Enteropankreatische neuroendokrine Tumoren

Behandlungserfolge mit Lanreotid nach Metastasierung


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Lanreotid, ein synthetisches Analogon von Somatostatin, konnte bei Patienten mit metastasierenden enteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren vom Grad 1 oder 2 die Tumorprogression signifikant hinauszögern.

Gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumoren sind eine heterogene Gruppe, die in aller Regel Hormon-produzierende Neoplasmen des Verdauungssystems (Magen-Darm-Trakt und Pankreas) umfassen. Bei der Diagnose der selten auftretenden Erkrankungen weisen viele betroffene Patienten bereits entfernte Metastasen auf. Die Einteilung des Schweregrads der Erkrankung nach Geschwindigkeit der Proliferation erfolgt anhand des Ki-67-Index: Grad 1 (Proliferationsindex <2%), Grad 2 (Proliferationsindex 2 bis 20%), neuroendokrines Karzinom (Proliferationsindex >20%). Da viele Patienten nicht operiert werden können, wird häufig eine medikamentöse Therapie eingeleitet, um die Tumorprogression zu kontrollieren. Eine Therapie kann außerdem vonnöten sein, um die Überproduktion von Aminen oder Peptiden in funktionellen Tumoren zu stoppen.

Bislang wurden nur wenige medikamentöse Therapien für fortgeschrittene endokrine Tumoren auf der Basis ihres antiproliferativen Effekts zugelassen. Eine mögliche neue Behandlungsoption eröffnet Lanreotid, ein lang wirksames synthetisches Analogon von Somatostatin, das unter dem Handelsnamen Somatuline® vermarktet wird.

Studienziel und -design

In der sogenannten CLARINET-Studie (Controlled study of lanreotide antiproliferative response in neuroendocrine tumors) wurden die antiproliferativen Eigenschaften von Lanreotid an über 200 Patienten mit nichtfunktionellen, Somatostatinrezeptor-positiven, enteropankreatischen, neuroendokrinen Tumoren mit Ki-67-Werten von weniger als 10% und einem dokumentierten fortschreitenden Krankheitsstatus untersucht. Ausgangsort des Tumors waren Pankreas, mittlerer Darmabschnitt oder Dickdarm. Die randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte, multinationale Phase-III-Studie wurde zwischen Juni 2006 und April 2013 an insgesamt 204 Probanden über 18 Jahre an 48 klinischen Zentren in 12 europäischen Ländern, den USA und Indien durchgeführt. Die Studienteilnehmer wurden randomisiert in folgende zwei Studienarme aufgeteilt:

  • Lanreotid in einer Dosis von 120 mg (101 Patienten)
  • Plazebo in Form von Natriumchlorid (103 Patienten)

Die Studienmedikation wurde als subkutane Injektion jeweils über 96 Wochen alle 28 Tage verabreicht.

Die meisten Patienten (96%) wiesen in den zurückliegenden drei bis sechs Monaten vor der Randomisierung keine Tumorprogression auf, 33% hatten ein Tumorvolumen in der Leber von über 25%.

Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben, definiert als Zeit bis zur Tumorprogression oder Tod. Sekundäre Studienendpunkte umfassten Gesamtüberleben, Lebensqualität und Sicherheit.

Studienergebnis

Mit Lanreotid konnte das progressionsfreie Überleben gegenüber Plazebo in der Primäranalyse signifikant verlängert werden (Hazard-Ratio [HR] für Krankheitsprogression oder Tod 0,47; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,30–0,73). Das progressionsfreie Überleben innerhalb von zwei Jahren belief sich im Lanreotid-Arm auf 65,1% (95%-KI 54,0–74,1) gegenüber 33,0% (95%-KI 23,0–43,3) in der Plazebo-Gruppe.

Die beobachteten therapeutischen Effekte in vordefinierten Subgruppen entsprachen im Allgemeinen denen der Gesamtpopulation, mit Ausnahme kleinerer Subgruppen mit breiten Konfidenzintervallen. So ließen sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Gesamtüberlebens und der Lebensqualität zwischen den einzelnen Subgruppen beobachten.

Etwa gleich gute Effekte des Somatostatin-Analogons ließen sich bei G1- und G2-Tumoren feststellen. Bei Leberbefall war die Wirkung bei geringer Tumorlast nur leicht besser als bei größerer.

Unerwünschte Ereignisse traten unter Lanreotid häufiger auf als unter Plazebo. Dazu zählten vor allem: Diarrhö (26% vs. 9%), abdominelle Schmerzen (14% vs. 2%) sowie Gallensteine (10% vs. 3%).

Fazit

In der vorliegenden Studie konnte das Somatostatin-Analogon Lanreotid bei Patienten mit fortgeschrittenen (Grad 1 oder 2) enteropankreatischen, Somatostatinrezeptor-positiven neuroendokrinen Tumoren mit zuvor stabiler Erkrankung, unabhängig vom Tumorvolumen in der Leber, das progressionsfreie Überleben gegenüber Plazebo signifikant verlängern. Damit empfiehlt sich die Substanz als Therapiealternative zu Octreotid. Ein Einfluss auf das Gesamtüberleben ließ sich, auch aufgrund der insgesamt langsamen Tumorprogression, allerdings nicht beobachten.

Quelle

Caplin ME, et al. Lanreotide in metastatic enteropancreatic neuroendocrine tumors. N Engl J Med 2014;371:224–33.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(12)