Empagliflozin erhält Zulassung bei Typ-2-Diabetes

SGLT2-Hemmer erweitert die Optionen für die orale Behandlung


Ute Ayazpoor, Mainz, Prof. Dr. Roland Büttner, Bogen

Seit dem 15. August 2014 können erwachsene Patienten mit Typ-2-Diabetes mit Empagliflozin, einem neuen oralen Diabetesmedikament, behandelt werden. Der SGLT2-Hemmer mindert die Glucoselast unabhängig von der Betazellfunktion, der Insulinresistenz und bereits bestehenden blutzuckersenkenden Therapien und ist sowohl zur Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit als auch zur Add-on-Therapie zugelassen. Die zugrunde liegenden Studiendaten wurden auf einer von Boehringer Ingelheim veranstalteten Pressekonferenz im Juli 2014 in Ingelheim referiert.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Roland Büttner, Bogen

Die meisten oralen Antidiabetika senken den Blutzucker, indem sie die Insulinausschüttung oder die Insulinwirkung beeinflussen; anders SGLT2-Hemmer wie Empagliflozin (Jardiance®). Sie reduzieren die Glucoselast im Blut durch Ausscheidung überschüssiger Glucose über den Urin. Die Substanzklasse hemmt den Natrium-Glucose-Cotransporter 2 im proximalen Nierentubulus und reduziert die Fähigkeit der Nieren zur Glucosereabsorption in den Blutkreislauf. Dadurch werden abgesehen von der Ausscheidung überschüssiger Glucose über den Urin auch eine osmotische Diurese und eine Senkung von HbA1c-Wert und Körpergewicht unabhängig von Betazellfunktion, Insulinresistenz und sogar unabhängig von einer bereits bestehenden blutzuckersenkenden Therapie erreicht (Abb. 1).

Abb. 1. Wirkungsmechanismus der SGLT2-Inhibitoren [mod. nach 7]. Glucose wird im proximalen Tubulus aus dem Primärharn über den Transporter SGLT2 rückresorbiert. Bei Blutzuckerwerten oberhalb der Nierenschwelle ist die Transportkapazität erschöpft und es kommt zu einer Glukosurie. Durch die Hemmung von SGLT2 wird dieser Zustand künstlich erzeugt, sodass die Nieren vermehrt Glucose ausscheiden. In der Folge sinkt der Blutzuckerspiegel. SGLT2: Natrium-Glucose-Cotransporter 2, GLUT2: Glucosetransporter 2.

Studienlage

Empagliflozin wurde im Mai 2014 zur Behandlung von Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes zugelassen, wenn durch Diät und Bewegung keine ausreichende glykämische Kontrolle erreicht werden kann. Basis waren zehn randomisierte Phase-III-Studien unter Einschluss von mehr als 13000 Teilnehmern. Darin war Empagliflozin in den Dosierungen 10 mg und 25 mg beispielsweise als Monotherapie versus Plazebo [1], als Add-on-Therapie zu Metformin [2], zu Metformin plus Sulfonylharnstoff [3] sowie zu Basalinsulin [4] eingesetzt worden.

In der Monotherapie bewirkte Empagliflozin nach 24 Wochen gegenüber Plazebo eine statistisch signifikant stärkere HbA1c-Senkung von 0,74 Prozentpunkten (10 mg) bzw. 0,85 Prozentpunkten (25 mg). Insbesondere Patienten mit einem HbA1c-Wert 8,5% profitieren von einer effektiven HbA1c-Senkung von 1,4 Prozentpunkten gegenüber dem Ausgangswert unter beiden Dosierungen.

Als Add-on zur oralen Doppel- und Dreifach-Therapie führte Empaglifozin zu einer weiteren HbA1c-Senkung und erzielte (25 mg) im Head-to-Head-Vergleich versus Glimepirid (4 mg) – jeweils in Kombination mit Metformin – eine über zwei Jahre anhaltende Wirkung auf den HbA1c-Wert [5]. Dank seiner guten Wirksamkeit ist Empagliflozin vor allem bei Patienten mit schlechter glykämischer Kontrolle (HbA1c >10%) Mittel der Wahl. Hier wurden (open Label) mit 25 mg in Monotherapie und add-on-adjustiert mittlere HbA1c-Senkungen zwischen 2,9 und 3,7 Prozentpunkten vom Ausgangswert erreicht.

Bei einer Add-on-Gabe zu Basalinsulin sanken die HbA1c-Werte unter beiden Dosierungen rasch innerhalb von 12 Wochen um 0,8 Prozentpunkte und anhaltend über 78 Wochen (25 mg: –0,7; 10 mg: –0,4).

Als zusätzliche Effekte der Therapie nahmen die Studienteilnehmer – vor allem Patienten mit höheren Ausgangswerten – durchschnittlich 2,2 bis 2,5 kg Körpergewicht ab [1, 5] und der Blutdruck sank unabhängig von der Begleitmedikation [1, 2, 3].

