Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen, Dr. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Das Postperikardiotomie-Syndrom (PPS), postoperatives Vorhofflimmern und postoperative perikardiale/pleurale Effusionen sind häufige Komplikationen nach einer Operation am Herzen. Ungefähr ein Drittel der Patienten sind davon betroffen, eine Zahl, die sich trotz Fortschritten bei chirurgischen Techniken, in der Anästhesie oder der perioperativen Vorsorge nicht wesentlich verändert hat. Diese postoperativen Komplikationen können nur mit leichtem Fieber und Effusionen verbunden sein, bei schwererem Verlauf aber auch mit einem längeren Krankenhausaufenthalt, Wiedereinweisungen in die Klinik, der Notwendigkeit für invasive Eingriffe sowie einer erhöhten Langzeitmortalität.
Zur medikamentösen Standardtherapie dieser Symptome gehören in ersten Linie Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale entzündungshemmende Wirkstoffe (NSAID) sowie Glucocorticoide. Allerdings liegen bislang nur wenige randomisierte klinische Studien zur Behandlung und insbesondere zur Vorbeugung des Postperikardiotomie-Syndroms vor. Vorläufige Daten lassen vermuten, dass auch Colchicin für die Behandlung des PPS von Nutzen sein kann.
Studienziel und -design
Ziel der vorliegenden Studie COPPS-2 (Colchicine for the prevention of the post-pericardiotomy syndrome and postoperative atrial fibrillation) war es, die Wirksamkeit und Sicherheit von perioperativ oral verabreichtem Colchicin im Hinblick auf die Reduktion des Postperikardiotomie-Syndroms, von postoperativem Vorhofflimmern und postoperativen perikardialen/pleuralen Effusionen zu untersuchen. Die doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studie wurde zwischen März 2012 und März 2014 an 360 aufeinanderfolgenden Kandidaten für eine Herzoperation an elf italienischen Kliniken durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie belief sich das mittlere Alter der Teilnehmer auf 67,5 Jahre, 69% der Probanden waren Männer, bei 36% war ein chirurgischer Eingriff an den Herzklappen geplant. Zu den Hauptausschlusskriterien zählten ein nicht vorhandener Sinusrhythmus, eine Herztransplantation sowie Kontraindikationen für Colchicin.
Die Studienteilnehmer wurden randomisiert im Verhältnis 1:1 in zwei Studienarme aufgeteilt:
- Placebo
- Colchicin in einer Dosierung von 0,5 mg zweimal täglich bei Probanden mit einem Körpergewicht von ≥70 kg oder 0,5 mg einmal täglich bei einem Gewicht von<70 kg
Die Therapie wurde oral zwischen 48 und 72 Stunden vor der Operation begonnen und für einen Monat nach der Operation fortgesetzt.
Primärer Studienendpunkt war das Auftreten eines Postperikardiotomie-Syndroms innerhalb von drei Monaten, zu den sekundären Studienendpunkten zählten postoperatives Vorhofflimmern und perikardiale oder pleurale Effusionen.
Studienergebnis
Der primäre Studienendpunkt Postperikardiotomie-Syndrom trat bei 35 von 180 Patienten (19,4%) im Colchicin-Arm und bei 53 von 180 (29,4%) unter Placebo auf (Differenz 10,0 Prozentpunkte; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,1%–18,7%); Number needed to treat =10).
Bei den sekundären Endpunkten wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Colchicin- und Placebo-Gruppe gefunden. Unter Colchicin wurde bei 61 Probanden (33,9%) ein postoperatives Vorhofflimmern beobachtet, gegenüber 75 Patienten (41,7%) unter Placebo (Differenz 7,8 Prozentpunkte; 95%-KI –2,2% bis 17,6%). Von postoperativen perikardialen/pleuralen Effusionen waren 103 Patienten (57,2%) im Colchicin-Arm und 106 Probanden (58,9%) im Placebo-Arm betroffen (absolute Differenz 1,7%; 95%-KI –8,5% bis 11,7%).
In einer präspezifizierten On-Treatment-Analyse ließ sich dagegen ein Rückgang im Auftreten des postoperativen Vorhofflimmerns unter Colchicin beobachten: Bei 38 von 141 Patienten (27,0%) unter Colchicin versus 61 von 148 Probanden (41,2%) unter Placebo (absolute Differenz 14,2%; 95%-KI 3,3%–24,7%).
Unerwünschte Ereignisse kamen bei 21 Patienten (11,7%) in der Placebo-Gruppe und 36 (20,0%) im Colchicin-Arm vor (Differenz 8,3 Prozentpunkte; 95%-KI 0,76%–15,9%; Number needed to harm 12). Primär verantwortlich für diese Differenz war das verstärkte Auftreten gastrointestinaler Intoleranz im Verum-Arm (12 Patienten [6,7%] mit Placebo vs. 26 [14,4%] mit Colchicin). Die Abbruchraten waren in beiden Studiengruppen vergleichbar. Schwere unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet.
Fazit
Die erste groß angelegte, randomisierte klinische Studie zur Vorbeugung des Postperikardiotomie-Syndroms nach Herzoperationen belegte die Wirksamkeit und Sicherheit von perioperativ oral verabreichtem Colchicin. Allerdings konnte die Substanz nicht alle in sie gelegten Hoffnungen erfüllen. Im Hinblick auf postoperatives Vorhofflimmern und den perikardialen/pleuralen Effusionen ergab sich kein signifikanter Unterschied zu Placebo. Da die Substanz abgesehen von gastrointestinalen Nebenwirkungen gut verträglich war und keine schwerwiegenden unerwünschten Effekte auftraten, sollte weiter untersucht werden, welchem Patientenkollektiv eine perioperative Behandlung mit Colchicin den meisten Nutzen bringt.
Quelle
Imazio M, et al. Colchicine for prevention of postpericardiotomy syndrome and postoperative atrial fibrillation. The COPPS-2 randomized clinical trial. JAMA 2014;312:1016–23.
Kommentar
Die Studie hat die berechtigten Erwartungen an Colchicin erfüllt, nicht aber die unberechtigten; denn die Substanz verfügt zweifelsohne über ein antientzündliches Potenzial. Deshalb wird sie ja auch schon seit vielen Jahren nicht nur bei der Gicht-Arthritis, sondern auch zur Rezidivprophylaxe bei der idiopathischen Perikarditis mit Erfolg eingesetzt. Diese antientzündliche Wirkung dürfte auch bei der Verhinderung des Postperikardiotomie-Syndroms die entscheidende Rolle spielen. Doch Colchicin hat keine elektrophysiologische Wirkkomponente, wirkt also nicht als Antiarrhythmikum. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Substanz das Vorhofflimmern nicht verhindern konnte.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(03)