Torsten Konrad, Cathrin Theis, Sebastian Sonnenschein, Thomas Rostock und Hanke Mollnau, Mainz

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Einleitung
Herzrhythmusstörungen und der hierdurch bedingte plötzliche Herztod stellen eine führende Todesursache in den Industrienationen dar [19]. Bedeutsam ist, dass hiervon häufig jüngere Menschen betroffen sind. Das Long-QT-Syndrom ist dabei eine Erkrankung mit einem bedeutsamen Risiko für maligne Herzrhythmusstörungen. Im Oberflächen-EKG zeigen sich bei diesen Patienten ein verlängertes QT-Intervall und ein damit einhergehendes erhöhtes Risiko für Synkopen beziehungsweise für einen plötzlichen Herztod. Zu unterscheiden ist ein angeborenes, vermutlich monogenetisch bedingtes Long-QT-Syndrom von einer erworbenen QT-Zeit-Verlängerung zum Beispiel durch Arzneimittel, Elektrolytstörungen oder kardiale Erkrankungen.
Historie
Der erste publizierte Fall einer Patientin mit einem am ehesten vererbten Long-QT-Syndrom geht auf das Jahr 1856 und den deutschen Mediziner Friedrich Ludwig Meissner in Leipzig zurück. Er beschrieb den plötzlichen Tod eines jungen taubstummen Mädchens. Auslöser war eine Schrecksituation durch den Lehrer [9]. Danach folgten vereinzelte Fallbeschreibungen, jedoch waren sich die Autoren weder der Signifikanz eines verlängerten QT-Intervalls noch über deren Form der Vererbung bewusst. Erst in den 1950er-Jahren beziehungsweise mit der Publikation von Jervell, Lange-Nielsen konnte eine vererbbare QT-Verlängerung mit dem Auftreten des plötzlichen Herztods in Verbindung gebracht werden [6]. Die vererbbaren Formen des verlängerten QT-Intervalls sind heterogen und werden entweder autosomal rezessiv oder (deutlich häufiger) autosomal dominant vererbt. Mit dem Beginn molekularer Untersuchungsmethoden wurde das Long-QT-Syndrom mit den entsprechenden genetischen Varianten weiter differenziert. Bislang stellen Mutationen an drei Hauptgenen (KCNQ1, KCNH2 und SCN5A) etwa 90% aller positiven Genotypisierungen dar [7, 15]. Darüber hinaus wurden zehn weitere Gene klassifiziert, die ebenfalls für ein Long-QT-Syndrom ursächlich sein können.
Die verantwortlichen Gene kodieren Funktion und Aufbau von Ionenkanälen in der Membran von Kardiomyozyten und beeinflussen damit direkt oder indirekt den Ablauf der kardialen Repolarisation.
Erstmals wurde 1995 publiziert, dass medikamentös verursachte QT-Zeit-Verlängerungen durch Interaktionen an einem kardialen Kaliumkanal bedingt sein können (HERG-Kanal, ähnlich wie Long-QT-2-Syndrom) [12]. Diese Erkenntnisse haben mittlerweile Auswirkungen auf die Entwicklung und Freigabe von Arzneimitteln [4]. Die Folgen von Substanzen mit Einfluss auf die kardiale Repolarisation wurden repräsentativ erstmalig in dem Beispiel des Antimalariamittels Chinidin deutlich. Der Wirkstoff aus Chinarindenbäumen wurde seit dem Ende des 19. Jahrhundert außer bei Infektionskrankheiten auch in der Behandlung von Vorhofflimmern eingesetzt [5]. In einer Analyse von Levy im Jahre 1922 [8], in der etwa 460 Personen retrospektiv untersucht wurden, kam es bei circa 1% der Patienten unter der Gabe von Chinidin zu Synkopen mit einem plötzlichen Herztod. Mittlerweile ist eine Vielzahl an Arzneimitteln beziehungsweise Substanzen identifiziert worden, die Einfluss auf die Ionenkanäle von Kardiomyozyten nehmen und konsekutiv zur QT-Zeitverlängerung führen können. Diese Patienten sind in der Repolarisationsphase der elektrischen Erregung vulnerabel für das Auftreten von Kammerarrhythmien. Arzneimittel mit erhöhtem Potenzial für QT-verlängernde Wirkungen sind vor allem Psychopharmaka, Antibiotika und Antiarrhythmika.
