Claudia Bruhn, Schmölln, Konstanze Döhner, Ulm, und Martin Griesshammer, Minden
Indikationsgebiet
Bei der Myelofibrose (MF) handelt es sich um eine fortschreitende und lebensbedrohliche Neoplasie, die mit einer vorzeitigen Mortalität assoziiert ist. Sie kann primär (idiopathische MF, PMF) auftreten oder sich sekundär aus einer Polycythaemia vera (Post-Polycythaemia-vera-MF, PPV-MF) oder einer essentiellen Thrombozythämie (Post-Essentielle-Thrombozythämie-MF, PET-MF) entwickeln. Im Verlaufe der Erkrankung werden die hämatopoetischen Knochenmarkzellen durch Bindegewebe ersetzt (Fibrosierung). Milz und Leber übernehmen teilweise die blutbildende Funktion des Knochenmarks (extramedulläre Blutbildung), wodurch sie sich deutlich vergrößern können (Spleno- und Hepatomegalie). Charakteristisch für die fortgeschrittene Erkrankung sind Anämie, Thrombo- und Leukozytopenie und damit verbunden ein erhöhtes Infektionsrisiko. Es besteht die Gefahr des Übergangs in eine akute myeloische Leukämie (sAML).
Die Erkrankung beginnt meist ohne spezifische Symptome. Häufig klagen die Patienten über extreme Müdigkeit und Schwächegefühl, Appetit- und Gewichtsverlust oder Schmerzen unterhalb des linken Rippenbogens. Myelofibrosen werden bei Männern und Frauen gleich häufig diagnostiziert. Das Alter der Patienten liegt zu Krankheitsbeginn im Median bei 67 Jahren.
Pharmakologie
Pharmakodynamik (Wirkungsmechanismus)
Ruxolitinib (Jakavi®) ist ein selektiver Hemmer der Janus-assoziierten Kinasen (JAK) 1 und 2. Diese sind an der Signaltransduktion von Zytokinen und Wachstumsfaktoren beteiligt, die bei der Hämatopoese und im Immunsystem eine wichtige Rolle spielen. Myelofibrosen stehen wahrscheinlich mit einer Dysregulation der JAK1- und JAK2-Signalwege in Verbindung. Man nimmt an, dass unter anderem hohe Spiegel zirkulierender Zytokine, die den JAK-STAT-Signalweg aktivieren, Gain-of-Function-Mutationen wie JAK2V617F sowie die Ausschaltung negativer Kontrollmechanismen zu den Ursachen dieser Dysregulation gehören. Als Folge davon kommt es zu einer vermehrten Zellproliferation.
Ruxolitinib hemmt die überaktivierten Januskinasen 1 und 2 durch Bindung an die katalytische Tyrosinkinase(TK)-Domäne. Dadurch sind JAK1 und JAK2 nicht mehr in der Lage, weitere Aktivierungsvorgänge wie die Phosphorylierung der STAT-Proteine (Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription) durchzuführen. Die Unterbrechung dieser Signaltransduktion führt dazu, dass die vermehrte Aktivierung von Zielgenen im Zellkern behindert wird (Abb. 1).

Abb. 1. Wirkungsmechanismus von Ruxolitinib [7]. Ruxolitinib hemmt die überaktivierten Januskinasen (JAK) 1 und 2 durch Bindung an die katalytische Tyrosinkinase(TK)-Domäne. Dadurch sind JAK1 und JAK2 nicht mehr in der Lage, weitere Aktivierungsvorgänge wie die Phosphorylierung der STAT (Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription) durchzuführen. Die Unterbrechung dieser Signaltransduktion führt dazu, dass die vermehrte Aktivierung von Zielgenen im Zellkern behindert wird
In Studien mit Vollblut von gesunden Probanden und von Myelofibrose-Patienten inhibierte Ruxolitinib die Zytokin-induzierte Phosphorylierung von STAT3. Zwei Stunden nach Gabe kam es zu einer maximalen Inhibition, die sowohl bei den gesunden Probanden als auch bei den Myelofibrose-Patienten nach acht Stunden fast wieder den Ausgangswert erreichte [2].
