Dr. Annette Junker, Wermelskirchen
Die zielgerichtete oder targeted Therapie bei Krebs ist ein recht junges Feld und wurde erst möglich durch ein verbessertes Verständnis der genetischen Veränderungen im bösartigen Gewebe. HER2-neu-Mutationen bei Brustkrebs und KRAS-Mutationen bei kolorektalen Karzinomen waren Mitte der 80er-Jahre die ersten dieser Mutationen, die entdeckt, genauer analysiert und zur Entwicklung entsprechender zielgerichteter Therapien führten.
Die wichtigste und häufigste genetische Veränderung bei Melanomen ist die BRAF-Mutation. Im Jahr 2002 wurde sie von Davies et al. erstmals im Journal Nature beschrieben [1]. Es dauerte weitere sieben Jahre, bis während der Jahrestagung 2009 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) Phase-I-Daten des BRAF-Inhibitors Vemurafenib (Zelboraf®) vorgestellt wurden, bei denen im Vergleich zum damaligen Therapiestandard Dacarbazin das schnelle Ansprechen und die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens auffiel [2]. Damit wurde eine neue Ära der Melanom-Therapie eingeläutet.
Aufgrund der Phase-III-Daten von Chapman et al. [3] erfolgte die Zulassung für Vemurafenib im Jahr 2011. Dabrafenib (Tafinlar®), ein weiterer BRAF-Inhibitor, zeigte ein Jahr später eine vergleichbare Effektivität [4]. Eine Aktivierung von BRAF fördert die Aktivierung des entsprechenden Pathways und führt letztlich zur Zellproliferation (Abb. 1). Durch eine Blockade von BRAF wird diese Kaskade gehemmt. Der Vorteil für die behandelnden Ärzte war zunächst, zwei vergleichbar gut wirksame Arzneimittel bei Patienten mit BRAF-mutierten Melanomen zu haben und diese individuell unter Berücksichtigung der verschiedenen Nebenwirkungen einsetzen zu können.

Abb. 1. Konsekutive Hemmung des MAPK-Signalwegs durch Kinaseinhibitoren [mod. nach 8]
Leider kommt es hier auch nach etwa sechs Monaten zur Krankheitsprogression, die gekennzeichnet ist durch eine Reaktivierung des BRAF-Pathways mit dann hoher MEK-Aktivität. Das war der Hintergrund, Kombinationstherapien aus BRAF-Inhibitor und MEK-Inhibitor zu testen. Während des ESMO-Kongresses wurden nun zwei solcher Studien vorgestellt.
Längeres progressionsfreies und längeres Gesamtüberleben
Dabrafenib plus Trametinib vs. Vemurafenib
In einer zweiarmigen Studie (COMBI-v) wurden 704 Patienten mit BRAF-V600-mutierten Melanomen in der Erstlinientherapie entweder
- mit einer Kombination aus Dabrafenib (150 mg zweimal täglich) plus Trametinib (Mekinist®; 2 mg einmal täglich) oder nur
- mit Vemurafenib (960 mg zweimal täglich) behandelt [5].
Eine geplante Interimsanalyse zeigte eine 31%ige Verlängerung des Gesamtüberlebens für die Patienten im Kombinationsarm und eine 44%ige Reduktion des Risikos einer Progression. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 11,4 Monate für Dabrafenib plus Trametinib versus 7,3 Monate für Vemurafenib (Tab. 1). Die Rate an schweren unerwünschten Ereignissen war in den beiden Armen ähnlich. Allerdings kam es im Kombinationsarm zu deutlich weniger Fällen des Plattenepithelkarzinom der Haut (cSCC), das unter einer Vemurafenib-Therapie häufig auftritt.
Tab. 1. Progressionsfreies (PFS) und Gesamtüberleben (OS) in COMBI-v und CoBRIM [7]
COMBI-v |
Dabrafenib + Trametinib (n=352) |
Vemurafenib |
CoBRIM |
Vemurafenib |
Vemurafenib |
PFS |
PFS |
||||
Ereignisse [n] (%) |
166 (47) |
217 (62) |
Ereignisse [n] |
128 |
79 |
Median (95%-KI) |
11,4 (9,9–14,9) |
7,3 (5,8–7,8) |
Median (95%-CI) |
6,2 (5,6–7,4) |
9,9 (9,0–NE) |
Adjustiertes HR (95%-KI); Zweiseitiger p-Wert |
0,56 (0,46–0,69); <0,001 |
HR (95%-KI); p-Wert |
0,51 (0,39–0,68); p<0,0001 |
||
OS |
OS |
||||
Tote [n] (%) |
100 (28) |
122 (35) |
Tote [n] |
51 |
34 |
Median (95%-KI) |
NR (18,3–NR) |
17,2 (16,4–NR) |
Median |
NE |
NE |
Adjustiertes HR (95%-KI); Zweiseitiger p-Wert (Grenze) |
0,69 (0,53–0,89) 0,005 (<0,0214) |
9-Monats OS (95%-KI) [%] |
72,5 (65,2–79,8) |
81,1 (74,7–87,5) |
|
HR (95%-KI); p-Wert |
0,65 (0,42–1,00); p=0,046 |
In beiden Studien, in denen die Kombination BRAF-Inhibitor plus MEK-Inhibitor getestet wurden, führten die Kombinationstherapien zu deutlich und statistisch signifikant längeren progressionsfreien und Gesamtüberleben. HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall; NR: nicht erreicht
Vemurafenib mit oder ohne Cobimetinib
In einer weiteren Studie untersuchte man in der Erstlinientherapie die Kombination mit dem MEK-Inhibitor Cobimetinib.
