Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Hamburg
Als vor einigen Jahren Dronedaron, eine Amiodaron-strukturverwandte Verbindung, als neues Antiarrhythmikum europaweit zugelassen wurde, schien die Ära von Amiodaron zu Ende zu sein. Man sprach auch von einem Auslaufmodell.
Auf den ersten Blick ist Dronedaron im klinischen Wirkungsspektrum Amiodaron ähnlich, hat aber günstigere pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften und – wichtiger noch – erheblich weniger schwerwiegende unerwünschte Wirkungen. Alles schien dafür zu sprechen, dass Dronedaron Amiodaron langfristig ersetzen kann.
Doch schon die präklinischen Daten wiesen auf Unterschiede zwischen beiden Antiarrhythmika hin:
Quantitative Unterschiede in der Beeinflussung verschiedener Ionenkanäle und – hierdurch erklärbar – Unterschiede in der Wirksamkeit gegenüber verschiedenen Herzrhythmusstörungen.
Zwei Beobachtungen machten auf mögliche Limitationen dieses Amiodaron-Derivates aufmerksam:
Es ließ sich keine eindeutige Dosisabhängigkeit des therapeutischen Effektes, im Gegensatz zu Amiodaron, nachweisen. Dronedaron ist das einzige Antiarrhythmikum, das nur in einer fixen Dosis von 2-mal 400 mg täglich verabreicht wird. Außerdem stellte sich in Studien nach der Zulassung heraus, dass Dronedaron gegen Vorhofflimmern deutlich weniger wirksam ist als Amiodaron. Trotzdem: Dronedaron hat heutzutage einen festen Platz in der Therapie von Vorhofflimmern. Es kann Amiodaron aber nicht ersetzen.
Wo ist heutzutage der Platz von Amiodaron?
Fragt man den Nichtspezialisten, so hat Amiodaron heute keine Bedeutung mehr. Aber selbst unter Kardiologen wird man diametral entgegengesetzte Meinungen zu dieser Frage hören. Wo liegt die Ursache dafür?
Der schlechte Ruf von Amiodaron beruht ganz entscheidend auf der vor allem in den USA über Jahre praktizierten Hochdosistherapie. Nach dem Motto „viel hilft viel“ wurden nach Aufsättigung tägliche Erhaltungsdosierungen von 400 bis 600 mg über Monate eingesetzt. Dies insbesondere zur Therapie von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, wie der anhaltenden Kammertachykardie oder Zustand nach Reanimation wegen Kammerflimmerns zur Rezidivprophylaxe des plötzlichen Herztods. Diese hohen Dosierungen waren wirksamer als niedrige (z. B. 200 mg täglich). Die Grenzen dieser Therapie zeigten sich aber vor allem in den schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen. Fast bei allen Patienten musste die Erhaltungstherapie mit diesen Dosierungen wegen solcher schwerer, zum Teil irreversibler Nebenwirkungen abgesetzt werden.
Aus guten Gründen geht man daher in der Dosierung auf die ursprüngliche tägliche Dosis von 200 mg zurück.
Was meint Niedrigdosis-Therapie?
Man spricht von einer solchen Therapie, wenn Amiodaron in Dosierungen zwischen 100 und 300 mg täglich eingesetzt wird. Besser kann man den notwendigen Dosisbereich durch Messung der Plasmakonzentration von Amiodaron und dessen Hauptmetabolit Desethylamiodaron im pharmakokinetischen Gleichgewicht beschreiben! Warum? Bekanntlich ist die Bioverfügbarkeit von Amiodaron interindividuell variabel, sie liegt zwischen 30 und 80 % der verabreichten Dosis. Interindividuell unterschiedlich sind auch das Verteilungsvolumen (Gewebekonzentration) und die Konzentration der therapeutisch ebenfalls wirksamen und toxischen Hauptmetaboliten. Dies erklärt, weshalb man bei verschiedenen Patienten mit der gleichen Dosis unterschiedliche Plasmakonzentrationen erreicht.
Mit der gleichen Dosis liegt man bei einem Patienten im subtherapeutischen, beim anderen im therapeutischen und beim dritten im supratherapeutischen/toxischen Bereich.
Häufig hört man das Argument, die Bestimmung der Plasmakonzentration sei bei einem Arzneistoff mit einem so hohen Verteilungsvolumen sinnlos. Dieses Argument zeugt von fehlendem Verständnis für Pharmakokinetik. Im Gleichgewicht, das heißt nach Aufsättigung, steht die Plasmakonzentration von Amiodaron in direkter Beziehung zur Gewebekonzentration. Allerdings benötigen verschiedene Patienten beziehungsweise verschiedene Rhythmusstörungen unterschiedliche Plasmakonzentrationen zur therapeutischen Beeinflussung der Arrhythmie: Ein Patient benötigt eine Plasmakonzentration von 0,5 µg/ml, ein anderer dagegen von 1,2 µg/ml. Anders als die Angaben auf vielen Laborwertbögen liegt der normale therapeutische Bereich für Amiodaron und dessen Hauptmetabolit zwischen 0,5 und 1,5 µg/ml. Auf den Laborwertbögen finden sich häufig Angaben bis zu 2,5 µg/ml. Im Gleichgewicht sollte der Metabolit in einem etwa ähnlichen Konzentrationsbereich liegen.