Pharmakokinetik
Die wichtigsten pharmakokinetischen Parameter von Ruxolitinib sind in Tabelle 1 dargestellt. Nach Gabe mit einer fettreichen Mahlzeit beobachtete man keine klinisch relevanten pharmakokinetischen Änderungen; die mittlere Cmax wurde mäßig reduziert (24%), während die mittlere AUC (area under the curve) nahezu unverändert blieb (Anstieg um 4%).
Eine Ganzkörper-Radiographie-Studie an Ratten zeigte, dass Ruxolitinib die Blut-Hirn-Schranke nicht überwindet.
Die verfügbaren pharmakodynamischen und toxikologischen Daten aus Tierversuchen haben eine Ausscheidung von Ruxolitinib und seinen Metaboliten in die Muttermilch gezeigt. Es ist nicht bekannt, ob Ruxolitinib und/oder seine Metaboliten beim Menschen in die Muttermilch übergehen [2].
Tab. 1. Pharmakokinetische Parameter von Ruxolitinib
Mittlere absolute orale Bioverfügbarkeit |
95% |
tmax (Zeit bis zur maximalen Plasmakonzentration, Cmax) |
1 h |
Plasmaeiweißbindung |
ca. 97% |
Verteilungsvolumen (scheinbar) |
53–65 l |
Metaboliten |
2 aktive Metaboliten |
Ausscheidung über Fäzes |
ca. 22% |
Ausscheidung über Urin |
ca. 74% |
Mittlere Eliminationshalbwertszeit |
ca. 3 h |
Metabolismus
Ruxolitinib wird hauptsächlich über Cytochrom P450-3A4 (CYP3A4; >50%) und zusätzlich über CYP2C9 metabolisiert. Im menschlichen Plasma liegt Ruxolitinib zu etwa 60% in unveränderter Form vor. Die beiden aktiven Hauptmetaboliten im Plasma entsprechen 25% bzw. 11% der AUC der Ausgangssubstanz. Ihre pharmakologische Aktivität liegt bei der Hälfte bis einem Fünftel der auf JAK bezogenen Aktivität von Ruxolitinib. Die Gesamtheit aller aktiven Metaboliten trägt mit 18% zum pharmakodynamischen Gesamteffekt von Ruxolitinib bei.
Bezüglich des Alters, des Geschlechts und der Abstammung wurden keine signifikanten Unterschiede in der Pharmakokinetik von Ruxolitinib beobachtet. Die vorhergesagte Clearance nach oraler Gabe lag bei Frauen bei 17,7 l/h und bei Männern bei 22,1 l/h, mit einer interindividuellen Variabilität von 39% [2].
Klinische Ergebnisse
Daten zur Wirksamkeit
Zulassungsstudien
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ruxolitinib wurde in den beiden zulassungsrelevanten Phase-III-Studien COMFORT-I und COMFORT-II (Controlled myelofibrosis study with oral JAK inhibitor treatment I/II) an Patienten geprüft, die an Myelofibrose (PMF, PPV-MF oder PET-MF) erkrankt waren [4, 8]. In beiden Studien waren zu Beginn sowohl die demographischen Charakteristika der Patienten als auch die Krankheitsmerkmale zwischen den beiden Behandlungsgruppen vergleichbar. Es handelte sich hier um Intermediär-2- und Hoch-Risiko-Patienten (2 bzw. ≥3 prognostische Faktoren gemäß dem International Prognostic Scoring System, IPSS).
COMFORT-I war eine randomisierte, Plazebo-kontrollierte doppelblinde Phase-III-Studie mit 309 Patienten, die auf eine verfügbare Therapie nicht ansprachen oder für diese nicht infrage kamen. Sie erhielten 1:1 randomisiert über 24 Wochen zweimal täglich Ruxolitinib (n=155) oder Plazebo (n=154) (Abb. 2) [8].

