Afatinib bei Bronchialkarzinom

Signifikanter Überlebensvorteil bei bestimmten Lungenkrebs-Patienten


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Die kombinierte Post-hoc-Analyse zweier Phase-III-Studien mit Afatinib beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom zeigten zunächst, dass die mit Afatinib behandelten Patienten zusätzlich zum längeren progressionsfreien Überleben auch insgesamt länger überlebten als die mit Chemotherapie behandelten. Bei Patienten mit der häufigsten EGFR-Mutation (DEL 19) konnte das Mortalitätsrisiko sogar um 41% gesenkt werden. Außerdem profitieren Lungenkrebspatienten offensichtlich auch von einer Weiterbehandlung mit einer Afatinib-Kombination nach Progression. Die Ergebnisse dieser drei Studien wurden während der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Juni 2014 in Chicago vorgestellt.

Mutationen des EGFR (epidermal growth factor receptor) gehören zu den Driver-Mutationen der nichtkleinzelligen Bronchialkarzinome (non small cell lung cancer, NSCLC). Dabei handelt es sich überwiegend um DEL19- und L858R-Mutationen (50 bzw. 39%).

LUX-Lung 3 und LUX-Lung 6

Den ersten beiden oral zu applizierenden EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren Erlotinib und Gefitinib folgte im letzten Jahr Afatinib (Kasten, Giotrif®) mit der Zulassung zur Erstlinientherapie des NSCLC. Die internationalen Zulassungsstudien für Afatinib waren LUX-Lung 3, in der Afatinib mit Pemetrexed (Alimta®)/Cisplatin verglichen und LUX-Lung 6, in der als Vergleichschemotherapie Gemcitabin/Cisplatin gewählt worden war. In letztere Studie waren überwiegend Asiaten eingeschlossen worden.

G-BA bescheinigt Zusatznutzen für Afatinib (Giotrif®)

Die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gab am 25. September 2013 die Zulassung für Afatinib zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) mit aktivierenden EGFR-Mutationen bekannt.

Daraufhin hat Boehringer Ingelheim am 15. November 2013 für Afatinib (irreversibler Hemmer der Rezeptortyrosinkinasen der ErbB-Familie, z.B. EGFR) ein Dossier zur frühen Nutzenbewertung im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eingereicht. In dem Dossier wurde Afatinib den vom G-BA verbindlich vorgeschriebenen Vergleichstherapien gegenüber gestellt.

Am 8. Mai 2014 hat der G-BA Afatinib in der Indikation fortgeschrittenes (NSCLC) mit aktivierenden EGFR-Mutationen einen beträchtlichen Zusatznutzen attestiert.

Beide Studien konnten schon im vergangenen Jahr im Hinblick auf ihren primären Endpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS), einen Vorteil für Afatinib im Vergleich zu den Chemotherapeutika zeigen (PFS LUX-Lung 3:11,1 vs. 6,9 Monate; LUX-Lung 6:11,0 vs. 5,6 Monate). Als Ergänzung zu den signifikanten Unterschieden im PFS konnten in diesem Jahr auch die signifikant besseren Überlebensdaten für beide Studien beobachtet werden. Die kombinierte Auswertung der beiden Studien, in die die Daten von insgesamt 631 Patienten eingegangen waren, zeigte ein Gesamtüberleben in der Afatinib-Gruppe von 27,3 Monaten vs. 24,3 Monaten in den Chemotherapeutika-Armen (Hazard-Ratio [HR] 0,81; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,66–0,99; p=0,0374) [1].

Auf den Subtyp kommt es an

Offensichtlich lohnt es sich aber darüber hinaus durchaus auch, bei Bronchialkarzinompatienten mit einer EGFR-Mutation zusätzlich die Subtypen der Mutationen zu bestimmen. Das ergab sich jetzt ebenfalls bei der gepoolten Analyse der beiden Phase-III-Studien LUX-Lung 3 und LUX-Lung 6, in der die verschiedenen Mutationen im Hinblick auf den Endpunkt Gesamtüberleben analysiert worden waren [1]. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 36,5 Monaten zeigte sich, dass die Patienten mit einer DEL19-Mutation fast ein Jahr länger unter Afatinib gelebt hatten als diejenigen, die mit Chemotherapeutika behandelt worden waren (31,7 vs. 20,7 Monate; HR 0,59; 95%-KI 0,45–0,77; p<0,001) (Abb. 1).

