder Ascaris-lumbricoides-Infektion untersucht. Als Vergleich diente eine Standardtherapie mit Albendazol oder Mebendazol. Die Wirksamkeit der Behandlungsregime wurde anhand der Heilungsrate und der Eierreduktionsrate beurteilt. Kinder in einem Alter zwischen 6 und 14 Jahren erhielten nach positivem Stuhlbefund (T. trichiura und/oder Hakenwurm) randomisiert:
- Oxantel-Pamoat als Einzeldosis (20 mg pro Kilogramm Körpergewicht) plus Albendazol als 400-mg-Einzeldosis am darauffolgenden Tag
- Oxantel-Pamoat als Einzeldosis (20 mg pro Kilogramm Körpergewicht)
- Albendazol als 400-mg-Einzeldosis
- Mebendazol als 500-mg-Einzeldosis
Studienergebnisse
Von 798 Kindern mit einer Nematoden-Infektion waren 97% (n=774) mit T. trichiura, 58,1% (n=464) mit einem Hakenwurm und 57,8% (n=461) mit A. lumbricoides infiziert. 39,3% (n=316) aller Kinder waren mit allen drei Parasiten infiziert.
T. trichiura
Um die Wirksamkeit der Therapieregime gegen T. trichiura zu untersuchen, wurden Daten von 450 Kindern mit einer T.-trichiura-Infektion ausgewertet (Tab. 1). Die Therapie mit Oxantel-Pamoat/Albendazol führte im Vergleich zu einer Mebendazol-Therapie zu einer signifikant höheren Heilungsrate (31,2% vs. 11,8%; p=0,001) und zu einer stärkeren Eierreduktion (96,0% vs. 75,0%). Die alleinige Gabe von Oxantel-Pamoat bedingte ebenfalls eine signifikant höhere Heilungsrate als eine Mebendazol-Standardtherapie (26,3%; p=0,01) und eine höhere Eierreduktionsrate (93,2%). Eine Albendazol-Monotherapie führte hingegen zu einer signifikant niedrigeren Heilungsrate (2,6%, p=0,02) und zu einer deutlich schwächeren Eierreduktion (45%). 84,9% aller Kinder, die sich vor Beginn der Therapie mit einer moderaten (1000 bis 9999 Eier pro Gramm Stuhl) oder hohen (mindestens 10000 Eier pro Gramm Stuhl) Infektionsintensität vorgestellt hatten, waren nach der Kombinationstherapie mit Oxantel-Pamoat und Albendazol nicht mehr mit T. trichiura infiziert oder zeigten eine niedrige (1 bis 999 Eier pro Gramm Stuhl) Infektionsintensität; nach alleiniger Gabe von Oxantel-Pamoat war dies bei 77,6% aller Kinder der Fall. Bei Kindern, die eine Mebendazol- oder Albendazol-Monotherapie erhalten hatten, waren hingegen nach der Behandlung nur 58,5% (Mebendazol) bzw. 46,8% (Albendazol) der Patienten nicht mehr mit dem Parasiten infiziert oder lediglich von einer niedrigen Infektionsintensität betroffen.