Abb. 2. Studiendesign COMFORT-I/II [4, 8]. Primärer Endpunkt war in beiden Studien der Anteil der Patienten mit ≥35% Größenreduktion des Milzvolumens von Baseline bis Woche 24 (COMFORT-I) bzw. 48 (COMFORT-II) (Magnetresonanztomographie-basiert, Computertomographie bei einzelnen Patienten); MF: Myelofibrose; PET-MF: Post-essentielle Thrombozythämie-MF; PMF: Primäre MF; PPV-MF: Post-Polycythaemia-vera-MF
Bei COMFORT-II handelt es sich um eine nicht verblindete, randomisierte Studie mit 219 Patienten, die im Verhältnis 2:1 auf eine Behandlung mit Ruxolitinib (n=146) im Vergleich mit der besten verfügbaren Therapie (best available therapy, BAT; n=73) nach Auswahl des Prüfarztes (z.B. antineoplastische Mittel, Hydroxycarbamid [Hydroxyurea], Glucocorticoide) randomisiert worden waren [4].
Die Anfangsdosis von Ruxolitinib (zweimal täglich oral 15 oder 20 mg) war abhängig von der Thrombozytenzahl der Patienten.
Primärer Endpunkt beider Studien war das Ansprechen, definiert als der Anteil an Patienten, bei denen mithilfe von Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) eine auf den Ausgangswert bezogene Reduktion des Milzvolumens um ≥35% in Woche 24 (COMFORT-I) bzw. Woche 48 (COMFORT-II) gemessen wurde. Zu den sekundären Endpunkten zählten unter anderem die Dauer der Erhaltung der Reduktion des Milzvolumens um ≥35% und das Gesamtüberleben.
Die Reduktion des Milzvolumens um ≥35% entspricht einer Verminderung der tastbaren Milzlänge um 50%. Dieser Endpunkt wurde in COMFORT-I nach 24 Wochen von 41,9% der Patienten unter Ruxolitinib erreicht, unter Plazebo von 0,7% (p<0,0001). In COMFORT-II erreichten in der Verum-Gruppe 28,5% der Patienten den primären Endpunkt, jedoch kein Patient unter BAT (p<0,0001).
Ruxolitinib linderte darüber hinaus krankheitsbedingte Symptome wie Fatigue, Dyspnoe, Schlaf- und Appetitlosigkeit. Mit dem validierten Instrument EORTC QLQ-C30 (European organization for research and treatment of cancer QoL questionnaire core 30 items) wurde in beiden Studien eine Verbesserung der Gesamt-Lebensqualität gemessen. Beispielsweise betrug in Woche 24 in COMFORT-I die mittlere Änderung des allgemeinen Gesundheitszustands-/Lebensqualitäts-Werts +12,3 bzw. –3,4 (p<0,0001) unter Ruxolitinib bzw. Plazebo [3].
Überlebensvorteil gegenüber Plazebo und BAT
In den nach der Markteinführung von Jakavi® veröffentlichten Follow-up-Analysen der COMFORT-I/II-Studien zeigte sich neben der anhaltenden Wirksamkeit (Reduktion des Milzvolumens um ≥35%) und einer guten Verträglichkeit ein längeres Gesamtüberleben unter Ruxolitinib im Vergleich zu Plazebo und BAT (Ergebnisse siehe Tab. 2) [1, 3].
Tab. 2. Ergebnisse der Follow-up-Analysen von COMFORT-I/II (Auswahl) [1, 3]
Studie |
Medianer Follow-up im Ruxolitinib-Arm1 |
Kaplan-Meier-Wahrscheinlichkeit für Milzvolumen-Reduktion ≥35% unter Ruxolitinib |
Gesamtüberleben |
|
HR Ruxolitinib vs. Plazebo (95%-KI) |
HR Ruxolitinib vs. BAT (95%-KI) |
|||
COMFORT-I |
103 Wochen |
64% (nach 104 Wochen) |
0,58 (0,36–0,95); p=0,03 |
|
COMFORT-II |
151 Wochen |
50% (nach 144 Wochen) |
0,48 (0,28–0,85); p=0,009 |
1Nach Entblindung der COMFORT-I-Studie wechselten die Plazebo-Patienten auf Ruxolitinib oder beendeten die Therapie; HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall
Daten zur Sicherheit
In den klinischen Studien waren Thrombozytopenie und Anämie die am häufigsten berichteten unerwünschten Ereignisse (UE). Die verschiedenen Häufigkeiten der UE sind in Tabelle 3 dargestellt [2].
