Tilman Schöning, Heidelberg
Klinische Daten
Die derzeit bestehende Zulassung für Trastuzumab Emtansin (T-DM1) basiert auf den überzeugenden Daten der EMILIA-Studie [9], die in allen Endpunkten (progressionsfreies Überleben, Gesamtüberleben und Sicherheit) signifikant bessere Ergebnisse in der Gesamtpopulation der Studienteilnehmer erreichte. Die Vergleichstherapie Lapatinib plus Capecitabin entspricht dem einer Zweitlinientherapie bei Fortschreiten der Erkrankung unter Trastuzumab und stützt sich auf die Daten von Geyer et al. [5]. Eine Analyse der patientenrelevanten Endpunkte in der EMILIA-Studie mittels einer Teilskala des Functional Assessment of Cancer Therapy-Breast (FACT-B) konnte zudem zeigen, dass die Zeit bis zur Verschlechterung von Krankheitssymptomen unter T-DM1 gegenüber dem Vergleichsarm signifikant verlängert war (7,1 vs. 4,6 Monate) [10].
In der frühen Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde T-DM1 daher in der Gesamtschau der Kategorien Mortalität, gesundheitsbezogene Lebensqualität und schwerwiegende/schwere Nebenwirkungen ein erheblicher Zusatznutzen bescheinigt, allerdings nur in einer Teilpopulation, der Patienten mit HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs mit vorangegangener Therapie mit Anthracyclinen, Taxanen und Trastuzumab [7]. Da der pharmazeutische Unternehmer für alle drei Teilpopulationen (siehe Indikationsangabe von Kadcyla®) die gleiche Vergleichstherapie gewählt hatte und das IQWiG in den anderen beiden Teilpopulationen von anderen anerkannten Vergleichstherapien ausging, wurden diese nicht in die Bewertung einbezogen. Die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ) kam in Ihrer Stellungnahme zur Nutzenbewertung von Kadcyla® insgesamt allerdings zu einer recht kritischen Bewertung der zugrunde gelegten EMILIA-Studie. Insbesondere kritisiert sie das Studiendesign und die Studienpopulation (Ein- und Ausschlusskriterien) sowie die zur Erhebung des patientenrelevanten Outcomes verwendete TOI-PFB-Teilskala des Functional Assessment of Cancer Therapy-Breast (FACT-B) hinsichtlich ihrer Aussagekräftigkeit und fordert eine weitere, möglichst unabhängig geplante, randomisierte, kontrollierte Studie mit T-DM1 [1].
Die später publizierte TH3RESA-Studie bestätigt die Effektivität von T-DM1 auch in einem stärker vorbehandelten Patientenprofil mit mindestens zwei HER2-basierten Vortherapien. Mehr als die Hälfte der Patienten hatte vier Vortherapien und mehr als ein Drittel hatte mehr als fünf Vortherapien erhalten. Zudem konnte gezeigt werden, dass das versus der Vergleichstherapie nach Wahl des Arztes signifikant verbesserte progressionsfreie Überleben unabhängig von Faktoren wie Alter, Allgemeinzustand (ECOG-Performance-Status), Hormonrezeptorstatus, Zahl der Vortherapien und Lokalität der Erkrankung (viszeral vs. nichtviszeral) erreicht wurde. Der Endpunkt medianes Gesamtüberleben war in der T-DM1-Gruppe zum Zeitpunkt der Publikation der Studie noch nicht erreicht, die finalen Ergebnisse werden für 2015 erwartet.
Sicherheit
Beim genaueren Studium der Daten von Geyer et al. [5] fällt bereits auf, dass es sich bei Lapatinib plus Capecitabin um eine vergleichsweise schlecht verträgliche Kombinationstherapie handelt. Insbesondere Diarrhö, Hand-Fuß-Syndrom, Übelkeit, Erbrechen und Fatigue wurden beobachtet, wobei Grad-4-Diarrhö bei zwei Frauen auftrat und insgesamt 13% der Patienten die Therapie aufgrund von unerwünschten Ereignissen abbrechen mussten. Die EMILIA-Studie ergab einen deutlichen Unterschied in der Inzidenz von Grad-3/4-Ereignissen zugunsten von T-DM1 (40,8% vs. 57,0% unter Lapatinib plus Capecitabin) [9]. Dabei zeigte sich auch ein deutlicher Unterschied in der Qualität der Grad-3/4-Ereignisse. Waren es in der Lapatinib-plus-Capecitabin-Gruppe wie erwartet überwiegend Diarrhö und Hand-Fuß-Syndrom (20,4% und 16,7%), so litten im T-DM1-Arm 12,9% unter einer Grad-3/4-Thrombozytopenie sowie 7,2% der Patienten unter einer Grad-3/4-Erhöhung von Leberenzymen. Das Auftreten der Grad-3/4-Thrombozytopenie zeigte sich bei den meisten Patienten bereits während der ersten zwei Zyklen und war bei der überwiegenden Anzahl von Patienten durch eine Dosisreduktion zu beherrschen, während zehn Patienten (2%) die Behandlung abbrechen mussten. Grad-3/4-Blutungen wurden nur in 1,4% der mit T-DM1 behandelten Patienten beobachtet. Auf Basis dieser Daten der EMILIA-Studie kam das IQWiG in seiner Bewertung der Endpunkte für Nebenwirkungen zu dem Ergebnis „Hinweis für einen erheblichen Zusatznutzen“ [7]. Ein auf dem Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) präsentiertes Poster zu den patientenbezogenen Endpunkten der TH3RESA-Studie ermittelte Fatigue und Schmerz als vorwiegend beeinträchtigende Symptome in der T-DM1-Gruppe, während Übelkeit und Durchfall eine untergeordnete Rolle spielten. Dies zeigte sich konstant über die ersten zehn Zyklen. Die Zeit bis zur Progression unterschied sich dabei nicht signifikant zwischen den beiden Behandlungsarmen [2].
