Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Das Protein Niemann-Pick C1-like-1 (NPC1L1) ist ein Transporter für Cholesterol, der im Dünndarm und in der Leber gebildet wird. Es gilt als der wichtigste Angriffspunkt des Lipidsenkers Ezetimib, der NPC1L1 hemmt, hierdurch die Resorption von Cholesterol aus dem Dünndarm verringert und so zur Reduktion des LDL-Cholesterolspiegels um 15 bis 20% führt. Das für das Protein kodierende Gen kann prinzipiell auch durch DNA-Mutationen inaktiviert werden. Aufgrund der natürlichen Selektion sind derartige Mutationen jedoch sehr selten.
Daher untersuchten die Forscher des Myocardial Infarction Genetics Consortiums, wie häufig eine solche natürliche Mutation nachweisbar ist und welche Auswirkungen sie auf den Fettstoffwechsel und das kardiovaskuläre Risiko der Träger hat.
Studie in zwei Phasen
In der ersten Phase der Studie wurden alle 20 Protein-kodierenden Exone des NPC1L1-Gens von 7364 Patienten mit koronarer Herzkrankheit und 14728 Kontrollpersonen aus sieben Fall-Kontroll- und zwei prospektiven Kohortenstudien sequenziert. In der zweiten Phase wurde eine spezifische inaktivierende Mutation (p.Arg406X) bei 22590 Patienten mit koronarer Herzkrankheit und bei 68412 Kontrollen genotypisiert.
Ziel war der Nachweis einer Assoziation zwischen NPC1L1-Protein-inaktivierenden Mutationen und Plasmalipidspiegeln sowie dem Risiko für eine koronare Herzkrankheit.
Mutationen sind selten
Durch die Sequenzierung wurden in der ersten Phase 15 inaktivierende Mutationen bei 34 Teilnehmern mit heterozygoten Mutationen identifiziert. Die das NPC1L1-Gen inaktivierenden Mutationen waren also selten, betroffen war etwa eine von 650 Personen. Am häufigsten war die Mutation p.Arg406X. Sie wurde in der zweiten Phase bei weiteren 91002 Personen genotypisiert. Hierbei wurden 48 zusätzliche heterozygote Träger dieser Mutation entdeckt.
Niedrigere Cholesterolspiegel
Träger eines NPC1L1-Gens mit inaktivierenden Mutationen hatten im Vergleich zu Nichtträgern um 13 mg/dl niedrigere Gesamtcholesterolspiegel (p=0,03) und um 12 mg/dl niedrigere LDL-Cholesterolspiegel (p=0,04) (Tab. 1).
Tab. 1. Assoziation zwischen dem Vorliegen einer inaktivierenden Mutation im NPC1L1-Gen und dem Plasmalipidspiegel
Variable |
Träger vs. Nichtträger1 |
p-Wert |
Gesamtcholesterol |
–13 mg/dl |
0,03 |
LDL-Cholesterol |
–12 mg/dl |
0,04 |
HDL-Cholesterol |
2 |
0,29 |
Triglyceride |
–12% |
0,11 |
1Mittlere Differenz
Träger einer der 15 inaktivierenden NPC1L1-Gen-Mutationen waren in der Gruppe mit koronarer Herzkrankheit unterrepräsentiert. Nur 11 von 29954 KHK-Patienten (0,04%) wiesen eine inaktivierende Mutation auf, während es bei den 83140 Kontrollen ohne KHK 71 Personen waren (0,09%). Dies bedeutet eine Senkung des Risikos für eine koronare Herzkrankheit um 53% (Odds-Ratio 0,47, p=0,008) bei Vorliegen einer inaktivierenden Mutation des NPC1L1-Gens.
Die Verminderung des koronaren Risikos um 53% übertrifft bei weitem die Ergebnisse, die in klinischen Studien mit HMG-CoA-Reductasehemmern erreicht wurden. Vermutlich senkt diese mäßig starke Reduktion der LDL-Cholesterolspiegel während der gesamten Lebenszeit des Trägers einer inaktivierenden Mutation das koronare Risiko sehr viel besser als eine im höheren Lebensalter begonnene Pharmakotherapie.
Fazit
Durch Sequenzierung und Genotypisierung der DNA-Proben von 113094 Studienteilnehmern wurde gezeigt, dass inaktivierende Mutationen im NPC1L1-Gen mit reduzierten LDL-Cholesterolspiegeln und einem verringerten Risiko für eine koronare Herzkrankheit assoziiert sind. Gestützt werden diese Befunde durch die aktuellen Ergebnisse der IMPROVE-IT-Studie (Improved reduction of outcomes: Vytorin efficacy international trial), die im November 2014 bei der Jahrestagung der American Heart Association vorgestellt wurden. In dieser Studie konnte durch die zusätzliche Gabe von Ezetimib zu Simvastatin das kardiovaskuläre Risiko von Hochrisikopatienten nach einem akuten koronaren Syndrom signifikant um zwei Prozentpunkte von 34,7 auf 32,7% gesenkt werden (p=0,016).
Quellen
The Myocardial Infarction Genetics Consortium Investigators. Inactivation mutations in NPC1L1 and protection from coronary heart disease. N Engl J Med. 2014. Online publiziert am 12. November 2014. Doi:10.1056/NEJMoa1405386.
Cannon PC. Improved reduction of outcomes: Vytorin efficacy international trial. AHA Scientific Session 2014, Chicago, Abstract LBCT.02.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(03)