Tab. 3. Prozentualer Anteil der Patienten mit unerwünschten Ereignissen (UE) in den klinischen Studien COMFORT-I/II (n=301) [2]
Unerwünschtes Ereignis |
Alle CTCAE-Grade [%] |
CTCAE-Grad 3/4 [%] |
Häufigkeitskategorie1 |
Infektionen und parasitäre Erkrankungen |
|||
Harnwegsinfektionen |
12,3 |
1,0 |
Sehr häufig |
Herpes zoster |
4,3 |
0,3 |
Häufig |
Tuberkulose |
0,27 |
0,27 |
Gelegentlich |
Anämie |
82,4 |
42,5 |
Sehr häufig |
Thrombozytopenie |
69,8 |
11,3 |
Sehr häufig |
Neutropenie |
15,6 |
6,6 |
Sehr häufig |
Blutungen (jede Blutung einschließlich intrakranieller und gastrointestinaler Blutung, Blutergüsse und andere Blutungen) |
32,6 |
4,7 |
Sehr häufig |
Intrakranielle Blutung |
1,0 |
1,0 |
Häufig |
Gastrointestinale Blutung |
5,0 |
1,3 |
Häufig |
Blutergüsse |
21,3 |
0,3 |
Sehr häufig |
Andere Blutungen (einschließlich Nasenbluten, postprozedurale Blutung und Hämaturie) |
13,3 |
2,3 |
Sehr häufig |
Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen |
|||
Gewichtszunahme |
10,0 |
1,3 |
Sehr häufig |
Hypercholesterolämie |
16,6 |
0 |
Sehr häufig |
Erkrankungen des Nervensystems |
|||
Schwindel |
15,0 |
0,3 |
Sehr häufig |
Kopfschmerzen |
13,9 |
0,5 |
Sehr häufig |
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts |
|||
Flatulenz |
2,9 |
0 |
Häufig |
Leber- und Gallenerkrankungen |
|||
Erhöhte ALT-Werte |
26,9 |
1,3 |
Sehr häufig |
Erhöhte AST-Werte |
19,3 |
0 |
Sehr häufig |
1Häufigkeitskategorien: sehr häufig (≥1/10), häufig (≥1/100, <1/10), gelegentlich (≥1/1000, <1/100), selten (≥1/10000, <1/1000), sehr selten (<1/10000); CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events): Grad 1=leicht, Grad 2=mittel, Grad 3=schwer, Grad 4=lebensbedrohlich; ALT: Alanin-Aminotransferase; AST: Aspartat-Aminotransferase
Bei den hämatologischen UE traten Anämie (82,4%), Thrombozytopenie (69,8%) und Neutropenie (15,6%) am häufigsten sowie dosisabhängig auf.
Patienten mit einem Hämoglobingehalt (Hb-Wert) unter 10,0 g/dl zu Therapiebeginn hatten ein höheres Risiko für einen Abfall des Hb-Wertes unter 8,0 g/dl während der Behandlung als Patienten mit höheren Ausgangswerten. Es wird daher empfohlen, bei Patienten mit einem Ausgangs-Hb-Wert unter 10,0 g/dl die hämatologischen Parameter häufiger zu überwachen sowie verstärkt auf klinische Anzeichen und Symptome von bekannten Ruxolitinib-Nebenwirkungen zu achten [5].
Der mediane Zeitraum bis zum Einsetzen einer Grad-3- oder Grad-4-Thrombozytopenie betrug in den klinischen Phase-III-Studien etwa acht Wochen. Nach einer Dosisreduktion oder -unterbrechung war die Thrombozytopenie im Allgemeinen reversibel.
In denselben Studien betrug der mediane Zeitraum bis zum Einsetzen einer Grad-3- oder Grad-4-Neutropenie 12 Wochen. Über ein Aussetzen der Behandlung oder eine Reduktion der Dosis aufgrund einer Neutropenie wurde bei 1,0% der Patienten berichtet, 0,3% der Patienten brachen die Behandlung aufgrund einer Neutropenie ab.
Die drei am häufigsten berichteten nichthämatologischen UE waren Blutergüsse (21,3%), Schwindel (15,0%) und Kopfschmerzen (13,9%).
Bei Laboruntersuchungen waren die drei am häufigsten auftretenden nichthämatologischen Abweichungen erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte (ALT, 26,9%), erhöhte Aspartat-Aminotransferase-Werte (AST, 19,3%) und Hypercholesterolämie (16,6%).
