Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Der Kongress der European Society of Cardiology (ESC, 30.08.–03.09.) bietet alljährlich ein Forum, auf dem neueste Studienergebnisse vorgetragen und diskutiert werden. Die folgende Auswahl zeigt, dass nicht alle Hoffnungen in Erfüllung gegangen sind. Doch einige neue Substanzen sind in der Entwicklung, die nach ersten Studienergebnissen eine vielversprechende Bereicherung der Behandlungsmöglichkeiten erwarten lassen.
PARADIGM-HF-Studie: Neue Option für herzinsuffiziente Patienten
Ein neues Therapieprinzip für die chronische Herzinsuffizienz, das sich zurzeit in der klinischen Entwicklung befindet, ist LCZ696. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Dual-acting ARNI (Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor). Mit dieser Substanz werden sowohl Angiotensinrezeptoren (Valsartan-Komponente) als auch das Neprilysin, ein vor allem in Nieren und Lunge vorkommendes Enzym, das für die Blutdrucksteuerung verantwortlich ist, gehemmt. Im Rahmen der PARADIGM-HF-Studie wurde diese neue Substanz mit dem ACE-Hemmer Enalapril bei 8842 Patienten mit reduzierter Auswurffraktion, zusätzlich zur Standardtherapie gegeben, verglichen. Mit LCZ696 wurde die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthaltes wegen Herzinsuffizienz um relativ 21% (p<0,00004), das kardiovaskuläre Sterberisiko um relativ 20% (p<0,00004) und die Gesamtmortalität um relativ 16% (p<0,0005) reduziert. Der kombinierte primäre Endpunkt der Studie aus Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Todesfällen wurde ebenfalls um relativ 20% gesenkt.
SIGNIFY-Studie: Ivabradin verbessert nicht die Prognose bei stabiler KHK
Bei 19102 Patienten mit stabiler KHK und einer Herzfrequenz >70 Schläge pro Minute konnte der If-Kanalblocker Ivabradin den primären Endpunkt der Studie aus kardiovaskulärem Tod und nicht tödlichem Herzinfarkt nach 27,8 Monaten nicht günstig beeinflussen (6,8% vs. 6,4%; Hazard-Ratio [HR] 1,08; p=0,20). Bei Patienten mit Belastungs-Angina trat sogar etwas häufiger ein solches unerwünschtes Ereignis auf, nicht jedoch bei beschwerdefreien Patienten.
COPPS-2-Studie: Colchicin verhindert das Post-Perikardiotomie-Syndrom, aber nicht Vorhofflimmern
In einer früheren Studie (COPPS) konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Colchicin drei Tage nach der Herzoperation das Risiko eines Post-Perikardiotomie-Syndroms günstig beeinflusst. Im Rahmen der COPPS-2-Studie wurde die Substanz randomisiert und Plazebo-kontrolliert bereits 48 bis 72 Stunden vor der Operation bei 360 Patienten eingesetzt. Unter Colchicin trat das Post-Perikardiotomie-Syndrom bei 19,4%, unter Plazebo bei 29,4% der Patienten auf. Bei den sekundären Endpunkten (postoperatives Vorhofflimmern, Pleura- bzw. Perikarderguss) ergab sich kein signifikanter Unterschied. 20% aller Studienpatienten beendeten die Therapie vorzeitig und bei 14,4% der Patienten in der Colchicin-Gruppe traten gastrointestinale Beschwerden auf.
ODYSSEY-Studien: Effektive LDL-Senkung mit Alirocumab
Der monoklonale Antikörper Alirocumab ist ein Vertreter einer neuen Substanzklasse zur LDL-Cholesterol-Senkung, nämlich der PCSK9(proprotein convertase subtilisin/kexin type 9)-Inhibitoren. Im Rahmen der ODYSSEY-LONG-TERM-Studie wurde die Substanz in einer Dosierung von 150 mg alle 2 Wochen s.c. bei Patienten mit einer familiären Hypercholesterolämie oder hohem kardiovaskulären Risiko zusätzlich zur maximalen Standardtherapie gegeben. Nach 24 Wochen führte der Antikörper zu einer Abnahme des LDL-Cholesterols um 61% im Vergleich zu einer Zunahme von 0,8% unter Plazebo. 79% der Patienten in der Alirocumab-Gruppe erreichten einen LDL-Wert <70 mg/dl, in der Plazebo-Gruppe lediglich 8%. Nach einer Post-hoc-Analyse konnte mit Alirocumab das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um relativ 54% gesenkt werden (HR 0,46; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,26–0,82; p<0,01).
