Simone Reisdorf, Erfurt
Etwa 15000 Personen in Deutschland erkranken jährlich am duktalen Pankreaskarzinom. Das einzige potenziell kurative Therapieverfahren ist die chirurgische Resektion des malignen Gewebes mit ausreichend breitem Randsaum („im Gesunden“). Je nach Ort und Ausdehnung des Karzinoms können auch Nachbarorgane mitbetroffen sein.
So ist bei Pankreaskopfkarzinom in der Regel eine partielle Duodenalpankreatektomie mit oder ohne Pylorusresektion angezeigt. Bei Pankreasschwanzkarzinom genügt oft eine Pankreaslinksresektion. Nur selten muss eine totale Pankreatektomie erfolgen. Solange noch 10 bis 20% des Pankreasgewebes erhalten bleiben, werden weiterhin ausreichend Verdauungssäfte sezerniert [1].
In spezialisierten Zentren konnte die postoperative Mortalität nach Pankreasresektion auf etwa 2% reduziert werden. Demgegenüber bleibt die postoperative Morbidität mit 30 bis 50% weiterhin sehr hoch. Häufige Komplikationen sind Lecks in den operativ angelegten Anastomosen zum Duodenum sowie die Bildung von Abszessen und Pankreasfisteln.
Wie lassen sich postoperative Pankreasfisteln verhindern?
Um dies zu vermeiden, werden je nach chirurgischem Zentrum bestimmte Operationstechniken angewandt. Bisher war aber keine einzelne Technik in multizentrischen Studien den anderen überlegen. Eine andere Möglichkeit, Fisteln nach Pankreasresektionen zu vermeiden, ist die Inhibition der Sekretion von Verdauungssäften aus dem Restpankreas. Denn die exokrine Sekretion wird als eine treibende Kraft bei der Fistelbildung angesehen.
Physiologisch wird die exokrine Pankreassekretion durch Somatostatin inhibiert. Studien mit dem Somatostatin-Analogon Octreotid (z.B. Sandostatin®) lieferten aber uneinheitliche Ergebnisse.
Zulassungsstudie für Pasireotid
Das neuere Somatostatin-Analogon Pasireotid (Signifor®) hat eine deutlich längere Halbwertzeit (11 vs. 2 Stunden) und ein breiteres Bindungsprofil als Octreotid: Während Octreotid vor allem an die Somatostatin-Rezeptoren 2 und 5 bindet, sind es bei Pasireotid die Somatostatin-Rezeptoren 1, 2, 3 und 5 – alle sind im Pankreas vertreten.
Im Rahmen einer doppelblinden, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studie wurde Pasireotid, das bereits für die Second-Line-Therapie bei M. Cushing zugelassen ist, als perioperative Zusatztherapie bei Pankreasresektion untersucht [2]. Dazu wurden 300 erwachsene Patienten mit Duodenalpankreatektomie oder Pankreaslinksresektion auf 2-mal täglich 900 µg Pasireotid vs. Plazebo randomisiert. Die Gabe erfolgte subkutan am Morgen vor der Operation und weitere sechs Tage lang.
Primärer Endpunkt: Fisteln, Abszesse und Lecks signifikant reduziert
Der primäre Studienendpunkt war die Inzidenz von Pankreasfisteln, Pankreasabszessen oder Lecks von schwerer Ausprägung (mindestens Grad 3 laut Memorial-Sloan-Kettering-Cancer-Center-[MSKCC-]System) bis 60 Tage nach dem Eingriff. Ein solches Ereignis trat bei 45 der 300 Patienten auf.
Das Risiko war ungleich verteilt: Während unter der vorsorglichen Gabe von Pasireotid nur 14 Patienten (=9,2%) den primären Endpunkt erlitten, waren es in der Kontrollgruppe 31 Patienten (20,9%). Das entspricht einem relativen Risiko (RR) von 0,44. Der Unterschied war signifikant (95%-Konfidenzintervall 0,24–0,78; p=0,006).
Konsistentes Ergebnis in fast allen Subgruppen
Der signifikante Vorteil für Pasireotid gegenüber Plazebo war in fast allen präspezifizierten Subgruppen nachweisbar. So wurde der primäre Endpunkt beobachtet bei
- 10% vs. 21% der Patienten mit Duodenalpankreatektomie (RR=0,49; 95%-KI 0,25–0,95),
- 7% vs. 23% mit Pankreaslinksresektion (RR =0,32; 95%-KI 0,10–0,99),
- 2% vs. 15% mit dilatiertem Pankreasgang (RR =0,11; 95%-KI 0,02–0,60) und
- 15% vs. 27% ohne erweiterten Ductus (RR =0,55; 95%-KI 0,29–1,01).
Sekundäre Endpunkte
Zu den sekundären Endpunkten gehörten Pankreasfisteln von Grad B und C laut International Study Group on Pancreatic Fistula (ISGPF). Auch diese kamen nach Behandlung mit Pasireotid seltener vor: Nur 12 Patienten (7,9%) der Verum-Gruppe entwickelten Grad-B-Fisteln, während Grad-C-Fisteln in dieser Gruppe überhaupt nicht vorkamen. In der Kontrollgruppe dagegen traten bei 20 Patienten Grad-B- und bei fünf Patienten Grad-C-Fisteln auf, was insgesamt 16,9% entsprach.
Verträglichkeit
Unerwünschte Ereignisse von Grad 3 und 4 wurden in den ersten 60 Tagen bei 92,1% der Pasireotid- gegenüber 89,9% der Kontrollpatienten verzeichnet. Meist handelte es sich um Laborwertveränderungen im Rahmen des Erwarteten. In beiden Gruppen gab es je einen Todesfall. In der Pasireotid-Gruppe war die Rate der Hyperglykämien erhöht (Grad 3:50,0% vs. 29,1%). Auch dosislimitierende Übelkeit kam unter Pasireotid häufiger vor, sie betraf 17% der Patienten. In der Plazebo-Gruppe gab es dagegen häufiger Diarrhöen.
Fazit
Die perioperative subkutane Gabe von Pasireotid über sieben Tage trägt zur Reduktion der Häufigkeit und Schwere von Pankreasfisteln, -abszessen und Lecks nach Pankreasresektion bei. Die Verträglichkeit liegt im Rahmen der Erwartungen und – außer bei Hyperglykämien und Übelkeit – auf Plazebo-Niveau.
Literatur
1. S3-Leitlinie zum exokrinen Pankreaskarzinom, Version 1.0 – Oktober 2013.
2. Allen PJ, et al. Pasireotide for postoperative pancreatic fistula. N Engl J Med 2014;370:2014–22.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(10)