Kasuistik
Eine 68-jährige Patientin stellte sich aufgrund eines unklaren Infektes und aktuell durchgeführter Chemotherapie bei metastasiertem Mamma-Karzinom vor. Folgende Arzneistoffe wurden der Patientin nach stationärer Aufnahme verordnet:
- Piperacillin + Tazobactam 4,5 g i.v. 1–1–1–1
- Clarithromycin 250 mg p.o. 1–0–1.
- Darüber hinaus wurde Torasemid 10 mg/Tag p.o. eingenommen.
Relevante kardiale Vorerkrankungen lagen nicht vor, frühere Synkopen und plötzliche vorzeitige Todesfälle oder Kindstode in der Familie wurden verneint. Die Nierenfunktion war normal (eGFR >60 ml/min).
Am Aufnahmetag kam es zu einer Synkope mit beobachtetem Herz-Kreislauf-Stillstand und konsekutiver kurzer kardiopulmonaler Reanimation bei Kammerflimmern über 2 min (1 Zyklus). Eine koronare Herzerkrankung konnte invasiv ausgeschlossen werden. Echokardiographisch sowie im Verlauf im Kardio-MRT bestand kein Hinweis für eine strukturelle Herzerkrankung bei guter linksventrikulärer Funktion. In der intensivmedizinischen Überwachung zeigten sich eine deutlich verlängerte QTc-Zeit von 600 ms, ein ventrikulärer Bigeminus mit R-auf-T-Phänomen und eine Hypokaliämie von 3,2 mmol/l (Abb. 1). Trotz raschem Ausgleich der Hypokaliämie sowie Magnesiumgabe zeigten sich multiple symptomatische TdP(Torsade de pointes)-Tachykardien (Abb. 2). Erst nach ventrikulärer Stimulation mit 110/min mittels passagerer Schrittmachersonde wurde eine Rhythmusstabilisierung erzielt.
Nach drei Tagen konnte die tachykarde Schrittmacherstimulation unter zwischenzeitlich eingeleiteter Propranolol-Therapie beendet werden. In einem vor einigen Jahren beim Hausarzt dokumentierten EKG zeigten sich bereits eine QTc-Zeit von 480 ms sowie eine auffällige, doppelgipfelige T-Welle (Abb. 3). In der Sequenzierung der häufigsten ein Long-QT-Syndrom verursachenden Gene konnte eine Mutation im Kaliumkanal KCNH2 (hERG-Gen) nachgewiesen werden. Diese Mutation ist als ursächlich für ein Long-QT-2-Syndrom publiziert, der funktionelle Effekt für den IKr-Strom ist bedeutend. Bei dem IKr-Strom handelt es sich um einen schnellen Kaliumausstrom aus der Zelle. Eine Verringerung dieses Kaliumausstroms (zum Beispiel durch eine genetische Mutation) führt zu einer Verlängerung der Aktionspotenzialdauer und damit zu einer Verlängerung der QT-Zeit im EKG.
Retrospektiv ist in diesem Fall daher von einem (bisher unbekanntem) Long-QT-2-Syndrom mit multiplen TdP-Tachykardien unter QT-verlängernder Medikation mit Clarithromycin sowie einer Hypokaliämie unter Torasemid als kausal auszugehen.

