Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen, Priv.-Doz. Dr. Frank Grünhage, Homburg
Unter den schätzungsweise 170 Millionen Menschen weltweit mit einer chronischen Hepatitis-C-Virus-Infektion (HCV) sind ungefähr 60% Träger des Virusstammes vom Genotyp 1. Bislang stützte sich die Standardbehandlung auf pegyliertes Interferon alfa in Kombination mit dem Nukleosidanalogon Ribavirin. Neben dem suboptimalen Therapieergebnis und der lang andauernden Behandlungszeit wird der Therapieerfolg einer Interferon-gestützten Medikation zudem durch eine Reihe von Nebenwirkungen eingeschränkt. Seit kurzem stehen drei neue direkt wirkende antivirale Substanzen zur Behandlung von HCV-Infektionen zur Verfügung: der Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir (Sovaldi®), der Protease-Inhibitor Simeprevir (Olysio®) und der NS5A-Inhibitor Daclatasvir (Daklinza®) (Abb. 1).

Abb. 1. Angriffspunkte im Replikationszyklus des Hepatitis-C-Virus [mod. nach 1]. Das HC-Virus ist ein lineares, einsträngiges umhülltes RNA-Virus. Es wird wahrscheinlich durch Rezeptor-vermittelte Endozytose in die Zellen aufgenommen (1). Nach der Penetration in die Wirtszelle wird die genomische RNA aus dem Viruspartikel in das Zytoplasma der Zielzelle freigesetzt (2). Es formiert sich ein Replikasekomplex, der mit der Membran des endoplasmatischen Retikulums assoziiert ist. Proteasen zerteilen das entstehende Produkt in die viralen Proteine. Erste Moleküle der viralen NS5B-Polymerase werden gebildet (3). Ein entscheidender Schritt bei der HC-Virus-Replikation ist die Vermehrung der viralen RNA. Dazu synthetisiert das Enzym NS5B-Polymerase einen Negativstrang der viralen (+)RNA als Matrize für die folgende Synthese weiterer Plusstränge (4). Anschließend werden neue Viren gebildet (5) und die HCV-Partikel aus der Zelle ausgeschleust (6). Ledipasvir hemmt das Protein NS5A, das an der viralen RNA-Replikation und dem Zusammenbau neuer Viren beteiligt ist. Sofosbuvir hemmt die NS5B-Polymerase
Mit dem Ziel, Alternativen zu einer Interferon-basierten Therapie zu etablieren, wurde eine Kombinationsmedikation aus Sofosbuvir und Ledipasvir, einem HCV-NS5A-Inhibitor mit einer wirksamen antiviralen Aktivität gegen die HCV-Genotypen 1a und 1b entwickelt. Das NS5A-Protein spielt bei der Replikation des Hepatitis-C-Virus eine wichtige Rolle. In Phase-II-Studien konnten mit diesem Therapieschema mit und ohne Kombination mit Ribavirin bereits vielversprechende Behandlungsergebnisse erzielt werden.
Studienziel und -design
Ziel einer offenen, randomisierten Phase-III-Studie war es, die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination aus Ledipasvir und Sofosbuvir mit und ohne Ribavirin weiter zu untersuchen. Zwischen Januar und Februar 2013 wurden an 64 klinischen Zentren in den USA Patienten ab 18 Jahren mit einer chronischen HCV-Infektion vom Genotyp 1 rekrutiert. Sämtliche Patienten hatten zuvor mit einer Behandlung aus pegyliertem Interferon und Ribavirin mit oder ohne einen Proteaseinhibitor kein anhaltendes virologisches Ansprechen erzielt. Unter den 440 Patienten, die sich der Randomisierung und der Behandlung unterzogen, wiesen 20% eine Leberzirrhose auf, 79% eine HCV-Infektion vom Genotyp 1a.
Alle Patienten erhielten eine fixe Tablettenkombination, bestehend aus 90 mg Ledipasvir und 400 mg Sofosbuvir, die einmal täglich oral verabreicht wurde. Ribavirin wurde zweimal täglich in einer dem Körpergewicht entsprechenden Dosierung eingesetzt: 1000 mg täglich bei Patienten mit einem Körpergewicht <75 kg und 1200 mg täglich bei solchen mit einem Körpergewicht von ≥75 kg.
Die Patienten wurden gleichmäßig in die folgenden vier Behandlungsgruppen randomisiert:
- Ledipasvir-Sofosbuvir über 12 Wochen (n=109)
- Ledipasvir-Sofosbuvir plus Ribavirin über 12 Wochen (n=111)
- Ledipasvir-Sofosbuvir über 24 Wochen (n=109)
- Ledipasvir-Sofosbuvir plus Ribavirin über 24 Wochen (n=111)
Die Randomisierung war stratifiziert entsprechend des Genotyps (1a vs. 1b), der An- oder Abwesenheit von Zirrhose und dem Ansprechen auf die vorhergehende Therapie (Rückfall, virologischer Durchbruch vs. kein Ansprechen).
Primärer Studienendpunkt war das anhaltende virologische Ansprechen 12 Wochen nach Therapieende.
Studienergebnis
Alle vier Studienarme waren der adjustierten historischen Ansprechrate von 25% überlegen (p<0,001 für alle Vergleiche).
