Reizdarmsyndrom

Rifaximin ist sicher in der Behandlung des Reizdarmsyndroms ohne Obstipation


Prof. Dr. Martin Storr, München

Das Antibiotikum Rifaximin kann klinischen Studien zufolge in der Behandlung des Reizdarmsyndroms ohne Obstipation verwendet werden, insbesondere wenn Blähungen und Diarrhö im Vordergrund stehen. In der Zeitschrift Alimentary Pharmacology and Therapeutics fassen Schoenfeld et al. [1] zusätzliche Daten zu Sicherheit und Verträglichkeit von Rifaximin zur Behandlung von Patienten mit einem Reizdarmsyndrom ohne Obstipation zusammen.

Das Reizdarmsyndrom ist eine Volkskrankheit, von der etwa 10 bis 15% der Bevölkerung betroffen sind. Die meisten Patienten haben einen ausgeprägten Behandlungswunsch und bedürfen einer langfristigen Therapie. Die moderne Therapie des Reizdarmsyndroms ist eine symptomatische Therapie, die sich an den Leitsymptomen orientiert. Die Behandlungsleitlinie Reizdarmsyndrom der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten von 2011 schlägt die Identifizierung eines der Leitsymptome Obstipation, Diarrhö, abdominelle Schmerzen oder Blähungen vor und gibt dann zielgerichtete Therapieempfehlungen sowie zusätzliche Hinweise zu Maßnahmen, die eher ungeeignet oder sogar schädlich erscheinen [2].

Der aktuellen Studienevidenz folgend wird Rifaximin in der deutschen Leitlinie zur symptomatischen Behandlung des Reizdarmsyndroms empfohlen, wenn Blähungen im Vordergrund stehen. Einer 2011 erschienenen Phase-III-Studie zufolge ist die dreimal tägliche Gabe von 550 mg Rifaximin über 14 Tage in der Behandlung aller Patienten mit einem Reizdarmsyndrom ohne Obstipation der Plazebo-Therapie überlegen [3]. Diese Studie ist in der Leitlinie noch nicht berücksichtigt worden. In Deutschland ist eine niedrigere Dosierung von Rifaximin von 550 mg oder 200 mg über 14 Tage zweimal täglich gebräuchlich, die sich an 2009 publizierten Daten orientiert [4].

Da gerade die Behandlung mit einem Antibiotikum gelegentlich auf Vorbehalte stößt, wurden nun studienübergreifende zusätzliche Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit publiziert.

Studie

Rifaximin wurde in der Indikation Reizdarmsyndrom bisher in den USA und in Kanada in einer Phase-IIb- und in zwei Phase-III-Studien klinisch geprüft. In allen Studien wurden volljährige Patienten eingeschlossen, bei denen ein Reizdarmsyndrom ohne Obstipation nach den Rom-II-Kriterien gesichert diagnostiziert wurde. Eine der beiden Phase-III-Studien ging darüber hinaus und hat nur Patienten eingeschlossen, bei denen das Leitsymptom Diarrhö vorlag. In allen drei Studien wurde Rifaximin im Vergleich zu Plazebo in einem randomisierten, doppelblinden Studiendesign untersucht. Studienübergreifend kamen verschiedene Dosierungen und unterschiedlich lange Therapien zum Einsatz. In der Phase IIb-Studie erhielten die Probanden entweder über zwei Wochen zweimal täglich 275 mg, 550 mg oder 1100 mg Rifaximin und anschließend über zwei Wochen zweimal täglich Plazebo oder über vier Wochen zweimal täglich 550 mg Rifaximin oder zweimal täglich Plazebo. In der Phase-III-Studie nahmen die Patienten entweder dreimal täglich 550 mg Rifaximin oder dreimal täglich Plazebo über zwei Wochen ein. Unerwünschte Ereignisse wurden sowohl in der Behandlungsphase als auch in der Nachbeobachtungsphase von 12 beziehungsweise 10 Wochen erfasst.

In der nun publizierten Analyse wurden die beobachteten unerwünschten Ereignisse zusammengefasst und studienübergreifend analysiert.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 1940 Patienten in das Phase-II/III-Studienprogramm eingeschlossen, davon 674 in der Phase II und 1258 in den Phase-III-Studien. Von diesen Patienten erhielten in der Phase-II-Studie 479 und in den Phase-III-Studien 624 Rifaximin. Die Rifaximin-Gruppe und die Plazebo-Gruppe waren aus demographischen Aspekten vergleichbar; das mittlere Alter der eingeschlossenen Patienten lag bei 46 Jahren, der Anteil der Frauen bei 74,9 (Rifaximin) bzw. 71,2% (Plazebo).

Das Sicherheitsprofil von Rifaximin war gegenüber der Plazebo-Behandlung nicht signifikant unterschiedlich. Die meisten unerwünschten Ereignisse wurden sowohl in der Plazebo-Gruppe als auch in der gepoolten Verum-Gruppe als leicht oder moderat eingestuft. Leichte unerwünschte Ereignisse wurden bei 24,3% und moderate unerwünschte Ereignisse bei 22,3% der Studienteilnehmer erfasst (Plazebo: 20,4% bzw. 25,8%). Über schwere unerwünschte Ereignisse wurde bei 5,7% der Patienten der Rifaximin-Gruppe im Vergleich zu 6,4% in der Plazebo-Gruppe berichtet.