Abb. 1. EKG nach CPR (cardiopulmonary resuscitation). Sinusrhythmus, 100/min, QTcBazett 581 ms, QTcFridericia 534 ms, auffällig: bei jedem zweiten QRS-Komplex kommt es zu einer Fusion mit einer ventrikulären Extrasystole.

Abb. 2. TdP(Torsade de pointes)-Tachykardien mit Terminierung mittels präkordialem Faustschlag

Abb. 3. EKG der Patientin ohne QT-Zeit verlängernde Medikation und Normokaliämie. Die QTc-Zeit beträgt 485 ms bei 80/min, auffällig ist die doppelgipfelige T-Welle in V3/V4.
Bedeutung der QT-Zeit-Verlängerung
Generell wird durch eine Verlängerung der QT-Zeit das Risiko für TdP(Torsade de pointes)-Tachykardien erhöht. Es wurde errechnet, dass das Risiko für arrhythmogene Ereignisse um 1,0052 für jede Millisekunde QT-Zeit-Verlängerung oberhalb einer QT-Zeit von 400 ms erhöht wird. Damit besteht bei einer QTc >500 ms ein 1,66-faches Risiko und bei einer QTc >550 ms ein 2,14-faches Risiko im Vergleich zu einer QTc von 400 ms [17].
Es existieren jedoch weitere Faktoren, die das Risiko beeinflussen. Diese sind zum Teil substanzspezifisch. Zum Beispiel kann Amiodaron die QT-Zeit stark verlängern, das arrhythmogene Risiko ist aber relativ gering im Vergleich zu anderen Substanzen. Andere Risikofaktoren sind Begleiterkrankungen (z.B. KHK, linksventrikuläre Hypertrophie, Herzinsuffizienz), Elektrolytstörungen (z.B. Hypokaliämie, Hypomagnesiämie), die gleichzeitige Einnahme mehrerer QT-verlängernder Arzneistoffe oder Arzneimittel-Interaktionen. Ein besonders hohes Risiko haben Patienten mit Mutationen, die ein angeborenes Long-QT-Syndrom (LQTS) verursachen. Vermutlich dürften 20–30% der Patienten, die untere Arzneimitteln TdP-Tachykardien bekommen, eine LQTS-verursachende Mutation haben. Neben der QT-Zeit müssen daher weitere Faktoren berücksichtigt werden.
In einer Untersuchung mit 229 Patienten, bei denen eine TdP-Tachykardie durch Arzneimittel (keine Antiarrhythmika) dokumentiert werden konnte, wurden deren Patientencharakteristika näher untersucht [18]. Hierbei hatten 96% der Patienten mindestens einen Risikofaktor (wie in Tab. 1) und 72% zwei oder mehr. Dies macht deutlich, dass ein Großteil der Patienten, die eine TdP-Tachykardie entwickeln, neben der Einnahme von QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln weitere Risiken hat. Im Umkehrschluss besteht ein geringes Risiko, wenn keine weiteren Risikofaktoren bestehen [18].
Tab 1. Risikofaktoren für Torsade-de-pointes-Tachykardien
Häufige Risikofaktoren |
Seltene Risikofaktoren |
Weibliches Geschlecht |
Angeborenes LQTS |
Herzerkrankungen (KHK, Hypertrophie, Herzinsuffizienz und weitere) |
Bradykardie |
Hypokaliämie (z.B. durch Diuretika) |
Mitralklappenprolaps |
Mehrere QT-verlängernde Arzneistoffe |
HIV/AIDS |
Arzneimittel-Interaktionen |
Anorexia nervosa |
Hohe Serumspiegel QT-verlängernder Arzneistoffe (z.B. Niereninsuffizienz) |
AIDS: Acquired immunodeficiency syndrome; HIV: Humane Immundefizienz-Virus; KHK: Koronare Herzkrankheit; LQTS: Long-QT-Syndrom
Praktisches Vorgehen
In der Praxis ist ein Bewusstsein für die QT-verlängernde Potenz eines Arzneimittels wichtig. Falls es gleichwertige Präparate ohne Potenzial für eine QT-Verlängerung gibt, sollten diese bevorzugt werden. Vor der Gabe von QT-verlängernden Arzneimitteln sollte in der Anamnese nach früheren Synkopen oder plötzlichen, vorzeitigen (ungeklärten) Todesfällen in der Familie oder Kindstoden als Hinweis auf ein angeborenes Long-QT-Syndrom gefragt werden. Die Anfertigung eines EKG vor der Gabe eines QT-verlängernden Arzneimittels ist generell sinnvoll (aber nicht obligat bei Fehlen von weiteren Risikofaktoren). Falls zusätzliche Risikofaktoren (Tab. 2) bestehen, sollte nach dem Therapiebeginn mit einem QT-verlängernden Arzneimittel nach 2 bis 3 Tagen ein Kontroll-EKG geschrieben werden.
