HCV-infizierte Patienten mit HIV-Koinfektionen

Behandlung mit Sofosbuvir plus Ribavirin


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Das neue orale Nukleotidanalogon Sofosbuvir ermöglicht erstmals eine einfache, oral durchführbare sowie neben- und wechselwirkungsarme Behandlung von Hepatitis-C-Patienten, die mit HIV koinfiziert sind. Sowohl therapienaive als auch vorbehandelte Patienten erreichten unter der kombinierten Gabe von Sofosbuvir plus Ribavirin über 12 oder 24 Wochen hohe virologische Responseraten.

Patienten mit einer Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion und zusätzlicher Koinfektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) haben ein erhöhtes Risiko für Leberfibrose und -zirrhose, ein hepatozelluläres Karzinom und eine erhöhte Gesamtsterblichkeit. Die Behandlung der doppelt infizierten Patienten bei Vorliegen der HCV-Genotypen 1, 2 oder 3 erfolgt derzeit mit pegyliertem Interferon und Ribavirin (z.B. Rebetol®) mit oder ohne einen HCV-NS3/4A-Serinproteasehemmer wie Telaprevir (Incivo®) oder Boceprevir (Victrelis®) über 24 bis 48 Wochen. Die Raten für eine anhaltende virologische Response liegen in Studien bei 62% bis 74%. In der Praxis wurde die Behandlung allerdings durch das komplizierte Dosierungsschema der HCV-NS3/4A-Proteasehemmer, die zusätzliche s.c. Injektion von Interferon, die schlechte Verträglichkeit und die CYP3A4-vermittelten Interaktionen von Boceprevir oder Telaprevir mit den antiretroviralen Anti-HIV-Arzneimitteln stark limitiert [1, 2].

Die Behandlung mit dem neuen oralen HCV-NS5B-Polymeraseinhibitor Sofosbuvir (Sovaldi®) plus Ribavirin verspricht eine deutliche Vereinfachung des Therapieschemas, ist ausschließlich oral durchführbar und zeigt wesentlich weniger CYP3A4-Interaktionen als Boceprevir oder Telaprevir. Die Kombination Sofosbuvir plus Ribavirin hat sich in Phase-III-Studien bei Patienten mit einer HCV-Monoinfektion bereits als wirksam erwiesen (Kasten). In der PHOTON-1-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit dieser Kombination bei HIV-HCV-doppeltinfizierten Patienten untersucht [1, 2].

Methodik

Für die offene, nicht-randomisierte und unkontrollierte Phase-III-Studie rekrutierte man an 34 Zentren in den USA und Puerto Rico Patienten mit einer nicht oder bereits vorbehandelten HCV-Genotyp-1-, -2- oder -3-Infektion und einer begleitenden HIV-Infektion. Patienten mit HIV-RNA-Werten von weniger als 50 Kopien/ml und einem CD4-T-Lymphozyten-Wert von mehr als 200 Zellen/µl sollten stabil auf eine antiretrovirale Medikation eingestellt sein, bei CD4-Werten von mehr als 500 Zellen/µl brauchte nicht antiretroviral therapiert zu werden. Behandlungsnaive Patienten mit HCV-Infektionen vom Genotyp 2 oder 3 erhielten 400 mg Sofosbuvir und gewichtsadaptiert Ribavirin über 12 Wochen, therapienaive Patienten mit HCV vom Genotyp 1 und vorbehandelte Patienten mit den HCV-Genotypen 2 oder 3 dieselbe Behandlung über 24 Wochen. Primäres Studienziel war die Rate von Patienten, bei denen sich eine anhaltende virologische Response (sustained virologic response, SVR), definiert als Serum-HCV von weniger als 25 Kopien/ml, 12 Wochen nach Abschluss der Behandlung nachweisen ließ.

Ergebnisse

Eine SVR 12 Wochen nach Therapieende (SVR12) erreichten 87 von 114 therapienaiven Patienten mit Genotyp 1 (76%, 95%-Konfidenzintervall [KI] 67–84%), 23 von 26 therapienaiven Patienten mit Genotyp 2 (88%, 95%-KI 70–98%) und 28 von 42 therapienaiven Patienten vom Genotyp 3 (67%, 95%-KI 51–80%). Bei den vortherapierten Patienten erreichten 22 von 24 mit Genotyp 2 (92%, 95%-KI 73–99%) und 16 von 17 mit Genotyp 3 (94%, 95%-KI 71–100%) das primäre Studienziel SVR12. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Fatigue, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Übelkeit, überwiegend vom Schweregrad 1 oder 2. Nur sieben Patienten (3%) brachen die HCV-Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse ab. Die HIV-Erkrankung beziehungsweise deren Behandlung wurde durch Sofosbuvir plus Ribavirin nicht beeinflusst.

Diskussion

Eine rein orale Behandlung mit Sofosbuvir plus Ribavirin über 12 oder 24 Wochen führte bei therapienaiven beziehungsweise vorbehandelten Patienten mit einer HCV-Infektion und begleitender HIV-Infektion zu hohen HC-virologischen Responseraten bei guter Verträglichkeit. Interaktionen zwischen der antiretroviralen HIV-Behandlung und der neuen HCV-Therapie bestanden nicht [1].

Mit der effektiven, neben- und wechselwirkungsarmen, rein oralen HCV-Therapie bei HIV-Koinfektionen ist mit den Ergebnissen der PHOTON-1-Studie ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. Profitieren könnte nun die Mehrzahl der rund 70% HCV-/HIV-koinfizierten Patienten, die für die bisherige Behandlung aufgrund komplizierter Einnahmeschemata oder zu starken Nebenwirkungen nicht infrage kamen. Der Preis von Sofosbuvir beträgt aktuell rund 700 Euro pro Tablette. Möglicherweise ändert sich das, wenn weitere, bereits klinisch geprüfte orale HCV-Polymeraseinhibitoren mit teilweise noch besseren Responseraten auf den Markt kommen und die Wettbewerbssituation zu neuen Regulierungen zwingt [2].

Literatur

1. Sulkowski MS, et al. Sofosbuvir and ribavirin for hepatitis C in patients with HIV coinfection. JAMA 2014;312:353–61.

2. Saag MS. Quantum leaps, microeconomics, and the treatment of patients with hepatitis C and HIV coinfection. JAMA 2014;312:347–8.

Es stand in der AMT

Hepatitis C – Erfolg versprechende Ergebnisse mit Sofosbuvir. Arzneimitteltherapie 2013;31:244–5.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(12)