Die unerwünschten Ereignisse umfassten unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen (5,3% in der Verum-Gruppe gegenüber 6,2% in der Plazebo-Gruppe) oder Atemwegsinfekte (4,5% vs. 5,7%) und gastrointestinale Beschwerden, hier am häufigsten Übelkeit (4,4% vs. 3,7%). Fälle von Clostridium-difficile-Kolitiden wurden nicht beobachtet. Bei einem mit Rifaximin behandelten und zwei mit Plazebo behandelten Patienten wurde die Studienteilnahme wegen eines schweren unerwünschten Ereignisses, bei dem ein Zusammenhang mit dem eingenommenen Medikament vermutet wurde, abgebrochen. Todesfälle im Zusammenhang mit den Studien gab es keine. Nennenswerte Laborwertveränderungen kamen bei den mit Rifaximin behandelten Patienten nicht vor. Generell traten die häufigsten unerwünschten Ereignisse wie Infektionen und gastrointestinale Beschwerden in der Verum- und der Plazebo-Gruppe gleich häufig auf und die Subgruppenanalyse der Rifaximin-Gruppe ergab keine direkte Dosisabhängigkeit der Schwere und Häufigkeit der unerwünschten Ereignisse (Tab. 1).

Tab. 1. Rate unerwünschter Ereignisse bei verschiedenen Dosierungen von Rifaximin [1]

Unerwünschtes Ereignis

Rifaximin

Plazebo

2×/Tag 275 mg
2 Wochen

2×/Tag 550 mg
2 Wochen

2×/Tag 550 mg
4 Wochen

3×/Tag 550 mg
2 Wochen

2×/Tag 1100 mg
2 Wochen

gepoolt

Gastrointestinale Beschwerden

13,7%

15,3%

9,4%

10,9%

16,3%

12,2%

12,2%

Infektionen

16,8%

11,6%

9,4%

5,1%

15,3%

8,5%

9,5%

Diskussion

Die Behandlung von Patienten mit einem Reizdarmsyndrom ohne Obstipation mit Rifaximin ist eine in drei klinischen Studien belegte, wirksame Option. Rifaximin ist ein darmselektives, nicht resorbierbares Antibiotikum. Aktuell ist Rifaximin zur Behandlung des Reizdarmsyndroms nicht zugelassen, wird aber von der deutschen Leitlinie empfohlen, sodass die Therapie off Label erfolgt. Gerade die schwierig zu behandelnden Patienten mit Blähungen bei Reizdarmsyndrom scheinen von Rifaximin zu profitieren. Die denkbaren Mechanismen von Rifaximin, die zur Verbesserung der Symptome bei Patienten mit einem Reizdarmsyndrom führen, sind jedoch unklar und bedürfen weiterer Studien zur Klärung.

Gerade weil Rifaximin ein Antibiotikum ist, bestehen Bedenken in Bezug auf die Sicherheit der langfristigen Einnahme. Zum einen erfolgt ein Eingriff in die Darmflora, und zum anderen besteht die Möglichkeit, dass Rifaximin, wie andere Antibiotika auch, die Entstehung einer Clostridium-difficile-Kolitis begünstigt.

In diesem Zusammenhang sind die vorliegenden Daten beruhigend: Es finden sich keine schweren Nebenwirkungen, die Rifaximin zugeschrieben werden. Dies wird auch durch Studien, in denen Rifaximin bei anderen Indikationen getestet wurde, bestätigt. Das Profil der unerwünschten Ereignisse liest sich wie das des zum Vergleich gewählten Plazebos und insbesondere Clostridium-difficile-Kolitiden traten nach einer Rifaximin-Behandlung nicht auf. Was steht nun einer breiteren Verwendung von Rifaximin zur Behandlung des Reizdarmsyndroms ohne Obstipation im Wege? Eigentlich wenig, wünschenswert wäre aber schon, dass die Indikation auch zugelassen wird, um die Last der Off-Label-Verwendung bei dieser Volkskrankheit zu nehmen.

Literatur

1. Schoenfeld P, et al. Safety and tolerability of rifaximin for the treatment of irritable bowel syndrome without constipation: a pooled analysis of randomised, double-blind, placebo-controlled trials. Aliment Pharmacol Ther 2014;39:1161–8.

2. Layer P, et al. [Irritable bowel syndrome: German consensus guidelines on definition, pathophysiology and management]. Z Gastroenterol 2011;49:237–93.

3. Pimentel M, et al. Rifaximin therapy for patients with irritable bowel syndrome without constipation. N Engl J Med 2011;364:22–32.

4. Pimentel M. Review of rifaximin as treatment for SIBO and IBS. Expert Opin Investig Drugs 2009;18:349–58.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(12)