Tab. 2. Risikoklassen in Abhängigkeit von weiteren Risikofaktoren [mod nach 17]
Risiko |
Definition |
Initiales EKG |
FU EKG |
Kardiologische Vorstellung |
EKG-Monitoring |
Sehr gering |
Keine RF |
+/– |
– |
– |
– |
Gering |
Frauen ohne RF |
+/– |
– |
– |
– |
Mittel |
Andere RF wie Herzerkrankung |
+ |
+ |
– |
– |
Hoch |
Arzneimittelinteraktionen |
+ |
+ |
+/– |
+/– |
Sehr hoch |
Hinweise für angeborenes LQT |
+ |
+ |
+ |
+ |
Initiales EKG: EKG vor Beginn einer QT-verlängernden Medikation; FU EKG: EKG 2–3 Tage nach Beginn der QT-verlängernden Medikation; Kardiologische Vorstellung: Vor Beginn der Behandlung kardiologische Vorstellung; EKG Monitoring: Einstellung auf das QT-verlängernde Medikament stationär unter EKG-Monitoring. LQT: Long QT; RF: Risikofaktor
Als Faustregel gilt generell, dass eine QT-verlängernde Medikation abgesetzt werden sollte, wenn die QTc-Zeit um >50 ms zunimmt oder die absolute QTc-Zeit 500 ms überschreitet. In dem Rahmen 440/460 ms bis 500 ms der gemessenen QTc-Zeit liegt ein Graubereich vor. Falls das Arzneimittel dringend indiziert ist, kann es prinzipiell in diesem Fall weiter eingenommen werden.
Die Kombination mit weiteren QT-verlängernden Arzneimitteln ist zu vermeiden. Auf Arzneimittel-Interaktionen, die zu einer Erhöhung des Serumspiegels des QT-verlängernden Arzneistoffs führen, ist zu achten. Zusätzlich sollte die T-Wellen-Morphologie beurteilt und auf Elektrolytstörungen geachtet werden. Generell ist jedoch zu sagen, dass das Risiko entsprechend der QTc-Zeit vermutlich linear zunimmt und alle Grenzwerte artifiziell sind [11]. Zusätzlich kann das Risiko durch kaliumreiche Ernährung sowie gelegentliche Kontrollen des Serum-Kaliumspiegels (insbesondere bei Einnahme von Diuretika) vermutlich gesenkt werden.
Unter QT-verlängernder Medikation sollte gezielt nach Synkopen/Präsynkopen gefragt werden. Im Falle einer Synkope sollte eine sorgfältige Ursachenabklärung erfolgen, im Zweifel muss die QT-verlängernde Medikation beendet werden.
Wenn TdP-Tachykardien dokumentiert werden oder Hinweise auf ein angeborenes Long-QT-Syndrom besteht, ist eine Vorstellung bei einem Kardiologen zu empfehlen, der Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit kardialen Ionenkanalerkrankungen hat. Eine Sequenzierung der häufigsten QT-verlängernden Gene sowie eine Umfelddiagnostik sind in diesem Fall zu empfehlen.