Obwohl es in der EMILIA-Studie in der T-DM1-Gruppe nur in 1,7% der Patienten zu einem Abfall der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) auf unter 50% des Baseline-Werts kam und nur ein Patient eine Grad-3-Beeinträchtigung der LVEF erlitt, besteht derzeit eine FDA-Black-Box-Warnung hinsichtlich einer möglichen Kardiotoxizität des Arzneimittels [4]. So wird ein Echokardiogramm vor Aufnahme und alle drei Monate unter Therapie empfohlen. Eine weitere Black-Box-Warnung betrifft den Einsatz bei Schwangeren. Dies geht zurück auf einen Fall der Behandlung mit Trastuzumab, unter der es zu einer fatalen pulmonären Hypoplasie und dem Tod des Neonaten kam [11]. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass der Mikrotubuli-Hemmer DM1 eine embryofetale Toxizität besitzt, was die Kontraindikation für Schwangere hinreichend begründet [8].
Kosten
Die Jahrestherapiekosten für eine Behandlung mit T-DM1 liegen unter Annahme eines medianen progressionsfreien Überlebens (PFS) von 9,6 Monaten als Therapiedauer unter Addition der zusätzlich notwendigen GKV-Leistungen von 308 Euro pro Patient bei etwa 74963 Euro. Für die zweckmäßige Vergleichstherapie Lapatinib/Capecitabin unter Addition der zusätzlich notwendigen GKV-Leistungen von 143 Euro pro Patient ergeben sich Therapiekosten in Höhe von etwa 22733 Euro [3].
Ausblick
Die Überlegenheit und das überwiegend günstige Nebenwirkungsprofil von T-DM1 in der Zweitlinientherapie begründet die Hoffnung auf einen möglichen Benefit auch in der First-Line-Therapie des HER2-positiven, metastasierten Mammakarzinoms gegenüber der Standardtherapie aus HER2-Antikörper und Docetaxel. Erste Ergebnisse in einer offenen Phase-II-Studie mit T-DM1 versus Trastuzumab und Docetaxel bei 137 Patienten mit HER2-positivem, lokal-fortgeschrittenem, nicht resezierbarem und/oder metastasiertem Mammakarzinom ohne vorhergehende Chemotherapie oder Trastuzumab im metastasierten Stadium zeigten ein signifikant verbessertes medianes PFS (14,2 vs. 9,2 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,59; p=0,035) und eine signifikant verlängerte Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität (Median 4 Monate; HR 0,58; p=0,022) [6]. Die aktuell vollständig rekrutierte Phase-III-Studie MARIANNE (clinicaltrails.gov: NCT01120184) soll weitere Erkenntnisse über den First-Line-Einsatz von T-DM1 bringen. Leider entspricht der hier angewandte Vergleichsarm Trastuzumab plus Docetaxel nicht mehr dem derzeitigen Standard, da die Studie vor Etablierung der dualen HER2-Blockade begonnen wurde (Trastuzumab und Pertuzumab plus Docetaxel). Dennoch werden die Fragen beantwortet werden können, ob die Hinzunahme von Pertuzumab zu T-DM1 zu verbesserter Effektivität führt und der Einsatz von T-DM1 gegenüber einem Chemotherapie-haltigen Regime Vorteile bringt. Eine erste Zwischenauswertung, über die der pharmazeutische Unternehmer am 19.12.2014 berichtete, zeigt allerdings in beiden T-DM1-Armen keine Überlegenheit im PFS gegenüber Trastuzumab plus Docetaxel.
