Simone Reisdorf, Erfurt
Mangelnde Adhärenz – teils bedingt durch unerwünschte Wirkungen oder durch die ungünstigen Lebensumstände der Patienten in sich entwickelnden Ländern – ist ein wichtiges Hindernis für den Therapieerfolg bei Tuberkulose. So werden die oft 10 bis 20 Tabletten pro Tag meist unter medizinischer Aufsicht verabreicht. Dazu müssen die Tuberkulosekranken, sofern sie nicht hospitalisiert sind, täglich die ambulanten Behandlungszentren aufsuchen.
Kürzere und einfachere Therapieregime werden also dringend benötigt. Im New England Journal of Medicine wurde kürzlich – neben zwei anderen Studien mit ähnlichen Ansätzen – die zweiarmige randomisierte, kontrollierte OFLOTUB-Studie publiziert, in der eine Kombinationstherapie mit Gatifloxacin, einem Fluorchinolon der vierten Generation, über nur vier Monate untersucht wurde.
Eingeschlossen waren 1836 afrikanische Patienten; 1356 Datensätze gingen in die modifizierte Intention-to-treat-Analyse für den primären Endpunkt ein. Der Anteil der Patienten mit HIV-Koinfektion variierte stark zwischen den einzelnen Ländern, von 1% im Senegal bis 49% in Südafrika; er war aber zwischen den beiden Therapiegruppen ausgeglichen.
Tabletten mit Fixkombinationen speziell für die Studie produziert
Eine Besonderheit der Studie war die Verwendung eigens dafür produzierter Tabletten mit Fixkombinationen, um die Therapie zu vereinfachen. Eine genaue körpergewichtsadaptierte Gabe war damit allerdings nicht möglich; die Patienten wurden in nur zwei Gewichtsklassen eingeteilt: <50 kg und ≥50 kg.
So erhielten die Teilnehmer des experimentellen Studienarms in den ersten zwei Monaten (Intensivphase) je nach Gewicht an sechs Tagen pro Woche drei bzw. vier Tabletten mit je 75 mg Isoniazid, 150 mg Rifampicin und 400 mg Pyrazinamid, dazu eine Tablette mit 400 mg Gatifloxacin. In der verkürzten Erhaltungsphase im dritten und vierten Monat wurde die Behandlung mit Isoniazid, Rifampicin und Gatifloxacin in der gleichen Dosis fortgeführt.
Im Kontrollarm wurden die Patienten an sechs Tagen pro Woche zunächst mit Fixkombinationen aus drei bis vier Tabletten mit je 75 mg Isoniazid, 150 mg Rifampicin, 400 mg Pyrazinamid und 275 mg Ethambutol behandelt – eine Standardtherapie. Während der Erhaltungsphase in Monat drei bis sechs bekamen sie nur noch Isoniazid und Rifampicin.
Nachweis der Nichtunterlegenheit verfehlt
Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten mit „unvorteilhaftem Outcome“ 24 Monate nach Beendigung der Therapie. Dies umfasste alle Patienten, bei denen keine Eradikation der Erreger zu erreichten war, ein Rezidiv erlitten oder/und während der Therapie aus der Studie ausschieden oder verstarben.
Das Therapieregime mit Gatifloxacin über vier Monate konnte die Nichtunterlegenheit mit der notwendigen 6%igen Differenz nicht nachweisen: Die Länder-adjustierte Differenz zwischen dem Anteil der Patienten mit unvorteilhaftem Outcome (experimentelle Gruppe minus Kontrollgruppe) betrug nur 3,5 Prozentpunkte (obere Grenze des einseitigen 97,5%-Konfidenzintervalls [KI] 7,7 Prozentpunkte).
Die Gründe für ein unvorteilhaftes Outcome der Patienten waren in beiden Gruppen unterschiedlich: Während in der Kontrollgruppe häufiger (2,4% vs. 1,7%) Therapieversagen festgestellt wurde, gab es in der experimentellen Gruppe mehr Rezidive: Sie wurden bei 7,1% der Kontroll- vs. 14,6% der Gatifloxacin-Patienten nachgewiesen.
Der Anteil der Patienten mit negativem Outcome war heterogen verteilt zwischen den Subgruppen. So trat der primäre Endpunkt bei Patienten mit einem Body-Mass-Index ≥16 kg/m² oder mit Kavernenbildung unter Standardtherapie seltener auf als unter einer Gatifloxacin enthaltenden Behandlung.
Fazit
Möglicherweise, so folgerten die Studienautoren, reichte insbesondere für diese Patienten die fixe Gatifloxacin-Dosis an sechs Tagen pro Woche über vier Monate nicht aus.
In der Studie wurde unter Gatifloxacin-Gabe weder eine Häufung von QT-Intervall-Verlängerungen noch von Dysglykämien beobachtet.
Quelle
Merle CS, et al. A four-month gatifloxacin-containing regimen for treating tuberculosis. N Engl J Med 2014;371:1588–98.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(03)