Rückfälliges/refraktäres multiples Myelom

Längeres progressionsfreies Überleben mit Panobinostat


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Wenn Patienten mit einem rückfälligen oder refraktären multiplem Myelom zusätzlich zur Kombination aus Bortezomib und Dexamethason noch mit Panobinostat therapiert werden, so verlängert sich deren progressionsfreies Überleben signifikant um fast vier Monate, und die Rate an kompletten Remissionen wird fast verdoppelt. Die Phase-III-Studie, in der das gezeigt werden konnte, wurde im Juni 2014 während der Jahrestagung der amerikanischen Onkologen in Chicago vorgestellt.

Das multiple Myelom (auch Plasmozytom) ist eine lymphoproliferative Erkrankung des B-Zellsystems und befällt insbesondere das Knochenmark. Leitsymptome sind unklare Knochenschmerzen, Anämie, Knochenläsionen und Hyperkalzämien mit entsprechenden Symptomen. Ein primäres Therapieziel der unheilbaren Erkrankung ist eine maximale Lebensverlängerung bei erträglicher Lebensqualität. Bortezomib als erster Vertreter eines neuen Wirkprinzips, nämlich als Proteasom-Inhibitor, konnte schon vor Jahren eine deutliche Therapie-Verbesserung im Vergleich zum damaligen Therapiestandard aus Melphalan und Prednison (MP) zeigen [1].

Panobinostat (LBH589) ist ein nichtselektiver, oraler Inhibitor der Histon-Deacetylase (HDAC). Durch deren Hemmung wird unter anderem die Acetylierung von Proteinen moduliert, die bei verschiedenen onkogenen Signalwegen eine Rolle spielen, schließlich auch solche, die den Zellzyklus unterdrücken und die Apoptose einleiten. Eines der Zielmoleküle von Panobinostat ist HDAC6, ein Enzym, das eine wichtige Rolle beim multiplen Myelom spielt.

In präklinischen Studien konnte auch schon gezeigt werden, dass die Kombination aus Bortezomib und Panobinostat synergistische Effekte aufweist, die dadurch zu erklären sind, dass Panobinostat den Aggresome-Signalweg, der die Degradierung von Proteinen steuert, hemmt. Dieser ist wiederum hochreguliert, wenn der Proteasom-Signalweg durch Bortezomib inhibiert wird.

Für die Dreierkombination aus Panobinostat, Bortezomib und Dexamethason konnte schon in früheren Untersuchungen gezeigt werden, dass sie bei Patienten mit rückfälligem oder refraktären multiplem Myelom zu dauerhaftem Ansprechen führt. Das war der Hintergrund für die jetzt während des ASCO(American Society of Clinical Oncology)-Kongresses vorgestellte Phase-III-Studie.

Die PANORAMA-1-Studie

In 215 Zentren in 34 Ländern wurden insgesamt 768 Patienten mit rückfälligem oder refraktärem multiplem Myelom in die Studie aufgenommen. Sie hatten eine bis drei Vortherapien erhalten, waren nicht Bortezomib-refraktär und im Median 63 Jahre alt. 48% von ihnen hatten mindestens zwei Vortherapien erhalten, und 57% der Patienten waren bereits einer autologen Stammzelltransplantation unterzogen worden.

Sie wurden stratifiziert nach der Anzahl ihrer Vortherapien und der Bortezomib-Therapien, randomisiert und entweder im Panobinostat- (387 Patienten) oder im Placebo- (381 Patienten) Arm behandelt.

Für acht dreiwöchige Zyklen bekamen sie 20 mg Panobinostat oder Placebo oral an den Tagen 1, 3, 5, 8, 10 und 12 plus 1,3 mg/m2 intravenöses Bortezomib an den Tagen 1, 4, 8 und 11 plus 20 mg Dexamethason oral an den Tagen 1–2, 4–5, 8–9 und 11–12. Bortezomib subkutan war zu diesem Zeitpunkt von der FDA (Food and drug administration) noch nicht zugelassen.

Patienten, bei denen sich nach diesen ersten acht Zyklen schon ein klinischer Benefit gezeigt hatte, konnten in der zweiten Phase fortfahren mit einer reduzierten Bortezomib-Dosierung, die nur noch an den Tagen 1 und 8 gegeben wurde. Auch die Dexamethason-Dosis wurde bei diesen Patienten reduziert auf eine Gabe an den Tagen 1–2 und 8–9.