Weitere Einsatzgebiete stellen die neoadjuvante und adjuvante Situation dar, hier wird bereits in mehreren Phase-II- und -III-Studien der Stellenwert von T-DM1 ermittelt. Dies betrifft den Einsatz als Erhaltungstherapie über ein Jahr nach Chemotherapie im adjuvanten und neoadjuvanten Setting (TDM4874g, NCT01196052, Phase II, 153 Patienten) sowie als Erhaltungstherapie über 14 Zyklen nach OP bei Resterkrankung nach neoadjuvanter Trastuzumab-haltiger Behandlung (KATHERINE, NCT01772472, Phase III, >1400 Patienten). Die KRISTINE-Studie (Phase III, 432 Patienten, NCT02131064) soll zudem den Einsatz von T-DM1 plus Pertuzumab in der neoadjuvanten Initialtherapie des operablen, HER2-positiven Mammakarzinoms versus einer Kombinationschemotherapie aus Docetaxel, Carboplatin, Trastuzumab und Pertuzumab sowie eine an die OP anschließende Erhaltungstherapie mit T-DM1 plus Pertuzumab versus Trastuzumab plus Pertuzumab evaluieren. Die Studie rekrutiert seit kurzem – Ergebnisse werden erst in einigen Jahren zu erwarten sein.
In der adjuvanten Situation beim operablen HER2-positiven Mammakarzinom soll die KAITLIN-Studie (NCT01966471, Phase III, 2500 Patienten) zeigen, ob die Kombination aus T-DM1 und Pertuzumab dem Schema Trastuzumab und Pertuzumab plus Paclitaxel in der sequenziellen Therapie nach AC- oder FEC-Therapie überlegen ist. Ergebnisse sind ebenfalls erst in einigen Jahren zu erwarten.
Der Einsatz von T-DM1 ist zudem auch in anderen Tumorentitäten in den Fokus gerückt. So rekrutieren derzeit bereits Studien beim HER2-positiven nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NCT02289833, Phase II, 40 Patienten) und dem Magenkarzinom (NCT01641939, Phase III, 432 Patienten). Nicht zuletzt werden Kombinationen mit immunonkologischen Therapieansätzen wie Pembrolizumab als hoffnungsvoll angesehen und befinden sich bereits in klinischer Prüfung (NCT02318901, Phase II, 90 Patienten).
Dr. Tilman Schöning ist stellvertretender Chefapotheker der Apotheke der Universitätsklinik Heidelberg und dort verantwortlich für den Bereich Pharmazeutische Onkologie und die zentrale Zytostatika-Herstellungseinheit. Er ist Fachapotheker für Klinische Pharmazie seit 2004 und promovierte im Bereich Med. Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Heidelberg. Er ist Mitglied in verschiedenen Fachgesellschaften: u.a. Vorsitzender des Ausschusses Onkologie des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker ADKA e.V. sowie Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP)

Interessenkonflikterklärung
TS gibt an, dass keine Interessenskonflikte bestehen.
Literatur
1. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. www.akdae.de/Stellungnahmen/AMNOG/A-Z/TrastuzumabEmtansin/TrastuzumabEmtansin.pdf (Zugriff am 15.02.2015).
2. Bartley K, Wilders H, Kim SB. Patient-reported outcomes (PROs) from TH3RESA, a phase 3 study of trastuzumab emtansine (T-DM1) versus treatment of physician’s choice (TPC) in patients with pretreated HER2-positive advanced breast cancer. J Clin Oncol 2014;32(Suppl 26):abstr 153.
3. Gemeinsamer Bundesausschuss. www.g-ba.de/downloads/92-975-424/2013-1125_Modul3A_Trastuzumab_Emtansin.pdf (Zugriff am 15.02.2015).
4. Genetech. www.kadcyla.com/hcp/important-safety-information (Zugriff am 15.02.2015).
5. Geyer CE, Forster J, Lindquist D, et al. Lapatinib plus capecitabine for HER2-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2006;355:2733–43.
6. Hurvitz S, Dirix L, Kocsis J, et al. Phase II randomized study of trastuzumab emtansine versus trastuzumab plus docetaxel in patients with human epidermal growth factor receptor 2-positive metastatic breast cancer. J Clin Oncol 2013;31:1157–63.
7. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). www.iqwig.de/download/A14-01_Trastuzumab-Emtansin_Nutzenbewertung-35a-SGB%20V.pdf (Zugriff am 15.02.2015).
8. Peddi PF, Hurvitz SA. Ado-trastuzumab emtansine (T-DM1) in human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-positive metastatic breast cancer: latest evidence and clinical potential. Ther Adv Med Oncol 2014;6:202–9.
9. Verma S, Miles D, Gianni L, et al. Trastuzumab emtansine for HER2-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012;367:1783–91.
10. Welslau M1, Diéras V, Sohn JH, et al. Patient-reported outcomes from EMILIA, a randomized phase 3 study of trastuzumab emtansine (T-DM1) versus capecitabine and lapatinib in human epidermal growth factor receptor 2-positive locally advanced or metastatic breast cancer. Cancer 2014;120:642–51.
11. Zagouri F, Sergentanis T, Chrysikos D, et al. Trastuzumab administration during pregnancy: a systematic review and meta-analysis. Breast Cancer Res Treat 2013;137:349–57.
Dr. Tilman Schöning, Universitätsklinikum Heidelberg, Apotheke, Pharmazeutisch-Onkologischer Service, Im Neuenheimer Feld 670, 69120 Heidelberg, E-Mail: Tilman.Schoening@med.uni-heidelberg.de

Arzneimitteltherapie 2015; 33(04)