Daten zu Wechselwirkungen
In-vitro-Studien zufolge ist Ruxolitinib in klinisch relevanten Konzentrationen kein Inhibitor der Enzyme CYP1A2, CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6 oder hepatischem CYP3A4 und ist kein potenter Induktor von CYP1A2, CYP2B6 oder CYP3A4. Möglicherweise hemmt Ruxolitinib jedoch im Darm CYP3A4, P-Glykoprotein (P-gp) und das Breast Cancer Resistance Protein (BCRP).
Da Ruxolitinib hauptsächlich, zu über 50%, mittels CYP3A4 und zusätzlich über CYP2C9 metabolisiert wird, können Substanzen, die diese Enzyme hemmen, zu einem Anstieg der Exposition mit Ruxolitinib führen. So führte beispielsweise die gleichzeitige Anwendung einer 10-mg-Einzeldosis Ruxolitinib mit dem starken CYP3A4-Inhibitor Ketoconazol zur Erhöhung der Cmax und der AUC von Ruxolitinib um 33% bzw. 91% im Vergleich zu einer alleinigen Gabe, außerdem zur Verlängerung der Halbwertszeit von 3,7 auf 6,0 Stunden. Wird Ruxolitinib mit starken CYP3A4-Inhibitoren wie Boceprevir, Clarithromycin, Indinavir, Itraconazol, Ketoconazol, Ritonavir, Nelfinavir, Posaconazol, Saquinavir, Telaprevir, Telithromycin oder Voriconazol gleichzeitig angewendet, sollte dessen Einzeldosis um etwa 50% verringert werden. Diese Vorgehensweise wird auch bei gleichzeitiger Anwendung mit dualen Inhibitoren von CYP3A4- und CYP2C9-Enzymen (z.B. Fluconazol) empfohlen.
Auch Patienten, die gleichzeitig mit Ruxolitinib CYP3A4-Induktoren (z.B. Avasimib, Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Rifabutin, Rifampicin oder Johanniskraut [Hypericum perforatum] erhalten, sollten engmaschig überwacht und die Dosis entsprechend der Sicherheit und Wirksamkeit angepasst werden. So beobachtete man bei gesunden Probanden, die Ruxolitinib (50 mg als Einzeldosis) nach einer Gabe des starken CYP3A4-Induktors Rifampicin (600 mg täglich über 10 Tage) erhalten hatten, eine um 70% niedrigere AUC von Ruxolitinib als nach alleiniger Gabe, wobei jedoch das Vorhandensein von aktiven Ruxolitinib-Metaboliten unverändert blieb und die pharmakodynamische Aktivität von Ruxolitinib insgesamt ähnlich war. Es ist dennoch möglich, dass ein Patient eine Erhöhung der Ruxolitinib-Dosis benötigt, wenn die Behandlung mit einem starken Enzym-Induktor begonnen wird.
Bei der gleichzeitigen Anwendung von Ruxolitinib mit schwachen oder mäßig wirksamen CYP3A4-Inhibitoren (z.B. Ciprofloxacin, Erythromycin, Amprenavir, Atazanavir, Diltiazem, Cimetidin) wird keine Dosisanpassung empfohlen. Patienten, bei denen gleichzeitig eine Therapie mit einem mäßig wirksamen CYP3A4-Inhibitor begonnen wird, sollten dennoch bei Therapiebeginn engmaschig auf Zytopenien überwacht werden.
Da Ruxolitinib P-gp und BCRP im Darm hemmen kann, kommt es möglicherweise zu einer erhöhten systemischen Exposition von Substraten dieser Transporter (z.B. Dabigatranetexilat, Ciclosporin, Rosuvastatin, potenziell Digoxin). Daher wird ein therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) oder eine klinische Überwachung dieser Substanzen empfohlen. Eventuell kann die potenzielle Hemmung von P-gp und BCRP im Darm minimiert werden, wenn die Zeitspanne zwischen den Arzneimittelgaben so weit wie möglich verlängert wird [2].
Dosierung, Einsatz und Handhabung
Allgemeine Dosierungsempfehlungen
Ruxolitinib wird oral verabreicht. Derzeit stehen Tabletten mit den Wirkstärken 5, 15 und 20 mg zur Verfügung. Die Dosisproportionalität wurde in Studien mit Einzel- und Mehrfachdosen nachgewiesen.