Was bringt die Niedrigdosis-Therapie?
Sie ist – um es vorab deutlich zu machen – kein Allheilmittel gegenüber Herzrhythmusstörungen. Sie ersetzt weder die Vorhofflimmerablation noch die Defibrillator-Implantation bei ventrikulären Arrhythmien und auch die Therapie mit anderen Antiarrhythmika nicht. Sie ist vermutlich nicht in der Lage, den plötzlichen Herztod zu verhindern. Sie kann lediglich die Häufigkeit von adäquaten Schocks durch einen Defibrillator reduzieren.
Wichtigstes und häufigstes Einsatzgebiet – und hier ist die Effektivität zweifellos nachgewiesen – ist die Prävention und Therapie von Vorhofflimmern.
Bei dieser Indikation ist Amiodaron auch in niedriger Dosierung effektiv und wirksamer als andere Antiarrhythmika wie Flecainid, Propafenon oder Dronedaron. Einen Vorteil gegenüber den Klasse-IC-Antiarrhythmika hat Amiodaron insofern, als es bei Vorhofflimmern die Kammerfrequenz deutlich reduziert. Dies gilt sowohl für persistierendes als auch für paroxysmales Vorhofflimmern. Nach erfolgreicher DC-Kardioversion ist Amiodaron effektiver als andere Antiarrhythmika, den Sinusrhythmus zu erhalten.
Wo liegen die Vorteile und wo die Nachteile einer Niedrigdosis-Therapie mit Amiodaron?
Vorteil ist die im Vergleich zu anderen Antiarrhythmika geringere Häufigkeit proarrhythmischer Nebenwirkungen. So kann eine Therapie mit Amiodaron auch unter ambulanten Bedingungen mit einer Aufsättigungstherapie eingeleitet werden. Weiterer Vorteil ist die gute subjektive Verträglichkeit.
Nachteil sind die potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen dieses Arzneimittels. Heute weiß man, dass deren Häufigkeit von der Aggressivität der Aufsättigung, der Gesamtdosis zur Aufsättigung und der Dosierung unter Dauertherapie abhängt. Zusätzlich spielen für Nebenwirkungen disponierende Bedingungen seitens des Patienten eine Rolle, wie vorbestehende Schilddrüsenfunktionsstörungen und neurologische Erkrankungen (z. B. Polyneuropathie).
Ein weiterer Nachteil ist die Notwendigkeit engmaschiger Kontrollen der Patienten. So sollten klinische, elektrokardiographische und laborchemische Kontrollen in dreimonatigen Abständen durchgeführt werden. Nur so lassen sich schwerwiegende und eventuell lebensbedrohliche Nebenwirkungen von Amiodaron frühzeitig erkennen, behandeln und vermeiden.
Wo kann die Niedrigdosis-Therapie von Amiodaron heutzutage eingesetzt werden?
- Behandlungsbedürftiges paroxysmales Vorhofflimmern oder Rezidivprophylaxe von Vorhofflimmern nach DC-Kardioversion, wenn Klasse 1C-Antiarrhythmika oder Dronedaron nicht wirksam sind, wegen Nebenwirkungen nicht vertragen werden oder nicht indiziert sind (schwere linksventrikuläre Dysfunktion). Als Dauertherapie nur bei alten Patienten (z. B. jenseits des 75. Lebensjahres), als vorübergehende Therapie auch bei jüngeren Patienten bis zur Durchführung einer Ablationsbehandlung des Vorhofflimmerns.
- Probatorische Wiederherstellung eines Sinusrhythmus bei persistierendem Vorhofflimmern, um zu prüfen, ob die vom Patienten berichteten Beschwerden tatsächlich durch Vorhofflimmern bedingt sind.
- Minderung der Kammerfrequenz bei persistierendem Vorhofflimmern mit rascher Überleitung und gleichzeitig bestehender Herzinsuffizienz, wenn dies nicht anders erreichbar ist.
- Häufige adäquate Entladungen eines ICD (implantierbarer Kardioverter/Defibrillator) wegen anhaltender Kammertachykardien oder Kammerflimmern bis zur Ablationsbehandlung der Arrhythmie.
- Therapierefraktäres rezidivierendes Kammerflimmern in der Reanimationssituation (i. v. Gabe).
Empfehlung für die Dosierung von Amiodaron:
- Aufsättigung mit 3 × 200 mg täglich über 10 Tage
- Anschließend 2 × 200 mg täglich über 10 Tage
- Anschließend 1 × 200 mg täglich bis auf Weiteres
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Arzneimitteltherapie 2015; 33(04)