Übersicht der QT-verlängernden Arzneistoffe
Eine fortlaufend aktualisierte Liste der Arzneistoffe, die die QT-Zeit verlängern, ist unter www.qtdrugs.org zu finden.
Beispiele für häufig eingesetzte Arzneimittel mit QT-verlängernder Potenz sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Antibiotika
- Chinolone (z.B. Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin)
- Makrolide (z.B. Erythomycin, Clarythromycin)
- Antidepressiva
- Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitryptilin, Imipramin, Desipramin)
- SSRI (z.B. Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin)
- Antiarrhythmika
- Nahezu bei allen, besonders bei Amiodaron, Sotalol, Dronedaron, Chinidin
- Sonstige
- Furosemid, Hydrochlorothiazid, Methadon, Lithium, Sevofluran, Pantoprazol, Ranolazin, Tacrolimus, Tamoxifen, Voriconazol, Fluconazol, Alfuzosin, Haloperidol, Ivabradin, Ondansetron
Exkurs 1: Wie wird die QT-Zeit gemessen?
Die QT-Zeit im EKG umfasst den Beginn der Q-Zacke und endet am Ende der T-Welle, dort, wo sie die isoelektrische Linie kreuzt. Das Intervall stellt damit die Zeit vom Beginn der Kammer-Depolarisation bis zum Abschluss der Repolarisation dar. Es besteht somit ein komplexer Zusammenhang zwischen Dauer des zellulären transmembranen Aktionspotenzials und der QT-Dauer [10]. Die Messung des QT-Intervalls sollte vorrangig in Ableitung II oder in den Ableitungen V5/V6 erfolgen, da hier aufgrund des Repolarisationsvektors das Auftreten von U-Wellen minimiert und somit die T-Welle besser unterschieden werden kann. Die Aktionspotenziale unterliegen unterschiedlichen Einflüssen, wie zum Beispiel durch Arzneimittel, das autonome Nervensystem, Elektrolyte, interventrikuläre Leitungsverzögerungen und vor allem der Herzfrequenz. Aufgrund dessen wird empfohlen, das arithmetische Mittel in fünf aufeinanderfolgenden Schlägen unter Sinusrhythmus oder von zehn Schlägen bei Vorhofflimmern zu messen. Zuletzt muss der erhobene Messwert noch mittels der Bazett-Formel (QTc[ms] = QT[ms]/√[RR[s]) auf die bestehende Herzfrequenz korrigiert werden [1]. Die Bazett-Formel führt jedoch bei Herzfrequenzen >100 bpm zu einer Überkorrektur bzw. <60 bpm zu einer Unterkorrektur, sodass außerhalb dieses Herzfrequenzspektrums das QT-Intervall nach der Fridericia-Formel (QTc[ms] = QT[ms]/RR[s]1/3) korrigiert werden sollte [2]. Bei Vorliegen von interventrikulären Leitungsverzögerungen zum Beispiel in Form eines Rechts-(RSB) bzw. Linksschenkelblocks (LSB) führt dies zu einer deutlichen Verzögerung der Depolarisation, konsekutiv der Repolarisation und somit zu einer verlängerten QT-Zeit. Die Dauer des QT-Intervalls erscheint im Vergleich zwischen beiden Blockbildern bei RSB kürzer [14]. Man nimmt an, dass das JT-Intervall die Dauer der Repolarisation bei Patienten mit RSB oder LSB besser darstellt [13], zumal gezeigt werden konnte, dass die JT-Zeit im Vergleich zur QT-Zeit einen signifikant höheren prognostischen Wert in Bezug auf das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit Schenkelblockierungen hat [3]. Es wird daher bei Vorhandensein von Schenkelblockierungen oder bei Patienten mit rechtsventrikulärer Stimulation (z.B. bei Herzschrittmacherpatienten) empfohlen, die JTc-Zeit zu verwenden [16, 20]. Die QT-Zeit variiert darüber hinaus in Abhängigkeit des Geschlechts, sodass bei Männern die Normwerte für die QT-Zeit von 370 ms bis 430 ms und bei Frauen bis 460 ms angegeben werden.