Die Anfangsdosis wird entsprechend der Thrombozytenzahl zu Therapiebeginn ausgewählt (siehe Tab. 4). Diese Dosierung wird vier Wochen lang beibehalten, danach kann zur Verbesserung des Ansprechens alle zwei Wochen eine Dosiserhöhung um jeweils 5 mg vorgenommen werden. Die Maximaldosierung beträgt 25 mg zweimal täglich. Da Wachstumsfaktoren wie Erythropoetin und Thrombopoetin den JAK2-Signalweg benötigen, sind bei einer Hemmung der Kaskade dosisabhängige Zytopenien zu erwarten. Daher können in den ersten Behandlungswochen Ruxolitinib-Dosisreduktionen notwendig sein [2, 10].
Tab. 4. Empfohlene Ruxolitinib-Startdosis in Abhängigkeit von der Thrombozytenzahl [2]
Thrombozytenzahl |
Dosis |
>200000/µl |
20 mg 2×tgl. |
100000 bis 200000/µl |
15 mg 2×tgl. |
50000 bis <100000/µl |
max. 5 mg 2×tgl. |
Anwendung bei speziellen Patientengruppen
Zur Anwendung von Ruxolitinib bei Schwangeren liegen keine Erfahrungen vor. Als Vorsichtsmaßnahme ist die Anwendung von Ruxolitinib während der Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Ruxolitinib eine effektive Methode der Empfängnisverhütung anwenden [2].
Da ein Risiko für das gestillte Kind nicht ausgeschlossen werden kann, darf Ruxolitinib nicht während der Stillzeit angewendet werden.
Bei Patienten mit leichter oder moderater Nierenfunktionsstörung ist keine spezifische Dosisanpassung notwendig. Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (Creatinin-Clearance weniger als 30 ml/min) sollte die auf der Thrombozytenzahl basierende empfohlene Anfangsdosis, die zweimal täglich gegeben wird, um etwa 50% verringert werden.
Bei älteren Patienten (≥65 Jahre) werden keine zusätzlichen Dosisanpassungen empfohlen.
Zur Dosierung bei Hämodialyse-Patienten mit Nierenerkrankungen im Endstadium liegen begrenzte Daten vor. Die Empfehlungen finden sich in der Fachinformation und den Zulassungsdaten [2, 5].
Auch bei Patienten mit jeglicher Leberfunktionsstörung sollte die Dosis angepasst werden [2, 5].
Vergleich mit anderen Therapien
Ruxolitinib ist die erste zugelassene medikamentöse Myelofibrose-Therapie. Bisher wurden bei Erkrankungen, für die der Wirkstoff indiziert ist, Chemotherapeutika wie Hydroxycarbamid oder Busulfan, Glucocorticoide wie Prednison oder Dexamethason, Epoetine, Interferon alfa, das Androgen Danazol oder die Immunmodulatoren Lenalidomid bzw. Thalidomid off Label eingesetzt. Von den nichtmedikamentösen Optionen ist allein die allogene Stammzelltransplantation potenziell kurativ. Sie kann jedoch nur angewendet werden, wenn die Patienten in einem transplantationsfähigen Zustand sind und ein biologisches Alter von unter 70 Jahren haben. Daher ist diese Behandlung für die meisten Patienten nicht geeignet, unter anderem wegen des relativ hohen Lebensalters bei Diagnosestellung (im Median 67 Jahre) oder wegen bestehender Komorbiditäten [6].
Maßnahmen wie eine Bestrahlung der Milz oder eine Splenektomie können vorübergehend die Symptome lindern, haben jedoch keinen Einfluss auf die Grunderkrankung und sind mit hoher Morbidität und Mortalität verbunden.
Obwohl Ruxolitinib nicht kurativ wirkt, reduziert die Substanz signifikant und unabhängig vom JAK2V617F-Mutationsstatus die Splenomegalie, vermindert die Last der Krankheits-assoziierten Symptome, führt nachweislich zu einer Verbesserung der Lebensqualität und möglicherweise zu einem längeren Überleben der Patienten.
