Akutes Koronarsyndrom

Ticagrelor: ATLANTIC-Studie


Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

Der Stellenwert der neuen Thrombozytenfunktionshemmer bei akutem Koronarsyndrom (ACS) war das zentrale Thema des AstraZeneca-Symposiums im Rahmen der letzten DGK-Herbsttagung in Düsseldorf.

Das akute Koronarsyndrom und im Besonderen der akute ST-Hebungsinfarkt (STEMI) sind mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Gerade beim STEMI reduziert eine rasche Reperfusion die Mortalität und ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Eine duale Thrombozytenfunktionshemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS) und einem Adenosin-Diphosphat(ADP)-P2Y12-Rezeptorblocker verbessert die Prognose.

Neben Clopidogrel stehen mit Ticagrelor (Brilique®) und Prasugrel (Efient®) zwei neue orale ADP-Antagonisten zur Verfügung, die in den jeweiligen Zulassungsstudien TRITON-TIMI-38 (Prasugrel) und PLATO (Ticagrelor) dem Clopidogrel überlegen waren.

Ticagrelor zeigt eine direkte, reversible und rasch einsetzende Wirkung am P2Y12-Rezeptor. Im Vergleich zu Clopidogrel ist die Variabilität des Wirkprofils wesentlich geringer, da eine Metabolisierung über das Cytochrom-P450(CYP)-System nicht notwendig ist.

ATLANTIC-Studie

Die ATLANTIC-Studie untersuchte den Effekt der frühen Gabe von Ticagrelor. ATLANTIC ist eine 30-tägige, internationale, multizentrische, randomisierte Doppelblindstudie mit 1862 STEMI-Patienten. Untersucht wurden die Wirksamkeit und Sicherheit einer prähospitalen Ticagrelor-Gabe im Vergleich zu einer intrahospitalen Initiierung bei STEMI-Patienten mit geplanter perkutaner Koronarintervention (PCI). Der Zeitunterschied der Initiierung zwischen den beiden Vergleichsarmen betrug im Schnitt 31 Minuten.

Die Ergebnisse von ATLANTIC zeigten keine signifikanten Wirksamkeitsunterschiede zwischen der prä- und intrahospitalen Gabe von Ticagrelor. Der kombinierte primäre Endpunkt bestand aus dem Anteil an Patienten, die keinen normalen Fluss im Infarktgefäß bei der initialen Angiographie zeigten, sowie dem Nichterreichen einer über 70%igen Rückbildung der ST-Streckenhebung vor PCI. In den Vergleichsarmen zeigten sich auch keine Unterschiede hinsichtlich des Blutungsrisikos. Auch im Zusammenhang mit dem kombinierten sekundären Endpunkt (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, notwendige Revaskularisierung oder akute Stentthrombose) gab es keine signifikanten Unterschiede. Die prähospitale Gabe von Ticagrelor zeigte nach 24 Stunden (0% vs. 0,8%; p=0,0078) sowie nach 30 Tagen (0,2% vs. 1,2%; p=0,023) eine signifikante Risikoreduktionen bei Stentthrombosen nach einer PCI. Hierbei handelt es sich allerdings um ein extrem seltenes Ereignis.

In der ACCOAST-Studie mit Prasugrel wurde ebenfalls kein Vorteil eines Preloading beobachtet.

Diskussion

Diese Daten müssen in weiteren Studien geprüft werden, betonte der vortragende Professor Dr. Christian Hamm, Bad Nauheim.

Prof. Dr. Martin Möckel, Berlin, empfahl, Ticagrelor erst in der Klinik zu geben, schloss jedoch eine präklinische Gabe nicht grundsätzlich aus. Diese solle jedoch nur von erfahrenen Notärzten durchgeführt werden.

Neue Leitlinien zur myokardialen Revaskularisierung

Das Leitlinien-Komitee „Revaskularisierung des Myokards“ der European Society of Cardiology (ESC) und der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) haben am 29. August 2014 die aktualisierten Leitlinien zur myokardialen Revaskularisierung veröffentlicht. Die aktuellen Leitlinien bekräftigten im Wesentlichen die Aussagen der Version aus dem Jahr 2010. Entsprechend den Leitlinien muss die duale Thrombozytenfunktionshemmung nach akutem Koronarsyndrom und der primären Therapie für mindestens 12 Monate bei fehlenden Kontraindikationen durchgeführt werden. Unter Abwägung des Blutungsrisikos sind neuere P2Y12-Rezeptorantagonisten (Ticagrelor, Prasugrel) beim ACS dem Clopidogrel vorzuziehen.

Quelle

Prof. Dr. med. Nikolaus Marx, Aachen, Prof. Dr. med. Holger Thiele, Lübeck, Prof. Dr. med. Christian Hamm, Bad Nauheim, Prof. Dr. med. Martin Möckel, Berlin, Prof. Dr. med. Tienush Rassaf, Düsseldorf; Symposium „ACS im Fokus – von der Akutversorgung bis zur Nachbehandlung“, veranstaltet von AstraZeneca im Rahmen der DGK-Herbsttagung, Düsseldorf, 10. Oktober 2014.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(03)