Klaus Lieb, Mainz
Datenlage zur Zulassungsindikation
Der postulierte Wirkungsmechanismus von Loxapin besteht in einer Blockade der D2- und 5-HT2A-Rezeptoren, wodurch sich die Substanz von vielen anderen Antipsychotika nicht unterscheidet. Bezüglich der Applikationsform handelt es sich jedoch um eine Innovation: Loxapin ist das erste inhalativ anzuwendende Antipsychotikum. Infolge der raschen Resorption wirkt es schnell: Die maximale Plasmakonzentration ist nach zwei Minuten erreicht (Tmax), die Wirkung tritt nach etwa zehn Minuten ein. Bei den Zulassungsstudien für Deutschland (siehe auch Kasten) handelt es sich um zwei Phase-III-Studien an 344 Patienten mit einer Schizophrenie [3] und 314 Patienten mit einer bipolaren Störung [2]. Hier zeigte sich die Inhalation von 9,1 mg Loxapin bei überwiegend mittelgradiger Agitiertheit signifikant besser wirksam als Plazebo, gemessen an der Reduktion der Punktzahl auf der PANSS-EC-Skala (Positive and negative syndrome scale – excited component) nach zwei Stunden (primärer Endpunkt; Rückgang von eingangs im Mittel 17,3 bis 17,7 Punkten um 8,6 bzw. 9,0 Punkte versus 5,5 bzw. 4,9 Punkte unter Plazebo). Eine weitere Studie mit 129 agitierten Patienten mit Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung bestätigte die Befunde [1]. Erste Effekte sind bereits zehn Minuten nach der Inhalation sichtbar. Häufigste unerwünschte Nebenwirkungen in den Zulassungsstudien waren Geschmacksstörungen und Sedierung beziehungsweise Schläfrigkeit und Schwindel. Bluckdruck und QTc-Zeit wurden nicht beeinflusst, extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen waren selten.
Anwendung nur im Krankenhaus
Loxapin darf nur im Krankenhausumfeld und nur unter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal in einer Dosis von 5 mg (entspricht einer abgegebenen Dosis von 4,5 mg) bis zu maximal zweimal 10 mg (bzw. 9,1 mg) angewendet werden. Die zweite Dosis darf erst zwei Stunden nach der ersten appliziert werden [6]. Unmittelbar nach der Behandlung der akuten Agitationssymptome ist eine reguläre Behandlung mit einem anderen Antipsychotikum einzuleiten. Wegen des Risikos schwerwiegender respiratorischer Nebenwirkungen (v.a. Bronchospasmen) muss bei Einsatz eine bronchodilatatorische Therapie mit einem kurzwirkenden Beta2-Sympathomimetikum verfügbar sein. Darüber hinaus sind die Patienten nach jeder Dosis – zugelassen sind maximal zwei im Abstand von mindestens zwei Stunden – eine Stunde lang auf Anzeichen und Symptome von Bronchospasmen zu überwachen. Liegen Hinweise auf eine entsprechende Symptomatik vor, darf Loxapin nicht appliziert werden. Auch bei Demenz-assoziierter Agitiertheit ist Loxapin kontraindiziert.