Längeres rückfallfreies Überleben, mehr komplettes Ansprechen, aber höhere Hämatotoxizität

Nach einem medianen Follow-up von 28 Monaten hatte die Dreierkombination mit Panobinostat im Vergleich zum Placebo-Arm zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben geführt (12,0 Monate vs. 8,1 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,63, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,52–0,76; p<0,0001; Abb. 1). Dieser Benefit war beständig quer durch alle Patienten-Subgruppen und unabhängig von einzelnen Baseline-Kriterien und der Anzahl der Vortherapien. Immerhin hatten ja 43% der Patienten bereits Bortezomib in der Vortherapie erhalten, nur Bortezomib-refraktäre Patienten waren ausgeschlossen gewesen. Erfreulich war auch, dass die Rate an Patienten, die im Panobinostat-Arm mit komplettem bzw. fast komplettem Ansprechen reagiert hatten, fast doppelt so hoch wie im Vergleichsarm war (27,6% vs. 15,7%; p=0,00006).

Abb. 1. Die Kombination aus Panobinostat, Bortezomib und Dexamethason führte zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben [Richardson PG, oral abstract session]. BTZ: Bortezomib; Dex: Dexamethason; HR: Hazard-Ratio; PAN: Panobinostat; Pbo: Placebo; PFS: progressionsfreies Überleben

Das Hinzufügen von Panobinostat führte allerdings auch zum Anstieg einiger schwerer unerwünschter Ereignisse, hauptsächlich Thrombozytopenien. So kam es im Panobinostat-Arm bei 67,4% versus 31,4% im Kontrollarm zu Thrombozytopenien der Grade 3/4. Auch zu weiteren Toxizitäten der Grade 3/4 kam es deutlich häufiger im Panobinostat-Arm (Lymphopenie: 53,2% vs. 39,8%; Neutropenie: 34,5% vs. 11,4%, Diarrhö: 25,5% vs. 8,0%, Asthenie/Fatigue: 23,9% vs. 11,9%). Aber diese Ereignisse führten nur bei weniger als 5% der Patienten zum Therapieabbruch im Panobinostat-Arm. Zu Todesfällen, die auf die Studienmedikation zurückgeführt wurden, kam es in 2,9% im Panobinostat- und zu 1,9% im Kontroll-Arm.

Stellenwert der neuen Therapieoption

Dr. Richardson fasste zusammen, dass die Dreifachkombination mit Panobinostat im Vergleich zur Zweifachkombination bei Patienten mit refraktären und oder rückfälligen multiplen Myelomen offenbar eine vielversprechend neue Therapieoption sei. Möglicherweise könne eine noch bessre Verträglichkeit erreicht werden, wenn Bortezomib subkutan appliziert werde.

Der Diskutant dieser Studie Robert Orlwowski, MD Anderson Cancer Center, Texas, merkte an, dass die neue Kombination auch bei Hochrisiko-MM-Patienten gewirkt habe [2]. Leider sei diese Gruppe aber in der Studie nur klein gewesen und im Studienprotokoll nicht separat stratifiziert worden. Im Hinblick auf das Gesamtüberleben habe auch kein signifikanter Unterschied in den beiden Studienarmen festgestellt werden können (33,6 vs. 30,4 Monate). In weiteren Studien werden nun noch weitere Panobinostat-Kombinationen beim multiplen Myelom und auch andere HDAC-Inhibitoren untersucht werden. Außerdem sind auch bereits Studien mit Panobinostat bei myelodysplastischem Syndrom (MDS) und Myelofibrose geplant.

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Panorama-1-Studie wurde von Novartis 2014 bei der FDA und der EMA (European Medicines Agency) die Zulassung beantragt.

Quellen

Richardson PG, et al. Panorama 1: A randomized, double-blind, phase3 study of panobinostat or placebo plus bortezomib and dexamethason in relapsed or relapsed and refractory multiple myeloma. J Clin Oncol 2014;32:5s, (suppl; abstr 8510^)

Richardson PG, et al. Panorama 1: A randomized, double-blind, phase3 study of panobinostat or placebo plus bortezomib and dexamethason in relapsed or relapsed and refractory multiple myeloma. Presented at the Oral Abstract Session Myeloma, 02.06.2014, 8:00 am.

Orlowski RZ. Discussion of the abstracts 8510–8511. Oral Abstract Session Myeloma, 02.06.2014, 8:24 am.

Literatur

1. Mateos M-V et al. Bortezomib plus melphalan and prednisone compared with melphalan and prednisone in previously untreated multiple myeloma: updated follow-up and impact of subsequent therapy in the phase III VISTA trial J Clin Oncol 2010; 28:2259–66.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(01)