Bewertung durch das IQWiG
Im Vergleich zur Best supportive Care (BSC) sieht das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) einen Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen, da Ruxolitinib Symptome besser als diese lindert. Darüber hinaus lässt sich aus dem Dossier ein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen in Hinblick auf das Überleben ableiten. Dessen Ausmaß ist aber nicht quantifizierbar.
[Pressemitteilung des IQWIG vom 15.08.2014]
Interessenkonflikterklärung
CB gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
KD: Teilnahme an AdBoards der Firma Novartis Pharmaceuticals
MG: Teilnahme an AdBoards der Firma Novartis Pharmaceuticals
Literatur
1. Cervantes F, et al. Three-year efficacy, safety, and survival findings from COMFORT-II, a phase 3 study comparing ruxolitinib with best available therapy for myelofibrosis. Blood 2013;122:4047–53.
2. Fachinformation Jakavi® Tabletten, Novartis Pharma GmbH, Nürnberg, Stand November 2013.
3. Harrison C, et al. Health-related quality of life and symptoms in patients with myelofibrosis treated with ruxolitinib versus best available therapy. Br J Haematol 2013;162:229–39.
4. Harrison C, et al. JAK inhibition with ruxolitinib versus best available therapy for myelofibrosis. N Engl J Med 2012;366:787–98.
5. Jakavi. Summary of the European public assessment report (EPAR). www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/human/medicines/002464/human_med_001568.jsp&mid=WC0b01ac058001d124 (Zugriff am 25.04.2014).
6. Leitlinie „Primäre Myelofibrose (PMF)“ der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO), Stand März 2010, www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien/primaere-myelofibrose-pmf (Zugriff am 28.04.2014).
7. Levine RL, Pardanani A, Tefferi A, Gilliland DG. Role of JAK2 in the pathogenesis and therapy of myeloproliferative disorders. Nat Rev Cancer 2007;7:673–83.
8. Verstovsek S, et al. Double-blind, placebo-controlled trial of ruxolitinib for myelofibrosis. N Engl J Med 2012;366:799–807.
9. Verstovsek S, et al. Efficacy, safety and survival with ruxolitinib in patients with myelofibrosis: results of a median 2 year follow-up pf COMFORT-I. Haematologica 2013;98:1865–71.
10. Verstovsek S, et al. Management of cytopenias in patients with myelofibrosis treated with ruxolitinib and effect of dose modifications on efficacy outcomes. Onco Targets Ther 2013;7:13–21.
Dr. rer. nat. Claudia Bruhn, Dorfstraße 60, 17291 Randowtal/OTSchmölln. E-Mail: clbruhn@web.de
Prof. Dr. Konstanze Döhner, University Hospital of Ulm, Department of Internal Medicine III, Albert-Einstein-Allee 23, 89081 Ulm, E-Mail: konstanze.doehner@uniklinik-ulm.de
Prof. Dr. Martin Griesshammer, Hämatologie und Onkologie, Hämostaseologie und Palliativmedizin am Johannes Wesling Klinikum Minden, Hans-Nolte-Straße 1, 32429 Minden, E-Mail: martin.griesshammer@muehlenkreiskliniken.de
Ruxolitinib: first janus kinase inhibitor for the treatment of myelofibrosis
Ruxolitinib is an oral tyrosine kinase inhibitor that targets the janus-associated kinases (JAKs) 1 and 2. It is the first approved medical treatment for patients with primary and secondary myelofibrosis to relieve their severe and debilitating disease-related symptoms. Two phase III randomized trials comparing ruxolitinib to either placebo or best available therapy (BAT) in intermediate or high risk patients showed a rapid and sustained response in the reduction of spleen size, an improvement in quality of life and a longer overall survival in comparison with placebo or BAT.
Ruxolitinib is administered orally twice daily. The starting dosage depends on the baseline platelet count. Ruxolitinib is primarily metabolized by CYP3A4. Therefore, in cases of concomitant use with a strong CYP3A4 inhibitor, a dose reduction is warranted.
The most commonly reported hematological adverse events of ruxolitinib are anemia, thrombocytopenia and neutropenia. The most important non-hematological adverse events are hematoma, dizziness und headache.
Key words: Myelofibrosis, ruxolitinib, janus-kinases 1/2, splenomegaly, COMFORT-I/II
Arzneimitteltherapie 2014; 32(10)