In die CoBRIM-Studie waren 495 zuvor noch nicht behandelte Melanom-Patienten mit BRAF-V600-Mutationen und unresektabler, lokal fortgeschrittener oder metastasierter Erkrankung eingeschlossen worden. Sie wurden randomisiert und für 28 Tage mit Vemurafenib (960 mg, zweimal täglich)
- plus entweder zusätzlich dem MEK-Inhibitor Cobimetinib (60 mg täglich; Tag 1 bis 21) oder
- Placebo behandelt.
Für die Patienten im Kombinationsarm zeigte sich in einer ersten Interimsanalyse ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (9,9 vs. 6,2 Monate) und höhere Ansprechraten (68% vs. 45%) als unter Vemurafenib allein [6]. Außerdem lebten nach neun Monaten noch mehr Patienten (81,1% vs. 72,5%) (Tab. 1).
Zwar führte die Kombinationstherapie öfter zu unerwünschten Ereignissen vom Grad-3/4, aber auch hier traten die ansonsten unter Vemurafenib zu beobachteten Hauttoxizitäten weniger häufig auf.
Perspektive für die Zukunft und offene Fragen
Der Studienleiter der CoBRIM-Studie McArthur ging in seinem Resümee davon aus, dass die Kombination von BRAF- und MEK-Inhibitor aufgrund dieser Ergebnisse demnächst zum therapeutischen Standard bei BRAF-mutierten Melanomen werde. Diese Ansicht unterstützte auch Diskutant C. Blank, Amsterdam, und wies noch einmal auf die Verlängerung von PFS und OS durch die Kombinationen und die geringere Hauttoxizität hin [7]. Allerdings, so Blank, müsse man sich auch Gedanken darüber machen, warum eine Verlängerung des PFS von vier Monaten nur zu einer Verlängerung des OS von etwa zwei Monaten führe. Das könnte zunächst an den unterschiedlichen Cross-Over-Praktiken und unterschiedlichen Anschlusstherapien liegen. Möglich sei aber auch, dass die Patienten in den Kombinationsarmen nach Progress weniger oder zu späte Möglichkeiten einer anderen Zweitlinientherapie gehabt hätten. Insofern wäre es sehr hilfreich alle Anschlusstherapien in eine finale Analyse und Bewertung mit einzubeziehen. Außerdem sei abschließend zu hinterfragen, welcher Preis für eine solche Kombinationstherapie im Hinblick auf ein zwei Monate längeres Überleben gerechtfertigt werden könne.
Literatur
1. Davies H, et al. Mutations of the BRAF gene in human cancer. Nature 2002;417:949–54.
2. Flaherty K, et al. Phase I study of PLX4032: Proof of concept for V600E BRAF mutation as a therapeutic target in human cancer. J Clin Oncol 2009;27(Suppl):15s (abstr 9000).
3. Chapman P, et al. Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation. N Engl J Med 2011;364:2507–16.
4. Hauschild A, et al. Dabrafenib in BRAF-mutated metastatic melanoma: a multicentre, open-label, phase 3 randomised controlled trial. Lancet 2012;380:358–65.
5. Robert C, et al. COMBI-v: A randomised, open-label, phase III study comparing the combination of dabrafenib (D) and trametinib (T) with vemurafenib (V) as first-line therapy in patients (pts) with unresectable or metastatic BRAF V600E/K mutation-positive cutaneous melanom. Proceed ESMO 2014, abstr LBA4_PR.
6. McArthur GA, et al. Phase 3, double-blind, placebo-controlled study of vemurafenib versus vemurafenib + cobimetinib in previously untreated BRAFV600 mutation-positive patients with unresectable locally advanced or metastatic melanoma (NCT01689519). Proceed ESMO 2014, abstr. LBA5_PR.
7. Blank C. Invited discussant abstracts LBA4_PR and LBA5_PR, Presidental Symposium 2, 29.09.2014.
8. Sekulic A, et al. Malignant melanoma in the 21st century: the emerging molecular landscape. Mayo Clin Proc 2008;83:825–46.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(04)