Tab. 1. Studienergebnisse
Oxantel-Pamoat plus Albendazol |
Oxantel-Pamoat |
Albendazol |
Mebendazol |
|
T. trichiura |
||||
Heilungsrate [%] (95%-KI) |
31,2 (22,5–40,0) |
26,3 (18,1–34,5) |
2,6 (0,0–5,6) |
11,8 (5,7–17,9) |
Eierreduktion [%] (95%-KI) |
96,0 (93,5–97,6) |
93,2 (90,0–95,7) |
45,0 (32,0–56,4) |
75,0 (64,2–82,0) |
Moderat oder schwer infizierte Kinder, die nach Behandlung keine oder nur eine leichte Infektion zeigten [%] (95%-KI) |
84,9 (74,9–94,9) |
77,6 (66,5–88,6) |
46,8 (32,0–61,1) |
58,5 (44,8–72,2) |
Hakenwürmer |
||||
Heilungsrate [%] (95%-KI) |
51,4 (41,8–60,9) |
10,6 (4,9–16,4) |
59,8 (50,6–69,0) |
17,4 (10,2–24,7) |
Ascaris lumbricoides |
||||
Heilungsrate [%] (95%-KI) |
94,4 (88,9–99,9) |
10,1 (3,3–16,9) |
92,0 (85,7–98,3) |
91,2 (84,3–98,1) |
Hakenwürmer
Um die Wirksamkeit der unterschiedlichen Therapieregime gegen Hakenwürmer zu untersuchen, wurden Daten von 443 Kindern mit einer Hakenwurm-Infektion ausgewertet. Eine Albendazol-Monotherapie führte zu den höchsten Heilungsraten (59,8%) und war allen anderen Therapien signifikant überlegen (59,8% vs. 51,4% bei Gabe von Oxantel-Pamoat/Albendazol, p=0,21; 59,8% vs. 17,4% bei Gabe von Mebendazol, p<0,001; 59,8% vs. 10,6% bei Gabe von Oxantel-Pamoat, p<0,001).
Ascaris lumbricoides
Bei der Untersuchung der Wirksamkeit der Therapieregime gegen Ascaris lumbricoides – auswertbar waren die Daten von 293 Kindern – führte die alleinige Gabe von Albendazol und Mebendazol sowie die Kombinationstherapie mit Oxantel-Pamoat und Albendazol zu hohen Heilungsraten (Albendazol: 92,0%, Oxantel-Pamoat/Albendazol: 94,4%, Mebendazol: 91,2%), die alleinige Anwendung von Oxantel-Pamoat führt hingegen nur bei jedem zehnten Patienten zur Heilung.
Sicherheit
Alle Therapieregime wurden gut vertragen.
Bei 30,9% aller Kinder trat mindestens ein (leichtes) unerwünschtes Ereignis auf. Schwere unerwünschte Wirkungen traten nicht auf, mäßige unerwünschte Ereignisse (Grad 2) wurden nur bei einem Kind beobachtet. Als häufigste unerwünschte Ereignisse wurden Bauchschmerzen/-krämpfe (15,1%) und Kopfschmerzen (12,4%) registriert. Diese Erscheinungen traten jedoch bereits vor der Therapie am häufigsten auf.
Fazit
Zum ersten Mal wurde in einer großen randomisierten Doppelblindstudie gezeigt, dass Oxantel-Pamoat in Kombination mit Albendazol und nach alleiniger Gabe bei der Behandlung der Trichuris-trichiura-Infektion einer Standardbehandlung mit Albendazol oder Mebendazol überlegen ist. Obwohl die Infektionsintensitäten unter einer Oxantel-Pamoat enthaltenden Therapie deutlich gesenkt werden konnten, sind die maximal zu erreichenden 30%igen Heilungsraten jedoch nach wie vor als unbefriedigend zu bewerten. Da die Wirkstoffkombination verglichen mit der Albendazol-Monotherapie zwar eine signifikant schlechtere, aber dennoch zufriedenstellende Wirkung gegen Hakenwürmer zeigte, kann die Kombinationstherapie vor allem in Regionen, in denen T. trichiura und Hakenwürmer häufig gemeinsam auftreten, von Nutzen sein. Die alleinige Gabe von Oxantel-Pamoat ist indes nur dann Erfolg versprechend, wenn ausschließlich eine Trichuris-trichiura-Infektion vorliegt. Bei Infektionen mit Hakenwürmern oder Spulwürmern führt die alleinige Anwendung von Oxantel-Pamoat in der Regel nicht zur Heilung.
Quelle
Speich B, et al. Oxantel pamoate-albendazole for Trichuris trichiura infection. N Engl J Med 2014;370:610–20.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(07)