Abb. 1. Kombinierte Subgruppenanalyse der beiden Studien LUX-Lung 3 und LUX-Lung 6, in denen jeweils Afatinib verglichen wurde mit Chemotherapie. Ganz besonders profitieren Patienten mit einer del19-Mutation von der Therapie mit Afatinib

Und wie geht es weiter nach der Progression?

Leider kommt es auch bei NSCLC-Patienten, deren Therapie mit einem EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) begonnen wurde, irgendwann zur Resistenz gegen die Therapie und zu einem Krankheitsprogress. Als Fortsetzung der Behandlung werden dann meist verschiedene Chemotherapeutika gewählt. Fraglich war bislang, ob es sinnvoll ist, dabei zusätzlich die EGFR-TKI-Inhibition fortzusetzen. Das war der Hintergrund der LUX-Lung-5-Untersuchung, eine prospektiven randomisierten Studie, die an 115 Zentren in 23 Ländern Patienten eingeschlossen hatte.

Studiendesign

Die randomisierte Phase-III-Studie verglich dabei bei Patienten mit fortgeschrittenen Bronchialkarzinomen

  • im ersten Arm Afatinib (40 mg täglich) plus Chemotherapie (Paclitaxel 80 mg/m2 wöchentlich für 7 oder 8 Wochen) versus
  • Chemotherapie (nach Wahl des behandelnden Arztes =ICC) allein im zweiten Arm.

Vorher war es bei diesen Patienten unter verschiedenen Behandlungen, unter anderem Chemotherapie, Erlotinib oder Gefitinib und anschließendem Afatinib (50 mg täglich) wieder zu Progressionen gekommen [2].

Studienergebnisse

Patienten, die nach der Tumorprogression unter der Afatinib-Monotherapie mit der Afatinib-Behandlung in Kombination mit Paclitaxel fortfuhren, zeigten einen weiteren Aufschub des Tumorwachstums im Vergleich zu der ICC-Gruppe: Das progressionsfreie Überleben betrug 5,6 vs. 2,8 Monate (Abb. 2). Dies entspricht einer 40%igen Verringerung des Risikos einer erneuten Krankheitsprogression. Die objektiven Ansprechraten betrugen 32,1% vs. 13,2% (p=0,0049), und die Krankheitskontrollrate (disease control rate, DCR) 74,6% vs. 45,6%, (p<0,0001). Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht signifikant und betrug in beiden Armen 12,2 Monate. Dass es hier keinen Unterschied mehr gab, hängt möglicherwies damit zusammen, dass mehr Patienten des ICC-Arms nach Progress noch zwei weitere Therapielinien erhalten hatten (36 vs. 15%). Unerwünschte Ereignisse, wie Diarrhö, Alopezie und Asthenie traten in beiden Armen auf, im Afatinib/Paclitaxel-Kombinationsarm kam es etwas häufiger zu peripheren Neuropathien (9,1% vs. 8,3%). Die Lebensqualität, gemessen mit standardisierten Fragebögen, hatte sich im Laufe der Zeit nicht verschlechtert.

Abb. 2. LUX-Lung 5 ist die erste randomisierte Studie bei Bronchialkarzinom-Patienten, die einen Benefit dafür zeigt, eine Therapie nach der Progression fortzuführen, in diesem Fall in Kombination mit der Chemotherapie

Quelle

John Clare, Prof. James Chich-Hsin Yang, Dr. Jesme Fox, Prof. Martin Schuler. 2-in-1 Media Event, veranstaltet von Boehringer Ingelheim im Rahmen des ASCO 2014, Chicago, 31. Mai 2014.

Literatur

1. Yang JC, et al. Overall survival (OS) in patients (pts) with advanced non-small cell lung cancer (NSCLC) harboring common (Del19/L858R) epidermal growth factor receptor mutations (EGFR mut): Pooled analysis of two large open-label phase III studies (LUX-Lung 3 [LL3] and LUX-Lung 6 [LL6]) comparing afatinib with chemotherapy (CT). J Clin Oncol 2014;32(Suppl):5s (abstr. 8004).

2. Schuler M, et al. Continuation of afatinib beyond progression: Results of a randomized, open-label, phase III trial of afatinib plus paclitaxel versus invetigator’s choice of chemotherapy in patients with metastatic non-small-cell lung cancer (NSCLC) progressed on erlotinib/gefitinib and afatinib: LUX-Lung 5. J Clin Oncol 2014;32(Suppl):5s (abstr. 8019).

Arzneimitteltherapie 2014; 32(10)