Nintedanib bei NSCLC

EMA erteilt Zulassung für Zweitlinientherapie


Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

Seit November 2014 ist Nintedanib zur Behandlung des NSCLC (non small cell lung cancer) bei Patienten mit Adenokarzinom zugelassen. Die Markteinführung ist im Januar 2015 erfolgt. Die Entscheidung der EMA (European medicines agency) basiert auf den Ergebnissen der Lume-Lung-1-Studie, in der sich eine moderate Verlängerung des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens gezeigt hatte. Über das Profil von Nintedanib wurde auf einer Pressekonferenz von Boehringer Ingelheim im Dezember 2014 in Wien referiert.
Mit einem Kommentar von Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

85% der Patienten mit Lungenkrebs leiden an einem NSCLC (non small cell lung cancer), davon gehen 40% auf ein Adenokarzinom zurück.

Die Symptome sind besonders in den frühen Stadien eher unspezifisch: Husten, Schmerzen, Fatigue. Eine Atemnot lässt sich oft erst in späten Phasen feststellen. Daher werden etwa zwei Drittel der Patienten auch erst mit einer weit fortgeschrittenen Erkrankung diagnostiziert.

Bei Versagen der First-Line-Therapie stehen Docetaxel (z.B. Taxotere®), Pemetrexed (Alimta®) oder Erlotinib (Tarceva®) zur Verfügung.

Nintedanib

Bei dem Arzneistoff handelt es sich um einen Inhibitor der Kinasen VEGFR 1–3, PDGFR α/β und FGFR 1–3. Durch Hemmung dieser Enzyme kann die Angiogenese zum Tumor reduziert werden (Abb. 1). Nintedanib (Vargatef®) ist seit November zugelassen in Kombination mit Docetaxel zur Behandlung Erwachsener mit lokal fortgeschrittenem, metastasierendem oder lokal rezidivierendem NSCLC nach Erstlinienchemotherapie. Bei dem Tumor muss es sich zudem um eine Adenokarzinom handeln.

Abb. 1. Nintedanib: Hemmung der Tyrosinkinasedomäne der Rezeptoren VEGFR 1–3, PDGFR α/β und FGFR 1–3 unterdrückt die Tumorangiogenese [mod. nach 1] FGFR: fibroblast growth factor receptor; PDGFR: platelet-derived growth factor receptor; VEGFR: vascular endothelial growth factor receptor

In der zulassungsrelevanten Studie Lume-Lung 1 konnte versus Docetaxel eine Verlängerung des PFS (progression-free survival) von median 2,7 auf 3,4 Monate erreicht werden (Hazard-Ratio [HR] 0,79, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,68–0,92; p=0,0019) (Kasten)

Das Gesamtüberleben konnte, über alle Patienten hinweg betrachtet, nicht signifikant verlängert werden. Allerdings zeigte sich eine signifikante Verbesserung um 2,3 Monate in der präspezifizierten Subgruppe der Patienten mit Adenokarzinom.

Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 oder höher, die in der Gruppe mit Nintedanib häufiger auftraten als in der Docetaxel-Monotherapie, waren Diarrhö und eine reversible Erhöhung von Leberenzymen.

Zukunft des Arzneistoffs

Nintedanib wird auch in zahlreichen anderen Indikationen untersucht: Tumoren der Eierstöcke, Nieren und Leber oder mit kolorektaler Lokalisation. Das Mesotheliom gehört ebenfalls zum potenziellen Anwendungsgebiet des Arzneistoffs.

Boehringer Ingelheim hat zudem im Januar die Zulassung für Nintedanib (Ofev®) zur Behandlung der idiopathischen pulmonalen Fibrose (Kasten) erhalten.

Kommentar

In der Studie Lume-Lung 1 zeigte sich eine moderate Verlängerung des Gesamtüberlebens für Patienten mit Adenokarzinom bei vergleichbarer Lebensqualität wie unter Docetaxel allein.

Die Optionen nach Progress eines NSCLC sind beschränkt und Nintedanib erweitert diese. Nun stellt sich die Frage, wie viel 2,3 Monate kosten dürfen. Der „schwarze Peter“ bei der Beantwortung dieser Frage liegt nun erst einmal beim G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) beziehungsweise dem IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen).

Boehringer Ingelheim möchte nach eigenen Aussagen eine breite Verfügbarkeit und nicht den höchsten Preis erreichen.

Um genauer identifizieren zu können, welchen Patienten Nintedanib wirklich hilft, wären vielleicht eine genetische Analyse von Tumorsubgruppen und die spezifische Zulassung angezeigt. Die Zielgruppe würde voraussichtlich deutlich kleiner ausfallen, der Effekt aber auch potenziell höher.

Quelle

Prof. Dr. Eric Haaksma, Dr. Anders Mellemgaard Copenhagen/Denmark, Stefania Vallone, Italien, Jörg Barth, Dr. David Heigener, Grosshansdorf, Dr. Jan-Michael Peters, Wien, Dr. Frank Hulberg, Pressekonferenz „Nintedanib-Zulassung & (Grundlagen-)Forschungskooperation mit IMP“, Wien, 11. Dezember 2014, veranstaltet von Boehringer Ingelheim.

Literatur

1. Hilberg F, et al. BIBF1120: triple angiokinase inhibitor with sustained receptor blockade and good anti-tumor efficacy. Cancer Res 2008;68:477–82

Arzneimitteltherapie 2015; 33(03)