Abb. 4. Messung der QT/JT-Zeit. Um das Ende der T-Welle zu bestimmen, wird eine Tangente am absteigenden Schenkel der T-Welle eingezeichnet. Dort, wo die Tangente die isoelektrische Linie schneidet, ist definitionsgemäß das Ende der QT-Zeit. Optisch ist die QT-Zeit meistens verlängert, wenn sie beim Betrachten eines EKG mehr als die Hälfte des RR-Intervalls einnimmt.
Exkurs 2: Mechanismen der Arrhythmogenese
Für die Dauer der QT-Zeit ist besonders das Plateau (Phase 2) des Membranpotenzials der Kardiomyozyten bedeutend. Die Plateauphase wird durch verschiedene Kaliumkanäle (führt zu Kaliumausstrom) und Calciumkanäle (führt zu Calciumeinstrom) gebildet (Abb. 5). Ein Kaliumkanal, der für den IKr Strom (r=rapid) verantwortlich ist, ist der Interaktionspunkt für QT-verlängernde Arzneimittel. Einige QT-Zeit verlängernde Arzneimittel führen durch eine Hemmung des IKr zu einem verminderten Kaliumausstrom. Damit wird die Plateauphase und somit die Repolarisation verlängert, was sich elektrokardiographisch in einer verlängerten QT-Zeit ausdrückt. Die Entstehung von TdP(Torsade de pointes)-Tachykardien wird vermutlich durch sogenannte frühe Nachdepolarisationen ausgelöst. Diese könnten (wenn überschwellig) eine früh einfallende ventrikuläre Extrasystole auslösen, die zur Entstehung einer TdP-Tachykardie führen kann. Typisch für die Induktion von TdP-Tachykardien ist eine „short-long-short“ Sequenz: Nach einem Sinusschlag folgt eine VES (ventrikuläre Extrasystole), dann eine kompensatorische Pause, ein Sinusschlag und wieder eine VES, die dann eine TdP-Tachykardie auslöst (Abb. 6). Die Aufrechterhaltung der Tachykardie geschieht dann vermutlich über Reentry-Mechanismen.

Abb. 5. Schematische Darstellung des kardialen Aktionspotenzials und der Auswirkung einer Verlängerung der Plateauphase auf die QT-Zeit

Abb. 6. Schematische Darstellung einer Long-Short-Long Sequenz mit Induktion einer TdP(Torsade de pointes)-Tachykardie. VES: ventrikuläre Extrasystole
Interessenkonflikterklärung
TK, CT, SS, TR und HM geben keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel an.
Literatur
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Dr. med. Torsten Konrad, Dr. med. Cathrin Theis, Dr. med. Sebastian Sonnenschein, Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Rostock, Dr. med. Hanke Mollnau, Universitätsmedizin Mainz, 2. Medizinische Klinik und Poliklinik, Abteilung für Elektrophysiologie, Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz, e-Mail: torsten.konrad@unimedizin-mainz.de
Drug-induced QT prolongation – What clinicans should know
Some drugs have the ability to cause prolongation of ventricular repolarization by effecting cardiac potassium channel activities. These mechanisms may result in prolongation of the QT interval and potentially cause life-threatening Torsade de pointes tachycardia. The awareness of drug induced QT prolongation increases in preclinical stages of drug development as well as post-marketing observations. Therefore, clinicians should be aware of QT interval prolonging potency, how to measure the QT interval correctly and how to assess the individual risk of patients.
Key words: Adverse effect, OT interval, QTc, polymorphous ventricular tachycardia, torsade de pointes.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(04)