Günstiges Verträglichkeitsprofil

Das Verträglichkeitsprofil des SGLT2-Hemmers war in den Studien günstig. Unerwünschte Ereignisse traten vergleichbar häufig wie unter Plazebo auf [5]. Bei Patienten, die Empagliflozin in Kombination mit Sulfonylharnstoffen bzw. Insulin erhielten, wurde als häufigste unerwünschte Wirkung eine auf den Kombinationspartner zurückzuführende Hypoglykämie beobachtet. Vor allem zu Beginn der Therapie kam es zu milden Harnwegsinfektionen und bei Frauen in den Verum-Gruppen häufiger zu Genitalinfektionen. Beide sind wahrscheinlich dem bei Patienten mit Typ-2-Diabetes per se und durch die Therapie mit dem SGLT2-Hemmer weiter erhöhten Zuckergehalt im Urin geschuldet und können in der Regel mit Standardtherapien gut behandelt werden [6].

Fazit der Vortragenden

Empagliflozin ist eine gute Therapieoption für Patienten mit HbA1c-Werten<8%, die gute Vorsätze für ein gesünderes Leben und Gewichtsabnahme nicht umsetzen können und gegebenenfalls angesichts fehlender Therapieerfolge demotiviert sind.

Nicht geeignet sind SGLT2-Hemmer angesichts ihres Wirkungsmechanismus für Patienten mit Niereninsuffizienz und deshalb ab einer eGFR (estimated glomerular filtration rate) <45 ml/min kontraindiziert.

Es sollte mit einer Dosis von 10 mg Empagliflozin einmal täglich begonnen werden. Bei Patienten, die diese Dosis vertragen, eine eGFR 60 ml/min haben und eine stärkere Blutzuckerkontrolle benötigen, empfiehlt es sich, die Dosis auf 25 mg einmal täglich zu erhöhen.

Quelle

Dr. med. Marcel Kaiser, Frankfurt am Main, Prof. Dr. med. Stephan Matthaei, Quakenbrück; Launch-Presseveranstaltung „Empagliflozin – Reduktion der Glukoselast unabhängig von Insulin“, Ingelheim, 2. Juli 2014, veranstaltet von Boehringer Ingelheim.

Literatur

1. Roden M, et al. Empagliflozin monotherapy with sitagliptin as an active comparator in patients with type 2 diabetes: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2013;1:208–19.

2. Häring HU, et al. Empagliflozin as add-on to metformin in patients with type 2 diabetes: a 24-week, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Diabetes Care 2014; published ahead of print. Doi:10.2337/dc13–2105.

3. Häring HU, et al. Empagliflozin as add-on to metformin plus sulfonylurea in patients with type 2 diabetes: a 24-week, randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Diabetes Care 2013;36:3396–404.

4. Rosenstock J, et al. Empagliflozin as add-on to basal insulin for 78 weeks improves glycaemic control with weight loss in insulin-treated type 2 diabetes (T2DM). Poster 1102-P, presented at the American Diabetes Association (ADA) 73rd Scientific Sessions, 21–25 June 2013, Chicago, IL, USA.

5. JARDIANCE® 10 mg/-25 mg Fachinformation, Stand Mai 2014.

6. Geerlings S, et al. Genital and urinary tract infections in diabetes: impact of pharmacologically-induced glucosuria. Diabetes Res Clin Prac 2014;3:373–81.

7. Komorowski B, et al. Dapagliflozin, a novel SGLT2 inhibitor, induces dose-dependent glucosuria in healthy subjects. Clin Pharmacol Ther 2009;85:520–6.

Kommentar

Mit Empagliflozin wurde ein weiterer Vertreter der Substanzklasse der SGLT2-Inhibitoren zur klinischen Anwendung zugelassen. Das Präparat senkt ähnlich wie die Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren den HbA1c-Wert im Mittel um etwa 0,5 bis 0,8 Prozentpunkte in Mono- und Kombinationstherapie – mit stärkerer Wirkung bei höheren Ausgangs-HbA1c-Werten – und hat ebenfalls kein relevantes Hypoglykämierisiko. Zusammen mit einem geringen Gewichtsverlust und Blutdruckreduktion erfüllt die Substanz damit viele Anforderungen, die an ein modernes Antidiabetikum gestellt werden. Die Abhängigkeit der Wirkung von einer weitgehend normalen renalen Filtrationsleistung und die häufigsten Nebenwirkungen, genitale Mykosen und Harnwegsinfektionen, ergeben sich aus dem Wirkprinzip, limitieren aber die Anwendung auf Patienten mit normaler Nierenfunktion (GFR >45 ml/min), zuverlässiger Hydratation und guter persönlicher Hygiene. Daten zur wirklich langfristigen Therapiesicherheit, zum Beispiel im Hinblick auf das Auftreten von Komplikationen durch rekurrierende Harnwegsinfekte oder die hierdurch nötigen Antibiotikatherapien sowie mögliche negative Effekte auf die Knochendichte durch Störungen der renalen Calciumreabsorption, liegen noch nicht vor. Damit sollte die Substanz aktuell Patienten vorbehalten bleiben, die die oben genannten Bedingungen erfüllen und trotz Standardtherapie den individuellen HbA1c-Zielwert noch nicht erreichen.

Arzneimitteltherapie 2014; 32(12)