Kommentar
Grundsätzlich sind die Bemühungen des Herstellers zur Entwicklung eines zumindest von der Applikationsart (Abb. 1) her innovativen Wirkstoffs positiv hervorzuheben. Der vergleichbar zu einer i.v. Injektion schnelle Wirkeintritt und das Nichtauftreten von QTc-Zeit-Verlängerungen können als Vorteil gewertet werden. Die Anwendung von Loxapin als inhalatives Antipsychotikum ist für die Akuttherapie jedoch in mehrerer Hinsicht kritisch zu bewerten. Erstens wurde Loxapin nicht gegen andere Akutgaben von Antipsychotika wie z.B. Haloperidol, Risperidon oder Olanzapin oder gegen Benzodiazepine getestet. Diese Vergleichsstudien wären aber wichtig gewesen, um die Überlegenheit zu anderen Antipsychotika, mit denen gute Erfahrungen bestehen, einschätzen zu können. Aus der klinischen Erfahrung kann man sagen, dass sich akute Agitiertheit auch gut mit diesen Substanzen in Kombination mit einem Benzodiazepin behandeln lässt. Zweitens wird es in Akutsituationen kaum möglich sein, zuverlässig eine obstruktive Lungenerkrankung auszuschließen und damit einen bronchospastischen Zustand des Patienten zuverlässig zu verhindern (in den Zulassungsstudien wurde ein langes Prä-Screening dafür genutzt, Lungenerkrankungen sicher auszuschließen). Akut agitierte Patienten lassen sich nur begrenzt körperlich untersuchen, und daher sind hier sichere Arzneimittel, mit denen seit Jahrzehnten Erfahrungen bestehen, besonders wichtig. Drittens muss nach der Akutgabe von Loxapin direkt auf ein anderes Antipsychotikum umgestellt werden. Dies ist ebenfalls problematisch, da man damit den Patienten unmittelbar den Risiken zweier verschiedener Substanzen aussetzt (dies gilt allerdings auch für das häufig akut gegebene Haloperidol). Wäre Loxapin auch oral in Deutschland verfügbar, sähe die Bewertung an dieser Stelle sicher anders aus. Viertens erfordert die Einnahme der Substanz aufgrund der relativ komplizierten Handhabung in jedem Fall die Mitarbeit des Patienten. Daher kommt die Substanz auch nicht in den Situationen einer Behandlung gegen den Willen des Patienten infrage. Auch das spricht dafür, die Substanz nicht bevorzugt gegenüber einem oralen oder parenteralen Antipsychotikum einzusetzen. Fünftens ist auch nicht unproblematisch (auch wenn das ebenfalls für andere Antipsychotika gilt), dass Loxapin über das Enzymsystem Cytochrom P450-1A2 (CYP1A2) abgebaut wird. Das führt dazu, dass Raucher (die meisten Schizophrenie-Patienten rauchen) niedrigere Blutkonzentrationen an Loxapin und seinen Stoffwechselprodukten aufweisen als Nichtraucher und dass die gleichzeitige Anwendung von CYP1A2-Inhibitoren wie Fluvoxamin, die Antibiotika Ciprofloxacin und Enoxacin, Propranolol oder Rofecoxib die Nebenwirkungen von Loxapin verstärken können.

Abb. 1. Darstellung der Loxapin-Aerosol-Entstehung. Nachdem der Atemsensor einen kleinen Stromfluss im „heat package“ induziert, entsteht dort durch die so ausgelöste chemische Reaktion Hitze, die das auf der Außenseite aufgebrachte Loxapin verdampft; dieser Dampf kondensiert sofort wieder zu kleinen Loxapin-Partikeln, die zur bronchialen Aufnahme geeignet sind und durch den noch anhaltenden Atemzug inhaliert werden. Der ganze Vorgang dauert etwa 0,5 Sekunden [4, 5].
Zusammenfassend kann der Einsatz von Loxapin, nicht zuletzt auch wegen der sehr hohen Kosten, nicht empfohlen werden.
Interessenkonflikterklärung
Der Autor nimmt seit 2007 keinerlei persönliche Honorare pharmazeutischer Unternehmen wie z.B. Vertrags- oder Beraterhonorare an. Er leitet den Fachausschuss Transparenz und Unabhängigkeit bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ).
Literatur
1. Allen MH, Feifel D, Lesem MD, et al. Efficacy and safety of loxapine for inhalation in the treatment of agitation in patients with schizophrenia: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. J Clin Psychiatry 2011;72:1313–21.
2. Kwentus J, Riesenberg RA, Marandi M, et al. Rapid acute treatment of agitation in patients with bipolar I disorder: a multicenter, randomized, placebo-controlled clinical trial with inhaled loxapine. Bipolar Disord 2012;14:31–40.
3. Lesem MD, Tran-Johnson TK, Riesenberg RA, et al. Rapid acute treatment of agitation in individuals with schizophrenia: multicentre, randomised, placebo-controlled study of inhaled loxapine. Brit J Psychiatry 2011;198:51–8.
4. Noymer P, Myers D, Glazer M, Fishman RS, et al. The staccato system: Inhaler design characteristics for rapid treatment of CNS disorders. Resp Drug Del 2010;1:11–20.
5. Spyker DA, Munzar P, Cassella JV. Pharmacokinetics of loxapine following inhalation of a thermally generated aerosol in healthy volunteers. J Clin Pharmacol 2010;50:169–79.
6. Trommsdorff. Fachinformation ADASUVE, Stand Juli 2013.
Prof. Dr. Klaus Lieb, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz, Untere Zahlbacher Str. 8, 55131 Mainz, klaus.lieb@unimedizin-mainz.de
Arzneimitteltherapie 2014; 32(12)