Die Raten des anhaltenden virologischen Ansprechens waren in allen vier Behandlungsgruppen hoch. Sie beliefen sich auf:
- 94% (95%-Konfidenzintervall [KI] 87–97) in der Gruppe mit Ledipasvir-Sofosbuvir über 12 Wochen
- 96% (95%-KI 91–99) in der Gruppe mit Ledipasvir-Sofosbuvir plus Ribavirin über 12 Wochen
- 99% (95%-KI 95–100) in der Gruppe mit Ledipasvir-Sofosbuvir über 24 Wochen
- 99% (95%-KI 95–100) in der Gruppe mit Ledipasvir-Sofosbuvir plus Ribavirin über 24 Wochen
Bei 11 von 440 Probanden (2%) wurde nach Behandlungsende ein virologischer Rückfall beobachtet: bei 7 von 109 Patienten (6%) mit Ledipasvir-Sofosbuvir über 12 Wochen sowie bei 4 von 111 (4%) mit Ledipasvir-Sofosbuvir plus Ribavirin über 12 Wochen. Dagegen trat bei keinem Patienten aus den beiden Studienarmen, die 24 Wochen behandelt wurden, ein virologischer Rückfall auf. Nur zwei Patienten, die über 12 Wochen therapiert wurden, zeigten kein anhaltendes virologisches Ansprechen.
Bei den Studienteilnehmern mit Leberzirrhose, die über 12 Wochen behandelt wurden, belief sich die Rate des anhaltenden virologischen Ansprechens auf 86% bei denjenigen, die Ledipasvir-Sofosbuvir erhielten, und auf 82% bei solchen, die mit Ledipasvir-Sofosbuvir plus Ribavirin therapiert wurden. Die entsprechenden Raten unter Patienten ohne Zirrhose lagen bei 95% und 100%. Bei den Patienten, die über 24 Wochen therapiert wurden, ließen sich keine Unterschiede in den Ansprechraten von Probanden mit oder ohne Zirrhose feststellen.
Sicherheit
Die Mehrheit der Patienten in allen Behandlungsgruppen (67 bis 90%) klagte über unerwünschte Ereignisse, die meistens leicht oder mittelschwer verliefen. Keiner der 440 Studienteilnehmer brach die Medikation wegen zu starker unerwünschter Ereignisse ab. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen zählten Müdigkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen. Bei Patienten, die zusätzlich Ribavirin erhielten, traten häufiger Ereignisse ein, die für eine Ribavirin-Therapie bekannt sind, wie Müdigkeit, Erbrechen, Schlaflosigkeit, Husten, Hautrötungen, Gereiztheit, Dyspnoe und Anämie.
Fazit
In der vorliegenden Studie wurde mit einer Kombination aus dem NS5A-Inhibitor Ledipasvir und dem Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir bei 94 bis 99% der Probanden mit einer Hepatitis-C-Virusinfektion vom Genotyp 1, die zuvor auf eine Interferon-gestützte Therapie nicht angesprochen hatten, ein anhaltendes virologisches Ansprechen erzielt. Somit wurden die Heilungsraten auf nahezu optimale Ergebnisse erhöht. Die Kombination Ledipasvir-Sofosbuvir wurde gut vertragen, zeigte weniger unerwünschte Ereignisse als Ribavirin und war nicht mit neuen oder charakteristischen Nebenwirkungen verknüpft. Ob in der Therapie der Hepatitis-C-Virusinfektionen in Zukunft allerdings völlig auf Interferon verzichtet werden kann, bleibt abzuwarten und muss weiter geklärt werden.
Quelle
Afdhal N, et al. Ledipasvir and sofosbuvir for previously treated HCV genotype 1 infection. N Engl J Med 2014;370:1483–93.
Literatur
1. Stahl V. Aussicht auf Heilung. Dtsch Apoth Ztg 2014;154:2136–40.
Kommentar
Ledipasvir in Kombination mit Sofosbuvir wird als erstes „One-Tablet-per-Day“-Regime die Therapie der chronischen HCV-Infektion grundlegend verändern. Im Gegensatz zu dem anderen bislang bereits zugelassenen NS5A-Inhibitor Dalcatasvir kann die Bewertung des Ansprechens von Ledipasvir auf eine weit solidere Datenlage einer Phase-III-Studie zurückgreifen. Diese Daten zeigen neben hervorragenden Ansprechraten für therapieerfahrene Genotyp 1a/b Patienten auch, dass selbst Zirrhosepatienten und Patienten, die mit Erstgenerations-Protease-Inhibitoren vorbehandelt waren, mit sehr hohen Ansprechraten rechnen können – und zwar unabhängig vom Einsatz von Ribavirin und damit bei vertretbaren Nebenwirkungen. Die Studie zeigt aber auch, dass für spezifische Untergruppen wie Zirrhosepatienten ähnlich große Kollektive benötigt werden, um auch hier Aussagen mit höchstmöglicher statistischer Sicherheit zu erzielen. Sollte die Kombination mit Sofosbuvir zu einem angemessenen Preis verfügbar werden, so bedeutet die Einführung dieser Kombination sicher einen großen Schritt hin zur Eradikation der Hepatitis-C-Virus-Infektion.
Zulassungsstatus
Am 17. November 2014 hat die European Medicines Agency (EMA) Harvoni® (Ledipasvir + Sofosbuvir) die Zulassung erteilt.
Arzneimitteltherapie 2014; 32(12)