In den Studien ODYSSEY FHI und FHII wurde Alirocumab bei Patienten mit familiärer Hypercholesterolämie, die trotz maximaler Therapie die Zielwerte nicht erreichten, untersucht. In diesen Studien wurde der LDL-Wert durch den Antikörper nach 24 Wochen um 48,7% gesenkt, unter Plazebo nur um 2,8%. Etwa 80% erreichten mit dem Antikörper einen LDL-Wert <100 mg/dl.
In die ODYSSEY-COMBO-II-Studie wurden Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko, die trotz maximaler CSE-Hemmer-Therapie die Zielwerte nicht erreichten, aufgenommen. Verglichen wurde 75 mg Alirocumab alle 2 Wochen mit 10 mg Ezetimib täglich. In der Alirocumab-Gruppe sank der LDL-Wert nach 24 Wochen um 50,6%, in der Ezetimib-Gruppe um 20,7% (p<0,0001). 77% in der Alirocumab-Gruppe und 45% in der Ezetimib-Gruppe erreichten einen LDL-Zielwert <70 mg/dl.
CONFIRM-Studie: Herzinsuffiziente Patienten profitieren von Eisengabe
304 Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz und einem Eisenmangel (Ferritin <100 ng/ml oder Ferritin 100 bis 300 ng/ml plus Transferrinsättigung <20%) erhielten randomisiert Eisencarboxymaltose i.v. oder Plazebo. Die Eisengabe führte bereits nach 6 Wochen zu einer Zunahme der 6-Minuten-Gehstrecke um 18 m, in der Plazebo-Gruppe nahm die 6-Minuten-Gehstrecke um 16 m ab. Auch die Symptomatik und die Lebensqualität wurden günstig beeinflusst. Wegen einer kardialen Dekompensation mussten 32 Patienten in der Plazebo-Gruppe, aber nur 10 Patienten aus der mit Eisen substituierten Gruppe stationär behandelt werden (HR 0,39; 95%-KI 0,19–0,82; p=0,009).
STICS-Studie: Perioperative CSE-Hemmer-Therapie hat keinen Nutzen
1922 Patienten mit einem elektiven herzchirurgischen Eingriff erhielten randomisiert 20 mg Rosuvastatin oder Plazebo, beginnend 8 Tage vor dem Eingriff bis 5 Tage danach. Bezüglich Vorhofflimmern und anderer Operationskomplikationen erwies sich der CSE-Hemmer als unwirksam.
X-VErT-Studie: Rivaroxaban auch bei Kardioversion sicher
Im Rahmen einer geplanten Kardioversion erhielten 1002 Patienten mit Vorhofflimmern entweder 20 mg Rivaroxaban einmal täglich oder den Vitamin-K-Antagonisten Warfarin. Die Kardioversion (97,6% elektrisch, 2,4% medikamentös) wurde entweder innerhalb von fünf Tagen nach Dokumentation des Vorhofflimmerns oder erst nach dreiwöchiger Antikoagulation durchgeführt. Der kombinierte Endpunkt aus Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA), peripherer Embolie, Myokardinfarkt und kardiovaskulärem Tod trat bei der frühen Kardioversion unter Rivaroxaban bei 0,71%, unter Warfarin bei 1,08% der Patienten auf. Die Vergleichszahlen bei den erst nach drei Wochen kardiovertierten Patienten sind 0,24% unter Rivaroxaban versus 0,93% unter Warfarin.
AMIO-CAT-Studie: Amiodaron verhindert Vorhofflimmern-Rezidive in den ersten drei Monaten nach Katheterablation
212 Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern erhielten randomisiert über acht Wochen nach der Pulmonalvenenisolation Amiodaron oder Plazebo. Nach sechs Monaten fand sich kein Unterschied im Hinblick auf Vorhofflimmern-Rezidive (39% unter Amiodaron vs. 48% unter Plazebo; p=0,18). Doch innerhalb der ersten drei Monate, in denen ein Vorhofflimmern-Rezidiv Ausdruck des Heilungsprozesses ist und deshalb nicht als Therapieversagen gilt, konnte Amiodaron das Auftreten von Vorhofflimmern verringern (34% vs. 53%; p=0.006). Auch die Hospitalisierungsrate (p=0,006) und die Rate einer erneuten Kardioversion (p=0,0004) wurde reduziert.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(11)